Die deutschen Sprachverhunzer:Innen

Spätestens seit der Antike weiß der Mensch: er ist ein zoon politikon. Er möchte von Seinesgleichen geschätzt und verstanden werden. Deswegen besteht ein elementares Bedürfnis nach Gleichklang und Resonanz – auf weniger schöne Art könnte man dieses Bestreben auch als Gleichschalterei bezeichnen. Zunächst einmal sucht zoon politikon nach einer gemeinsamen Sprache. Dabei dulden wir nicht, dass unsere Mitmenschen sich an diesem allen gemeinsamen Instrument mit willkürlichen Eingriffen vergehen. Es genügt, dass einer unter uns sich Fehler wie „DIE Kreis“ oder „DER Stange“ erlaubt – und schon erfasst uns ein inneres Grausen, auch wenn dadurch nicht der geringste materielle Schaden entsteht. Gern billigen wir unseren Mitmenschen zu, dass sie völlig neue, nie gehörte Sätze erfinden: auf einer Basis der Gleichheit dürfen und wollen wir ja alle verschieden sein, aber die elementare Basis der Verständigung und ihre Regeln darf und soll niemand in Frage stellen. Das wird als genauso unverzeihlich bewertet, wie wenn sich jemand erlauben würde, in Badehose zur Audienz der Queen (oder des Königs) zu erscheinen oder bei einem Anstellungsgespräch die Krawatte am Rücken zu tragen. In beiden Fällen wird er in hohem Bogen hinausbefördert oder endet vielleicht sogar in einer Irrenanstalt, obwohl er mit seinem Verhalten niemandem etwas zuleide tut. Einen Terroristen, der sich in seinen Rechten missachtet fühlt und deshalb wild um sich schießt, verstehen manche unter uns immer noch besser als einen Menschen, der die Krawatte bei einem Vorstellungsgespräch auf dem Rücken trägt.

Unser Bedürfnis nach einer gemeinsamen Verständigungsbasis ist so ausgeprägt, dass man darin das erste und strengste aller Gebote sehen könnte. Es lautet: „Das tut (sagt) man nicht!“ oder umgekehrt: „Das musst du tun (sagen)!“ Dieser Imperativ beherrscht uns so weitgehend, dass wir ihm selbst noch die Vernunft, das bessere Wissen und sogar noch die Wahrheit opfern. Deshalb gibt es in deutschen Landen die im Titel genannten Verhunzer:Innen., welche die Sprache misshandeln, um Wirklichkeit zu verändern.

Um keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen: die Wirklichkeit muss verändert werden! Dass die Frau endlich zu gleichen Rechten gelangt, nachdem der Mann sie Jahrtausende hindurch unterdrückte, ist eine Forderung der Vernunft, des Wissens und der sozialen Wahrheit. Und wie diese Forderung durchgesetzt werden soll, auch dafür scheinen Vernunft und historisches Wissen die nötige Anleitung zu bieten. In der Welt der Arbeit, der Wissenschaft, der Politik, kurz überall dort, wo Aufgaben erfüllt und Macht ausgeübt wird, sollte die Frau gleichrangig und gleichberechtigt neben dem Man­ne stehen. Die Hoffnung, dass damit Politik und Gesellschaft um vieles menschlicher werden, weil endlich beide Pole des Menschen – der weibliche und der männliche – gleichberechtigt zusammenwirken, scheint keineswegs unberechtigt. Immerhin ist der Mann seit der Zeit der Jäger und Sammler auf Töten und Krieg programmiert, während die Rolle der Frau schon in der Frühgeschichte des Menschen eher der Erhaltung und der Förderung des Lebens galt. Wenn mehr Menschlichkeit aus solcher Gleichberechtigung und Gleichbehandlung erwächst, dann dürfen wir die größten Erwartungen an eine Zukunft knüpfen, wo die Frau an Einfluss in Politik und Gesellschaft nicht länger hinter den Männern zurückstehen muss.

Was hat das nun mit der Sprache zu tun und ihren Verhunzern? Mit den historischen Wurzeln des Gendering habe ich mich nicht näher befasst. An meine Ohren ist aber das – möglicherweise falsche – Gerücht gedrungen, dass es Professor:Innen der Universität Leipzig waren, welche die ideologische Grundlage für die Verhunzung der deutschen Sprache legten und für diesen Zweck die Propagandatrommel rührten. Von dorther habe sich das Unwesen einer diktatorischen Gleichschalterei dann über ganz Deutschland ausgebreitet.

Tatsache ist, dass besseres Wissen, Vernunft und Wahrheit dabei von Anfang an auf der Strecke blieben. Fangen wir mit dem Wissen an. Es ist ein historisches Faktum, dass Indien und China die Frau noch stärker und noch systematischer unterdrückten und ausbeuteten, als dies in Europa geschehen ist. Seit etwa zweitausend Jahren haben die Männer der höchsten Kasten Indiens durchzusetzen vermocht, dass nach dem Tod des Patriarchen seine Frau den Scheiterhaufen bestieg, um sich als Sati verbrennen zu lassen. Den eigenen Mann nicht zu überleben, war ein sozialer Imperativ wie der, dass wir bei einem Empfang der Queen nicht in Badehose erscheinen oder die Krawatte nicht auf dem Rücken tragen. In China mussten die sozial höherstehenden Frauen ihre Abhängigkeit von einem reichem Mann dadurch für alle sichtbar bekunden, dass sie ihre Füße verstümmeln ließen, damit jeder erkennen konnte, dass sie für plebejische, anstrengende körperliche Arbeit untauglich waren – dafür beschäftigte ihr Mann ja das Dienstpersonal. Und es gehörte auch in China zum guten Ton, dass eine Frau den Tod ihres Mannes nicht überlebte. Tat sie es dennoch, dann erwartete sie – ganz wie in Indien – eine klägliche, geächtete Existenz.

Das ist die eine Seite unseres gesicherten historischen Wissens, die andere besteht in den jeweiligen Sprachen, die wir in China und Indien vorfinden. In großen Teilen des indischen Subkontinents werden indogermanische Sprachen gesprochen, die ähnlich dem Deutschen eine strenge Trennung der Wörter nach Geschlechtern vorschreiben – sie sind entweder männlich, weiblich oder sächlich. Der Kreis muss im Deutschen maskulin sein, die Stange feminin. Dagegen sind das Mandarin und andere sino-tibetische Sprachen völlig frei von dieser Unterscheidung – genauso wie das heutige Englisch. The house, a river, the street tragen kein Geschlecht – das wurde schon vor Jahrhunderten abgeschafft. Im Chinesischen hat es dergleichen seit Tausenden von Jahren nie gegeben.

Das historische Wissen präsentiert uns also zwei patriarchalische Kulturen mit ausgeprägter Unterdrückung der Frauen, die aber jeweils ganz unterschiedlich strukturierte Sprachen reden – die eine kommt ganz ohne Gendermarkierung aus, die andere muss sie strikt befolgen. An dieser Stelle sollte nun die Vernunft ihren Auftritt haben – unsere Vernunft. Sie ist aufgefordert, ihre Schlüsse zu ziehen, indem sie fragt, ob die Sprache für die jeweilige Realität verantwortlich sei oder nicht?

Die Antwort ist ein ganz klares, eindeutiges „Nein“. Würde die Sprache auch nur den geringsten Einfluss auf die herrschenden Lebensbedingungen ausüben, dann hätte sie in China die Entstehung eines Patriarchats verhindern müssen. Aber nicht nur dort. Dieselbe Überlegung trifft auf Europa zu. Das Englische hat, wie schon gesagt, die Unterscheidung nach Gendern schon vor Jahrhunderten aufgegeben, aber niemand wird sich zu der Behauptung versteigen, dass das englische Patriarchat aufgrund der sprachlichen Entwicklung weniger streng gewesen sei als in den übrigen Ländern Europas, wo es keine vergleichbare Wandlung der Sprache gab. Offensichtlich entwickeln die gelebte Wirklichkeit und die Sprache sich unabhängig voneinander.

Damit komme ich zum dritten Opfer nach dem des historischen Wissens und der Vernunft, einem Opfer, vor dem die Ideologen ebenso wenig zurückgeschreckt sind. Ich spreche von der Missachtung, man könnte auch sagen, der völligen Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit. Denn die gerade genannten historischen Beweise interessieren die Sprachverhunzer:Innen aus Leipzig und deren Gefolgschaft bis heute nicht. Deren Theorie setzt sich über die historische Wahrheit souverän hinweg, weil sie auf einer Unwahrheit gründet, nämlich der Behauptung, dass Sprache einen merklichen und nachweisbaren Einfluss auf die gelebte Wirklichkeit hat. Genau den hat sie nicht. Wenn es dazu noch eines weiteren Beweises bedürfte, dann wird dieser zusätzlich dadurch erbracht, dass sich sämtliche Sprachen der Welt – gleichsam widerstandslos – mit der modernen wissenschaftlich-technischen Lebensrealität „vertragen“, obwohl diese einen tiefreichenden Bruch mit früheren Lebensrealitäten und den mit ihnen verbundenen Weltanschauungen bewirkt.

Damit aber gelangt die Vernunft zu einer abschließenden Einsicht: Die Lebensrealität unterwirft sich die Sprache, aber niemals ist das Gegenteil der Fall (was immer Benjamin Whorf behaupten mochte).*1* Das haben die Sprachverhunzer aus Leipzig nicht begriffen und nicht akzeptieren wollen; stattdessen lieferten sie sich und uns dem Wahn und der ideologischen Borniertheit aus, welche dem Übel der Sprachverhunzung zugrunde liegen.

Wie konnte ein derartiger Wahn entstehen? Über diesen Punkt kann ich nur spekulieren, da ich in die Köpfe Leipziger Professorinnen nicht hineinzuschauen vermag, aber vorstellen kann ich mir Folgendes. Eine der Professor:Innen hat sich zum Beispiel gefragt. Warum heißt es eigentlich „DER Kreis“, obwohl ich mir dabei etwas Rundes vorstelle? Das vorausgehende „DER“, das stört mich fürchterlich. In meinem Kopf lässt es etwas Maskulines entstehen, etwas Spitzes – um es drastischer auszudrücken: einen Penis. Was hat dieser Penis mit einem Kreis zu tun, der in mir doch eher die Assoziation des Runden, des Busens, der Vulva, also des Weiblichen, beschwört? Und warum sagen wir „DIE Stange“, obwohl diese doch etwas Spitzes repräsentiert?

Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Grübeleien in kranken oder überempfindlichen Hirnen auftauchen können. Dem Durchschnittsdeutschen, der zu Millionen unsere Großstädte bevölkert, fallen derartig abwegige Überlegungen zwar nicht ein, und die klugen Dichter deutscher Sprache waren darüber erhaben. Bis heute sagen sie in aller Einfalt „DER Kreis“ – und denken dabei weder an Penis noch Vulva. Und es hat sich bis heute auch niemand daran gestört, dass Dichter und Denker einen Satz wie „DER Mensch ist edel und gut“ nichtsahnend über die Lippen brachten. Man hielt es für selbstverständlich, Frauen und Männer im selben Atemzug zu benennen.

Nicht so die raffinierten Forscher:Innen aus Leipzig, die haben ihre Fantasie ausgiebig an Freud geschult. Viel raffinierter als wir naiven Durchschnittsmenschen sehen sie überall Vulva und Penis. Daher fühlen sie sich aufgerufen, den Satz ideologisch zu reinigen und sprachlich zurechtzubiegen, zum Beispiel auf folgende Art „DER Mensch und DIE Mensch-in sind edel und gut“. Oder noch besser: „Mensch:Innen sind edel und gut“. Hätten sie es geschafft, die Beharrungskraft der Sprache zu besiegen, dann wäre uns diese „Reform“ längst aufgezwungen.

Wie auch eine andere, nicht weniger dringliche. Nur unverbesserliche Machos weigern sich nach wie vor, wenn es heißt, „man“ müsse das Deutsche endlich grundlegend umkrempeln. Und selbst hier irren die Machos noch. Denn an die Stelle von „man“ ist natürlich „frau“ zu setzen: Frau müsse das Deutsche endlich gründlich reformieren. Ja, in letzter Zeit sind auch avantgardistische Stimmen nicht länger zu überhören, die noch kühner denken. Statt „man“ oder „frau“ zu sagen, sollte man gleich zu „trans“ übergehen. Trans müsse das Deutsche endlich grundlegend reformieren.

Spätestens an dieser Stelle wird man, frau oder trans sich bewusst, dass die deutsche Sprache eine gewaltige Baustelle ist.

Denn die Sprachverhunzer:Innen von der Universität Leipzig – wenn es denn stimmt, dass der horrende Blödsinn von dort seinen Ausgang nahm – sind eben viel sensibler als wir einfachen Durchschnittsmenschen. Deswegen geben sie sich auch keineswegs mit jener niederen Art von Wissenschaft zufrieden, die sich an bloße Tatsachen hält (siehe Indien, China und England). Mit Mut und Entschlossenheit bekennen sie sich zu ihrer eigenen Meinung und ihrer persönlichen Überzeugung – das ist für sie die höhere Wissenschaft, und die darf sich eben erlauben, über bloße Fakten souverän hinwegzusehen. Auf dieser Grundlage ist evident, dass man einen scheinbar harmlosen Satz wie „DER Arzt ist unverzichtbarer Teil einer modernen Gesellschaft“ nicht länger aussprechen darf. Für eine bei Freud geschulte Professorin ist dieses „DER“ unerträglich – sie spürt, wie da der patriarchalische Penis im eigenen Hirn rumort. Frau fühlt sich nicht länger repräsentiert, nein, sogar völlig ausgeschlossen. Daher muss es nun unbedingt „DER Arzt und die DIE Ärztin heißen… “ oder besser noch: „(Ärzte und) Ärzt:Innen sind ein unverzichtbarer Teil moderner Gesellschaften“.

Einen halben Sieg haben die Sprachverhunzer:Innen aus Leipzig bereits erfochten. Sobald wir einmal damit beginnen, den generischen Artikel „DER“, welcher im üblichen Sprachgebrauch bis dahin beide Geschlechter meinte, durch diese umständlichen, aber ideologisch eindeutigen Umschreibungen zu ersetzen, fällt uns seine weitere Verwendung in diesem Sinne zunehmend schwer. Am Ende haben wir das bis dahin generisch verwendete Maskulinum wirklich zu einem reinen Maskulinum gemacht. Und was ist damit gewonnen? Nichts! Statt generisch „Ärzte“ für beide Geschlechter zu verwenden, setzen wir nun „Ärzt:Innen“ an diese Stelle, verwenden also das Femininum generisch für beide Geschlechter. Unser ohnehin etwas langatmiges und schwerfälliges Deutsch haben wir um zwei zusätzliche Silben langatmiger und schwerfälliger gemacht. Das ist ein sprachlicher Rückschritt, eine ideologisch betriebene Demontage. An der strukturbedingten Eigenart unserer Sprache, beide Geschlechter generisch entweder durch das Maskulinum oder durch das Femininum ausdrücken zu müssen, wird dadurch nichts geändert.

„Aber es ist doch nur die Sprache!“, so könnte man die Sache herunterspielen. Es gibt schließlich Schlimmeres, als dass man die deutsche Sprache weniger schön und schwerfälliger macht. Nein, so ist es nicht. Denn davon ist leider keinesfalls die Sprache allein betroffen. Hier sind engstirnige Ideolog:Innen am Werk, die einen massiven Druck auf die öffentlichen Medien und die Verlage ausüben, damit sich diese gefälligst der neuen Sprachregelung unterwerfen. Und sie haben auch eine Drohung parat. Wer ihnen nicht folgt, gerät in Generalverdacht, auf der falschen Seite zu stehen. Sie haben es fertiggebracht, die Öffentlichkeit auf perfide Art irrezuführen, indem sie die Sprachverhunzung zu einem linken Anliegen deklarieren und damit jeden Widerstand als ein Zeichen reaktionärer Zurückgebliebenheit verketzern. Nur weil dieses Anliegen – dieses Pseudoanliegen – zu einem linken gemacht worden ist, kommt der Widerstand dagegen vor allem von rechts.

Das war nur möglich, weil die Sprachverhunzer:Innen aus Leipzig das Sein mit dem Schein verwechseln. Wer wirklich ein linkes Anliegen größerer sozialer Gerechtigkeit vertritt, der wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die gelebte Wirklichkeit zu verändern. Das allerdings ist eine nie endende Mühe und Aufgabe. Die immer noch bestehende Benachteiligung der Frau in Politik und Arbeitsleben zu bekämpfen, erfordert beständigen Einsatz: Reform der Institutionen, Wahrung der Demokratie, Verbesserung der Lebensbedingungen benachteiligter Schichten. Dieser Prozess gleicht einem Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte andauernden Bohren von oft überaus dicken Brettern. Wie viel einfacher ist es im Vergleich dazu, sich mit dumpfen Köpfen auf die Vergewaltigung der Sprache zu einigen und alle, die sich diesem billigen – und letztlich völlig wirkungslosen – Verfahren verweigern, aus dem Kreis der Rechtgläubigen auszuschließen! Der neue Zar aller Russen macht es gerade vor, wie unwichtig die Sache und wie wichtig der Schein ist. Er lässt keine Gelegenheit aus, um vor laufender Kamera Ikonen zu küssen und Kreuze zu schlagen. Das erlaubt ihm, die Lehre des Neuen Testaments in ihr gerades Gegenteil zu verkehren, indem er daraus eine Anweisung zum Ausrotten seiner Nachbarn macht!

Ich weiß schon, der Vergleich ist weit hergeholt. Verbrechen gegen die Sprache sind harmlos im Vergleich zu denen, die im Namen der Ideologie an Menschen begangen werden. Und dennoch werde ich den Verdacht nicht los, dass die Sprachverhunzer:Innen aus Leipzig – wenn sie denn tatsächlich dort zuhause waren – derselben Maxime folgen. „Halten wir uns an den Schein, dann braucht uns die Sache selbst umso weniger zu kümmern. Die Halbgebildeten, die ideologisch Bornierten, die blindwütigen Eiferer, die ziehen wir auf jeden Fall an unsere Seite.“

Genauso ist es denn auch gekommen. Die deutsche Sprache ist in die Fänge von Halbgebildeten und Fanatikern geraten. Und es sind nicht etwa Philister, Politiker, Schulabbrecher oder geistig Eingeschränkte, die dafür verantwortlich sind, sondern Übel und Dummheit wurden im Zentrum der Bildung geboren – an deutschen Universitäten.

*1* Eine wichtige Ergänzung muss ich dennoch vornehmen. Die Sprache kann die Lebenswirklichkeit zwar nicht verändern, aber sie kann uns durch ihre eigene Magie in andere – manchmal wunderbare, manchmal erschreckende – Wirklichkeiten entführen. Das beweist jedes gelungene Gedicht und die Tatsache, dass sich ein Gedicht, gerade wenn es vollkommen ist, nicht ohne Verlust in andere Sprachen übertragen lässt. Die vollkommene Übereinstimmung von Inhalt und Form gilt eben nur für die jeweilige Sprache, in der es vom Dichter konzipiert worden ist.

I got the following email from the linguist and anthropologist Prof. Christopher Hallpike:

Dear Dr Jenner, thanks for a very interesting paper. I am bound to say, however, that as a native English-speaker I have always regarded grammatical gender as one of man’s most useless and tiresome inventions conveying absolutely no information whatever. Could not the Germans, simply as a matter of convenience, agree to use der for everything and consign die and das etc. to history?

Yours,

Christopher Hallpike

My answer:

Dear Mr. Hallpike,

You are too much of a historian to take your suggestion seriously. At one time, several thousand years ago, the distinction between the sexes must have played a crucial role. I imagine it was a something like a philosophical thunderbolt. Humans discovered that not only they, but the entire animal world was polarized into the two sexes, but that there was still a transition of sexlessness until sexual maturity. Then, after our ancestors had begun to distinguish the cock and the hen (German: der Hahn/ die Henne) and all the rest of the animal world according to these criteria, they had to do the same with the rest of things (grammatical rules are hard to limit) – and that’s where the madness started.

This is mere speculation, I admit, but it took the English several centuries to put an end to gender marking. And it was not the elite, who did it – it was the dumbest among the people who could not correctly pronounce the French words imported by the Normans and who certainly could not cope with their gender. In Germany, it may be the migrants who set this process in motion. But for now, much like in England, this too amounts for a century or more to a horrible language corruption.

All the best

Gero Jenner

Dear Dr Jenner,

I think the loss of gender in English in fact started earlier than the Normans, with the interaction between Danes and Anglo-Saxons, but it’s certainly true that simplification is closely associated with foreigners. Europeans might retort that English spelling needs simplification, but we too would say that this would be horrible language bastardization!

Yours,

Christopher Hallpike

Von Prof. Siegfried Wendt erhalte ich folgende Mail:

Lieber Herr Jenner,

herzlichen Dank für die Zusendung Ihres Textes. Dieser ist eine große Hilfe für alle,

die (wie ich) versuchen, gegen die unsinnige Genderisierung anzukämpfen.

Mit besten Grüßen

Siegfried Wendt

Herr Dr. Bruno Kathollnig äußert sich sogar überschwänglich:

Sehr geehrter Herr Jenner!

Bravo! Bravo! Bravo!

Die Sprachverhunzer gehören wegen eines offensichtlichen Hypersexualisierungs-Syndroms nachhaltig therapiert!

Dagegen bleibt Harald Schumann, den ich für seine Schriften sehr verehre, äußerst knapp:

Bitte löschen.

Mein Kommentar: Die Fakten kann Herr Schumann nicht leugnen, denn sie sind unanfechtbar. Aber wie viele hat er seine Überzeugungen, und die sind – wie ich in meinem Aufsatz ja schon bemerkte – bei den meisten Menschen inzwischen so ausgeprägt, dass man eher die Tatsachen missachtet, als dass man aus der eigenen Blase herausschlüpfen würde.