Eine reine Besteuerung des Verbrauchs läuft für den Endkonsumenten wie für die Unternehmen darauf hinaus, dass beide nur noch im Hinblick darauf besteuert werden, was sie an Gütern und Dienstleistungen der Verfügung anderer entziehen, dagegen wird niemand für seine Leistung und den daraus hervorgehenden Ertrag zur Kasse gebeten. Einkommenssteuern ebenso wie die Besteuerung aller sonstigen Arten des Ertrags gehören damit der Vergangenheit an. Unternehmen entrichten Steuern für die von ihnen benötigten Rohstoffe, auch für das von ihnen beanspruchte Gelände und Immobilien (Erstverbrauchssteuer), aber nicht für ihren Ertrag, denn damit leisten sie einen zentralen Beitrag für das Wohl jeder Gesellschaft: Sie produzieren Güter und Wohlstand. Während sie für die benötigten Rohstoffe hohe Steuern entrichten und der Fortschritt damit in ökologisch verträgliche Bahnen gelenkt wird, kaufen sie Maschinen und andere Ausrüstungsgegenstände steuerfrei ein. Die in dieser Ausrüstung verwerteten Rohstoffe wurden ja bereits bei den Anbietern von der Steuer erfasst und die dabei aufgewendete Arbeit ist ohnehin steuerfrei. (Wertschöpfungs-, also Mehrwert- oder Umsatz-, ebenso wie Körperschaftssteuern oder solche auf den Gewinn kommen ebenfalls nicht in Frage, weil sie die Leistung belasten). Werden damit die Unternehmen auf unverantwortliche Weise entlastet?
In einer Zeit, wo einige Großunternehmen mehr Geld anhäufen als kleinere Staaten in ihrem Budget ausweisen, muss ein solcher Vorschlag zunächst einmal berechtigtes Misstrauen erregen. Wird dadurch nicht das Programm des Neoliberalismus auf die Spitze getrieben, der ja von vornherein darauf aus war, die Unternehmen möglichst von allen Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit zu befreien?
Das ist richtig. Wenn man die Sache falsch, also ohne die neue Vermögenssteuer anfassen würde, wird das Übel ohne Zweifel vergrößert. Geht man dagegen richtig vor, dann stärkt man den produktiven Apparat und baut im Gegenteil die bestehenden Ungleichgewichte ab! Um dies deutlich zu erkennen, müssen wir den Begriff des aufgeschobenen Konsums noch einmal näher betrachten. Grundsätzlich ist es richtig, alle Ersparnisse und damit alles für den aktuellen Konsum nicht benötigte Einkommen und Vermögen einer natürlichen Person als aufgeschobenen Konsum zu betrachten und diesen dann jenseits eines Maximums abzuschöpfen, um den Missbrauch von persönlichem Eigentum als Machtinstrument zu verhindern. Hiervon betroffen sind Bankeinlagen, Aktienpakete und andere Wertpapiere, die sich aufgrund von Zinsen, Dividenden und Spekulation von selbst, genauer gesagt, durch die Arbeit anderer vermehren. Aber ebenso betroffen ist auch die übermäßige private Bereicherung aufgrund eigener Arbeit. Die neue Vermögenssteuer läuft auf die Verwirklichung der Prophezeiungen des Managementgurus Peter Drucker – dieses Karl Marx der Eigentumsgesellschaft – hinaus. Peter Drucker stellte sich vor und verlangte, dass alle Bürger zu Aktionären werden, d.h. alle werden zu Teilhabern am produktiven Apparat.
Im Hinblick auf Aktiengesellschaften ist die von Drucker geforderte Teilhabe leicht zu verwirklichen. Sie besteht in einer Streuung des Eigentums durch das fiskalische Vorgehen des Staats. Aber es gibt auch Vermögen, die unmittelbar dem Einsatz und der Verwirklichung persönlicher Leistung dienen, so dass hier eine Streuung des Eigentums nicht in Frage kommt. Solche Vermögen können unter Umständen sehr bedeutend sein, z.B. wenn eine Handelskette wie der dm-Markt von ihrem Eigentümer (Götz Werner) auf erfolgreiche Weise aufgebaut und erweitert wurde. Wenn dies zusätzlich noch auf eine sozial verantwortliche Weise geschieht, dann ist damit dem Interesse und der Wohlfahrt der Allgemeinheit auf eminente Weise gedient. Einen solchen Erfolg durch Besteuerung (ausgenommen die Erstverbrauchssteuer) zu bestrafen, wie das heute geschieht, ist in hohem Maße kontraproduktiv, da der Staat dadurch gerade die erfolgreichsten Unternehmen besonders schröpft. Zwar wäre es sicher sinnvoll, eine maximale Betriebsgröße vorzuschreiben, ab der ein Eigentümer seinen Betrieb aufteilen und die Leitung des abzugebenden Teils in andere Hände legen sollte. Das wäre dann eine Ergänzung zum heutigen Wettbewerbsrecht, das der Verhinderung von Monopolen dient. Für Finanzdienstleister (Banken) wird eine solche Größenbeschränkung ohnehin diskutiert, aber sie ist sicher auch für produktive Betriebe in Erwägung zu ziehen.
Doch man sollte dabei nicht vergessen, dass die persönlich geführten Betriebe in Deutschland nicht nur für den Großteil der Arbeitsplätze aufkommen, sondern auch den glühenden Kern der Innovation ausmachen. Staat und Allgemeinheit können den größten Schaden anrichten, wenn sie hier auf falsche Weise verfahren. Auch in China sind es diese persönlich geführten Unternehmen, die dem Land nach dem Ende des Mao-Feudalismus über Nacht zu einem so außerordentlichen Aufschwung verholfen haben. Andererseits demonstriert China der ganzen Welt, wie aus einer verordneten Gleichheit im Maokittel auf einmal eine der ungleichsten Gesellschaften entsteht. Wie Pilze schießen die neuen Milliardäre dort aus dem Boden. In Deutschland ist die Entstehung der großen Vermögen nicht anders verlaufen. Man braucht nur die Liste der hundert reichsten Deutschen durchzugehen, um dies auf Anhieb zu erkennen.
Damit stoßen wir auf das eigentliche Problem. Es betrifft die Verfügung über das Eigentum. Heute gilt es als selbstverständlich, den Staatshaushalt und das persönliche Einkommen von Politikern auf strenge Weise zu trennen. Nur in Diktaturen dient die Staatskasse zugleich als persönlicher Geldsäckel. Aktiengesellschaften führen genau diese Trennung durch: Der Vorstand und die Beschäftigten verwenden das ihnen von den Aktionären zur Verfügung gestellte Geldkapital ausschließlich in deren Auftrag. Sie dürfen es nicht zu ihrer persönlichen Bereicherung gebrauchen. Das gleiche Prinzip sollte für persönlich geführte Unternehmen gelten. In der Vergangenheit war das ja auch bis zu einem gewissen Grade der Fall. Während der großen Zeit des deutschen Wirtschaftsaufschwungs gegen Ende des 19. Jahrhunderts und dann wieder in den ersten drei Jahrzehnten nach Ende des zweiten Weltkriegs hat dieses Prinzip sehr wohl gegolten, wenn auch ohne institutionelle Verankerung. Nicht wenige der großen Industriepioniere führten persönlich ein geradezu asketisches Leben, sie hatten sich ganz und gar dem Erfolg ihrer Unternehmen verschrieben. Diese Haltung hat Max Weber als den Geist des Protestantismus und der innerweltlichen Askese beschrieben und darin den Ursprung des modernen Kapitalismus erblickt.
Also kommt es darauf an, einen Unterschied zwischen dem persönlichen Einkommen des seinen Betrieb leitenden Unternehmers und dem Vermögen zu machen, das der Betrieb für ihn repräsentiert. Beide müssen rechtlich anders behandelt werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann richtet die Befreiung des Unternehmens von allen Steuern mit Ausnahme des Erstverbrauchs keinerlei Schaden an, sondern führt im Gegenteil zu einer allgemeinen Belebung der wirtschaftlichen Aktivität.
Wie ist dieses Ziel zu erreichen? Man erreicht es dadurch, dass die Steuerbehörde im Gegenzug dafür, dass sie auf alle Steuern außer dem Erstverbrauch verzichtet, Einblick in die finanzielle Situation der Unternehmen erhält. Sie weiß also über die Jahressumme sowohl der Einkommen wie der Investitionen und der eingekauften Rohstoffe bescheid. Der Eigentümer bezahlt nun mit seinem persönlichen Einkommen seinen privaten aktuellen ebenso wie seinen privaten aufgeschobenen Konsum und wird dafür wie jeder andere Bürger besteuert. Aber das Vermögen, das der Betrieb repräsentiert, steht außerhalb der auf seine Person bezogenen Ersparnis. Es wird dem aufgeschobenen Konsum nicht hinzugerechnet, weil es dieser Kategorie auch gar nicht zugehört.
Diese Trennung zwischen privatem Einkommen und dem Vermögen, das der Betrieb für ihn bildet, ist aber nur unter der einen Bedingung möglich, dass sein Eigentümer darüber nur eine begrenzte Verfügung besitzt. Er darf und soll damit alles machen, was dem Erfolg des Betriebes und den darin beschäftigten Menschen dient. Er kann also, ganz wie bisher, den Betrieb vergrößern, erweitern, diversifizieren und damit zu Ansehen und unter Umständen sogar zu politischem Einfluss gelangen. Er kann ihn auch verschenken oder vererben – ohne dass dabei eine Steuer anfallen sollte, denn es kann nicht im Sinne der Allgemeinheit sein, eine gewachsene Produktionsstätte durch hohe Belastung zu gefährden.
Doch sobald der Eigentümer seinen Betrieb verkauft, zerschneidet er das Band der persönlichen Leistung, welche die Verfügung über ein unter Umständen gewaltiges Vermögen bis dahin gerechtfertigt hatte. Mit anderen Worten, der Verkaufserlös verwandelt sich augenblicklich in einen persönlichen aufgeschobenen Konsum und wird von der neuen Vermögenssteuer erfasst. Die Mittel, die der Staat auf diese Art einnimmt, überschreiten alles, was er bis dahin durch Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungssteuern einnehmen konnte. Sie machen diese Steuern (im betrieblichen Bereich) schlicht überflüssig, und trotzdem ist für größere Chancengleichheit gesorgt, weil der Fortfall aller Steuern auf Arbeit und Leistung Betriebsgründungen so viel einfacher macht.
Eine solche Lösung für das Problem der Vermögenskonzentration sollte man nicht mit dem Vorgehen eines an Marx ausgerichteten Sozialismus verwechseln. Dieser will die Betriebe verstaatlichen, führt dadurch in den Feudalismus zurück (siehe Wohlstand und Armut) und lähmt auf diese Art die private Initiative. Davon ist hier keine Rede. Alle Unternehmen bleiben in privatem Besitz, gleichgültig ob sie einem einzelnen oder als Aktiengesellschaften einer Vielzahl von Eigentümern gehören. Eingeschränkt wird nur die Verfügung über das vom Unternehmen repräsentierte Vermögen und damit die Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung. Es ist nicht zu befürchten, dass die Bereitschaft zur Leistung dadurch gedämpft wird, denn die Chancen zur Entfaltung persönlicher Fähigkeiten und damit auch der Ausübung von Macht – ein Motiv, das so viel stärker wirkt als alle materielle Belohnung – bleiben ganz ungeschmälert. Mit einer solchen Lösung trifft es dann wirklich zu, dass die großen Vermögen nur noch „virtuellen Charakter“ haben (eine Formulierung von Götz Werner).