(auch erschienen in: Zeitschrift "Humane Wirtschaft" 6/2016, fbkfinanzwirtschaft und "scharf-links")
Jean-Jacques Rousseau beantwortete eine Preisfrage der Akademie von Dijon mit der unerwarteten These, die Zivilisation bilde in Wahrheit den Anfang aller sozialen Übel. Wenn Fabian Scheidler in seinem Buch „Das Ende der Megamaschine“ die Rolle des Geldes beleuchtet, dann schlägt er in die gleiche Kerbe. Mit der Einführung der Geldwirtschaft, welche dem Staat ein regelmäßiges Steueraufkommen gewährte, hätte schon die erste organisierte Marktwirtschaft der Geschichte, das klassische Griechenland, den Menschen die Freiheit genommen. Sie seien gezwungen worden, für den Markt zu produzieren, um sich das nötige Geld zu verschaffen, von dem sie dann den ihnen auferlegten Teil an Steuern an den Staat abgeben mussten.
Voltaires Spott über die Freiheit der Wilden
Rousseau lebte in einem Jahrhundert, dem achtzehnten, das sich der ganzen Menschheitsgeschichte unendlich überlegen dünkte und sich selbst als Siècle des Lumières (als Zeitalter der Aufklärung) verstand. Es war nicht das erste Mal, dass ein Denker der eigenen Zeit den Fehdehandschuh entgegenhält, indem er eine Meinung vertritt, die der zu seiner Zeit vorherrschenden diametral widerspricht. Kein Geringerer als Voltaire machte dem Genfer Philosophen denn auch den spöttischen Vorwurf, er würde die Menschheit wohl am liebsten erneut auf allen Vieren kriechen sehen. Den gleichen Vorwurf darf man gegen Fabian Scheidler erheben. Geld ist ein ganz besonderer Stoff, kostbar, wenn er aus unvergänglichem Gold besteht, ein bedrucktes Nichts, wenn man es aus Papier erzeugt. Dass es aber in der Geschichte menschlicher Zivilisation eine zentrale und im Großen und Ganzen auch unverzichtbare Rolle spielte, steht außer Zweifel: Erst Geld schweißte Gesellschaften zusammen, sorgte dafür, dass nach der neolithischen Revolution mit ihrer Erfindung der Landwirtschaft der Mensch weiterhin als soziales Wesen in großen Staaten zu überdauern vermochte.
Landwirtschaft hätte die Menschen atomisieren können
Unter Jägern und Sammlern, welche die Erde immerhin einige Hunderttausend Jahre besiedelten, wäre Geld ein überflüssiger Luxus gewesen. Der soziale Zusammenhang wurde unter ihnen auf gleich elementare Art wie in einem Rudel Löwen gestiftet, nämlich durch die gemeinsame Jagd, wo jeder sich auf den anderen fraglos verlassen musste – um des eigenen Überlebens willen. Dieser Zusammenhalt war aber außer Kraft gesetzt, sobald Bauern – jeder für sich – die eigene Parzelle bewirtschafteten. In einer Subsistenzwirtschaft, wie sie überall auf der Welt ursprünglich bestand, hätte die Einzelfamilie ihr Dasein theoretisch in völliger Isolation von allen übrigen fristen können. Das wäre dann eine Art Freiheit gewesen, deren Preis in geistiger Verkümmerung und einer Absage an jeglichen zivilisatorischen Fortschritt bestanden hätte: Voltaire hatte Recht mit seinem Spott über diese Art von Wilden-Freiheit.
Von Geld, Tausch und Spezialisierung zur Explosion des kollektiven Wissens
In Wahrheit hat die Erfindung des Geldes einschließlich des staatlichen Zwangs, zum Wohl des Ganzen einen Teil des eigenen Wirtschaftsertrags an die Repräsentanten dieses Ganzen (des Stammes, des Staates etc.) abzutreten, die menschliche Gesellschaft aus potentieller Atomisierung erlöst. Nach der Erfindung der Landwirtschaft war es mehrere Jahrhunderte danach die Erfindung von Geld, welches den sozialen Verkehr belebte und schließlich erzwang. Das Geld führte zum institutionalisierten Tausch beliebiger Güter in beliebigen Mengen zwischen beliebigen Personen; der Tausch führte seinerseits zur Spezialisierung bei der Herstellung bestimmter Güter; die Spezialisierung aber bildete dann das Fundament, auf dem der Riesenbau kollektiven Wissens und Könnens zivilisierter Gesellschaften aufgebaut worden ist.
Es ist schon richtig: Der einzelne Mensch in den sogenannten „primitiven Gesellschaften“ war nicht selten höher gebildet als der durchschnittliche Angehörige moderner Industrienationen. Da der Grad der Spezialisierung in Stammesgesellschaften aber vergleichsweise minimal war, verfügten alle Mitglieder desselben Stamms in etwa über die gleiche Bildung: Der kollektive Wissensumfang der ganzen Gemeinschaft war nur unwesentlich größer als das Wissen des klügsten Menschen in ihrer Mitte. Dagegen ist das kollektive Wissen einer modernen Gesellschaft unendlich viel größer als selbst das eines Genie oder uomo universale. Beide sind in unserer Zeit Unwissende, denn so gewaltig ist das Erbe kollektiven Wissens inzwischen angewachsen, dass jeder einzelne davon nur einen verschwindenden Bruchteil beherrscht. Diese exponentielle Steigerung des Gesamtwissens einer Gesellschaft wurde durch das Geld über den Tausch und die darauf beruhende Spezialisierung bewirkt.
Die Dialektik des Geldes
Damit aber ist auch schon die Dialektik jenes Fortschritts angesprochen, den das Geld in Bewegung setzte. Einerseits hat es den Einzelnen aus der vorsozialen Einsamkeit des Substanzwirtschaftens erlöst – der Tausch band die durch den Handel verbundenen Menschen in direktem Verkehr aneinander -, andererseits hat es durch fortschreitende Spezialisierung eine neue Einsamkeit und Atomisierung geschaffen, und zwar besonders in unserer Zeit, wo der Tausch sich zunehmend ins Internet verlagert. Die Tauschenden sehen und kennen einander nicht mehr. Geld fließt zwar in breiten Strömen zwischen ihnen, es setzt einen gewaltigen Warenverkehr in Bewegung, aber dieser Tausch führt zu keinen Begegnungen, stiftet keine Beziehungen. Die vollkommen atomisierte Gesellschaft, deren Entstehung vor der Erfindung des Geldes immerhin möglich gewesen wäre, erlebt am Ende durch seine Erfindung eine traurige Neugeburt in der Ära des Internets. Im Prinzip kann jeder vom eigenen Computer alle Bedürfnisse befriedigen und dabei in völliger Isolation von seinen Mitmenschen leben. Eine bis ins Extrem getriebene Spezialisierung verstärkt diesen Trend: Wir sind in Gesellschaften zuhause, wo der Zyklotron-Spezialist, die Billa-Verkäuferin, der App-Programmierer, die Börsenmaklerin und der Handyfabrikant einander nichts mehr zu sagen haben, selbst wenn sie dieselbe Sprache reden.
Kein Verlust, sondern Gewinn: die ungeheure Wende, welche das Geld bewirkte
Erfindungen entwickeln eine eigene Dynamik – das gilt in besonders hohem Maße auch und gerade für eine der einflussreichsten: die Erfindung des Geldes. Es diente ja nicht nur dem Tausch, sondern wurde schon früh als bequemes Mittel zur Wertaufbewahrung genutzt. Natürlich wurde auch schon vor der Einführung von Geld gespeichert und gehortet. Zwar nicht bei den jagenden und sammelnden Nomaden, denn Beeren und Fleisch, ihr tägliches Nahrungsmittel, ließ sich damals nicht aufbewahren, wohl aber das Getreide, von dem die sesshaften Bauern lebten. Diese mussten es sogar konservieren, da die ein- oder zweimalige Ernte ja für das ganze Jahr reichen sollte. Speicherung lief jedoch stets auf mehr oder weniger große Verluste hinaus. Teilweise wurden die Vorräte von Ratten gefressen, teilweise gab man sie einem anderen zur Aufbewahrung, musste dessen Dienste dann aber belohnen: Anders gesagt: bekam man stets weniger zurück als den eigenen Einsatz.
Mit der Einführung des Geldes ereignete sich dann ein veritables Wunder. Das bisherige Quasi-Naturgesetz unvermeidlicher Verluste wurde durch ein soziales Gesetz abgelöst, das in dem genauen Gegenteil bestand, nämlich einem, wie es schien, unvermeidlichen Gewinn. Wer Geld an andere zur Aufbewahrung oder weiteren Verwendung verlieh, erwartete nicht nur eine vollständige Rückzahlung zum vertraglich vereinbarten Termin, sondern eine zusätzliche Belohnung. Das war ein Mirakel, das sich als die folgenschwerste Auswirkung des Geldverkehrs überhaupt erweisen sollte, weil sie denjenigen, die bereits viel Geld oder geldwertes Kapital besaßen, den unglaublichen Vorteil verschaffte, dieses ohne eigene Anstrengung und Leistung sozusagen im Schlaf zu vermehren. Man übertreibt keinesfalls, wenn man im Blick auf die Geschichte der vergangenen zweitausend Jahre konstatiert, dass keine andere soziale Ungerechtigkeit so viel Protest bewirkte – bis hin zu Revolutionen.
Dass solche Proteste mit besonderer Stärke nach der industriellen Revolution aufflammen mussten, versteht sich, denn diese hatte sich ja zu dem Grundsatz bekannt, dass künftig nicht länger die Geburt oder sonstige Privilegien über das Schicksal gleichberechtigter Bürger entscheiden sollten, sondern allein das persönliche Wissen und Können. Eine Bereicherung, die sich allein daraus ergab, dass jemand schon reich war und sein Geld „für sich arbeiten“ lassen konnte (in Wirklichkeit andere dafür arbeiten ließ), war mit den Grundsätzen der neuen Ära nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Ein Erbfehler der Geldkonstruktion
Wie konnte es dann trotzdem geschehen, dass es in zweitausend Jahren Geschichte keiner Gesellschaft wirklich gelang, diesen Missstand abzustellen? Auch dies hängt mit der Eigendynamik des Geldes zusammen. In der Gesellschaft des Wachstums, die mit Ende des 18. Jahrhunderts zwar nicht geboren, aber sozusagen legitimiert worden war, wurde das Verleihen von Geld zu einer Notwendigkeit. Wachstum und Fortschritt konnte es nur geben, wenn Menschen, die zwar über Geld verfügten, aber über keine Ideen zu seiner profitablen Verwendung, es an andere Menschen verliehen, die Ideen besaßen, aber kein Geld zu deren Realisierung. Wie aber bringt man die ersten dazu, ihr Geld den zweiten leihweise zu überlassen, wenn dafür keine Belohnung winkt, sondern allenfalls ein abschreckendes Risiko? In diesem Fall würde die viel gefahrlosere Alternative ja einfach darin bestehen, das Geld in einem Tresor zu verwahren. Wie wir wissen, ist das in vielen Entwicklungsländern bis heute gängige Praxis, zum Beispiel in Indien, wenn dortige Frauen das Familienvermögen an Hand- und Fußgelenken als lebende Schatztruhen mit sich tragen. Wie wir ebenfalls wissen, wird Hortung gegenwärtig auch wieder bei uns praktiziert, nämlich in der Nullzinsphase, und zwar in großem Maßstab sogar von den Banken. Wie sehr das Geldhorten sich inzwischen zu einem ernsten Problem entwickelt, beweisen die entsprechenden Schätzungen: Etwa zwei Drittel der in Deutschland vorhandenen Bargeldbestände dienen der Hortung (das vermutet Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank in einer Rede, gehalten am 13. April 2016 in Berlin). Gehortetes, in Tresoren verwahrtes Geld steht für Kredite natürlich nicht mehr zur Verfügung. Vom Verleihen der ihnen anvertrauten Spargelder aber leben die Banken; Hortungen aufgrund eines Nullzinsniveaus können ihr Geschäftsmodell weitgehend zerstören. Das Dilemma, entweder die leistungslose Bereicherung der Reichen durch den Zins in Kauf zu nehmen oder die Volkswirtschaft in einer zinslosen Wirtschaft dadurch zu schädigen, dass der Bankensektor austrocknet, der „Rubel nicht länger rollt“ und die Vereisung des Geldumlaufs (Deflation) eine entsprechende Lähmung des Güterumlaufs bewirkt, ist ein Erbfehler des Geldes, den dieses seit seiner Erfindung mit sich schleppt.
Ein Fehler, der sich beseitigen lässt
Gegen Anfang des vergangenen Jahrhunderts hatte ein deutsch-argentinischer Kaufmann namens Silvio Gesell zum ersten Mal eine Lösung vorgeschlagen. Er sprach sich für die Einführung eines sogenannten „Schwundgeldes“ aus. Die Notenbank solle die ausgegebenen Geldscheine in unvorhersehbaren Abständen als ungültig erklären und bei ihrem Umtausch in neue gültige Scheine eine Gebühr erheben. Der Verlust (Wertschwund) von wenigen Prozent würde ausreichen, um einerseits von der volkswirtschaftlich schädlichen Tresorhortung abzuhalten, andererseits einen starken Anreiz zur Geldverleihung zu bieten. Auch ohne Belohnung (sprich Zinsen) würde sich Letztere nämlich als vorteilhaft erweisen, da die vollständige Werterhaltung nur unter dieser Bedingung gewährleistet ist. Mit anderen Worten, zwei Übel wären zur gleichen Zeit aus der Welt geschafft: erstens, das seit zweitausend Jahren bejammerte und gegeißelte Unheil unmoralischer Geldvermehrung ohne eigene Leistung; zweitens, die Lähmung der Wirtschaft durch Hortung. Nur von den Schuldnern des ihnen von den Sparern überlassenen Geldes würden die Banken weiterhin einen Aufschlag verlangen, nämlich einerseits für ihre eigenen Dienste (Bankenmarge) und andererseits gemäß dem geschätzten Risiko der jeweiligen Kredite.
Dass erst eine solche Maßnahme moralisch zu rechtfertigen ist, hat Helmut Creutz mit einem einleuchtenden Beispiel begründet. Hält der Staat Parksünder von ihrem Tun etwa dadurch ab, dass er ihnen Geschenke macht? Nein, er bestraft sie. Wie lässt es sich dann rechtfertigen, dass er das sozialschädliche Verhalten der Geldzurückhaltung (des Hortens) durch Belohnungen (Zinsen), also ein weiteres sozialschädliches Verhalten, einzudämmen versucht?
Bekanntlich hat sich Gesells Vorschlag nicht durchgesetzt. Ein fortwährendes Auswechseln des umlaufenden Geldnotenbestandes erschien einerseits zu beschwerlich, andererseits stieß Gesell, einem persönlich aller radikalen Neigungen unverdächtigen Mann, das Missgeschick zu, dass sich einige seiner Gefolgsleute später bei den Nazis anbiederten.
Der Durchbruch: das digitale Geld
Ideen sind allerdings schwer zu unterdrücken, besonders dann, wenn sie gegen ein altes, von jeher als drückend erkanntes Übel ankämpfen. In neuerer Zeit wurde es technisch möglich, Banknoten oder Münzen überhaupt abzuschaffen und sie durch digitale Zahlungsmittel vollständig zu ersetzen – eine Revolution, die sowohl große Gefahren wie große Verheißungen birgt und die Frage nach dem Verhältnis von Geld und Freiheit neuerlich zu einem viel diskutierten Thema macht.
Die Verheißung liegt auf der Hand. Das Horten physischer Geldscheine in privaten oder in Banktresoren ist bei einer vollständigen Umstellung auf digitale Währungen nicht länger möglich; es kann sich nur noch digital ereignen, nämlich in Gestalt einer abstrakten Zahl, die der Inhaber des betreffenden Geldvermögens auf seinem persönlichen Konto parkt. Dieses volkswirtschaftlich schädliche Vorgehen lässt sich nun jedoch auf einfachste Art verhindern. Statt vorhandene Banknoten als ungültig zu erklären und sie unter Einziehung einer Gebühr durch neue zu ersetzen, bedarf es nur eines kleinen monatlichen Abschlags auf die Summe des auf Konten geparkten Geldes, um das Horten zu einem Verlust zu machen. Es ist nicht wahr, dass diese Maßnahme dazu führen würde den Kontoinhaber – uns alle also – in einen besinnungslosen Konsum zu treiben, wie manche Kommentatoren unsachgemäß behaupten. Denn uns steht ja die Alternative offen, alles nicht für den Konsum benötigte Geld an andere zu verleihen, d.h. es vom Giro- auf ein Sparkonto zu transferieren. In diesem Fall erleiden wir überhaupt keinen Verlust, sondern erhalten den Einsatz – die verliehene Summe – zum vereinbarten Termin in voller Höhe (aber eben nicht um Zinsen vergrößert) zurück. Das Dilemma ist auf elegante Weise in beiden Richtungen gelöst. Eine Lähmung des Güterverkehrs ist ausgeschlossen: Der Rubel rollt entweder in den Konsum oder in Investitionen, aber das geschieht, ohne dass es zu leistungslosen Bereicherungen kommt.
Dennoch: eine Lösung mit Schönheitsmakeln
Wenn Freiheit in der Befreiung von einem der ältesten und größten sozialen Übel besteht, dann könnte die Digitalisierung des Geldes einen historischen Durchbruch bedeuten. Doch birgt diese Entwicklung auch große Gefahren. Ich spreche nicht darüber, dass es gewiss einen Vorteil bedeutet, Münzen oder Scheine in der Tasche zu haben, mit denen sich eine spontane und anonyme Wohltätigkeit gegenüber armen Mitbürgern ausüben lässt – das ließe sich auch dann noch regeln, wenn Geld nur noch digital über Kreditkarten verteilt wird. Weit schwerer wiegt der Umstand, dass der Staat im Prinzip eine vollkommene Kontrolle über die Geldvermögen und auch über die Geldausgaben sämtlicher Bürger erhält – dazu braucht er sich nur die Einsicht in ihre Konten zu verschaffen. In einem Rechtsstaat wäre das zwar ebenso wenig denkbar wie die Inhaftierung nicht rechtskräftig verurteilter Bürger, aber ein Rechtsstaat ist gut beraten, auch immer mit seinen Feinden zu rechnen. Auf jeden Fall wäre es sehr viel leichter, jede kleinste Geldbewegung zu kontrollieren, wenn Geld nur noch in digitaler Form existiert.
Eine Abwägung zwischen zwei Übeln
Wir haben es letztlich mit der Entscheidung zwischen Teufel und Beelzebub zu tun. Der Teufel bedroht den sozialen Zusammenhalt, indem er einer kleinen Schicht von Privilegierten ermöglicht, wie ein mächtiger Staubsauger einen immer größeren Teil des Volksvermögens in die eigenen Taschen zu lenken – nicht temporär aufgrund von ausgewiesener Leistung, die spätestens nach dem Ende des Leistungsträgers wieder verfällt – sondern dauerhaft und kumulativ, sodass ein neuer Geld- und Vermögensadel entsteht, der die eigentliche Errungenschaft der neuen Zeit, den Imperativ sozialer Gerechtigkeit, progressiv aushöhlt und am Ende ganz außer Kraft setzen könnte. Mit einem Abschlag auf das Horten von Digitalgeld wird diesem jahrtausendealten Übel ein Ende gesetzt, das sich administrativ verblüffend leicht verwirklichen lässt.
Wie sehr ist dagegen Beelzebub zu fürchte, die Gefahr eines Polizeistaates, der das Recht zu seinen Zwecken beugt, um einen vollkommenen Einblick in die Vermögensverhältnisse seiner Bürger und ihrer Geschäfte zu gewinnen? Man beachte, dass der Staat, ohne dass irgendjemand ihn deswegen der Rechtsbeugung bezichtigen würde, schon heute eine De-facto-Kontrolle über die abhängig arbeitende Bevölkerungsmehrheit betreibt. Das Gehalt von Angestellten und Arbeitern ist ihm auf Heller und Pfennig bekannt. Nur die obersten zehn Prozent können sich – sofern sie die Angaben gegenüber dem Fiskus auf illegale Weise verschleiern – dieser Überwachung auch heute noch entziehen, ziemlich mühelos sogar. Lohnt es sich wirklich, für diese Art Freiheit, die vollständige Digitalisierung des Geldes aufzuhalten?