Gegen Ende meiner Assistententätigkeit am Indologischen Seminar, Berlin, enttäuschte ich die in mich gesetzten Erwartungen. Die angekündigte Habilitationsschrift über Patanjalis Yogasutram legte ich nicht vor. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt hatte, desto weniger Gefallen konnte ich daran finden. Dagegen hatte ich mich bereits als Lektor in Japan (vor meiner Tätigkeit in Berlin) mit Edward Sapirs Arbeiten über indianische Sprachen befasst und fand das Thema so anregend, dass ich es neuerlich aufgriff – was reichlich tollkühn erscheinen mag. Allerdings hat Noam Chomsky, der ja nicht weniger tollkühn war, außer der englischen meines Wissens nur noch die hebräische und spanische Sprache beherrscht. Ich hatte immerhin die übliche Schulbildung in Latein und Altgriechisch (minimal) auf dem Gymnasium erhalten, später in Sanskrit promoviert, eine Zeitlang als Dolmetscher für Japanisch gearbeitet, las und verstand Chinesisch und Russisch, hatte in Frankreich, Italien und England studiert und war wegen eines gewissen Sprachtalents gleich zu Beginn meines Studiums in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen worden. Meine Voraussetzungen waren also zumindest nicht schlechter als die von Chomsky.
Die Einreichung einer Arbeit über Generelle Grammatik als Habilitationsschrift wirkte dennoch verstörend. Während einer der Gutachter, der Linguist Peter Hartmann, sie für unbedingt habilitationswürdig hielt, wurde der Antrag von Prof. Bernfried Schlerath entschieden abgelehnt. Gekränkte Eitelkeit mochte da den Ausschlag gegeben haben, denn, undiplomatisch wie ich schon damals war, hatte ich nicht für nötig befunden, den Cheflinguisten der Freien Universität in mein doch recht ungewöhnliches Vorhaben einzuweihen, geschweige denn Rat und Erlaubnis von ihm einzuholen. Die Habilitationskommission einigte sich darauf, die Habilitation in Linguistik „aus formalen Gründen“ abzulehnen.
Die Linguistik hat seitdem einen anderen Weg beschritten, sie befasst sich heute überwiegend mit den praktischen Herausforderungen maschineller Übersetzung, worin sie zu großartigen Leistungen gelangt ist. Meine Arbeiten zur Generellen Grammatik sind weder praktisch noch pragmatisch (darin liegt wohl der Grund, warum sie in unserer eminent praktisch und pragmatisch orientierten Zeit so wenig Aufmerksamkeit erregten). Der frühere Eintrag in Wikipedia, der meiner Arbeit ein pragmatisches Vorgehen bescheinigte, griff also ganz daneben und ging vermutlich darauf zurück, dass Jef Verschueren, ein pragmatischer Linguist, eine wohlwollende Kritik verfasste. Schon die Fragestellung der generellen Grammatik beweist, dass sie theoretisch-strukturelle Ziele verfolgt: Welche Voraussetzungen und Grenzbedingungen in den beiden Bereichen von Form und Bedeutung befähigen Menschen dazu, Sprachen zu generieren? Welche Elemente und Strukturen sind allen Sprachen gemeinsam? Welche Unterschiede sind zwischen ihnen möglich? Diese Fragen sind denen von Chomskys Generativer Grammatik in der Zielsetzung ähnlich, Weg und Ergebnis sind jedoch grundverschieden. Einerseits gehen sie in ihrer logischen Analyse bis auf Erkenntnisse von Aristotles und der „Grammaire générale et raisonnée“ von Port Royal zurück, andererseits könnten sie auch in die Zukunft weisen. Das wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die gewonnenen Ergebnisse aufgrund der strikten Trennung von Form und Bedeutung von der neurologischen Forschung bestätigt werden. Denn es ist ja durchaus denkbar, dass Form, Bedeutung und Syntax (grob gesagt: akustische Marken, Begriffe und deren zulässige Verknüpfungen) in verschiedenen Arealen des Gehirns verschlüsselt werden.
Die beiden folgenden Schriften zu diesem Thema betrachte ich als überholt:
Grammatik Nova (Lang Verlag 1981)
Prolegomena zur Generellen Grammatik (Lang Verlag 1991)
Nur die letzte Arbeit mit dem Titel „Principles of Language“ repräsentiert die endgültige Fassung.
Principles of Language
(Lang Verlag 1993)
Als ich das Buch vor zwei Jahren noch einmal durchging, hat mir der erste Teil nicht mehr gefallen. Ich habe ihn daraufhin umgeschrieben (siehe nachstehenden Link):
Principles of Language revised
(partially revised 2014, again revised 2017 and 2019)
Sprachwissenschaftlicher Art war auch eine kleine Veröffentlichung über Charakteristiken der japanischen Sprache und im weiteren Sinne meine Dissertation, die sich mit der indischen Poetik befasste.
The Place of Japanse in General Linguistics
Gerd Jenner
(The Toyo Gakkai 1974)
Die poetischen Figuren der Inder von Bhamaha bis Mammata
(Appel Verlag 1968)