Eine Wohlstandsgesellschaft im Ab-stieg, wo Arbeitslosigkeit und Einkommensminderung um sich greifen, hat mit dem Problem der inneren Lähmung zu kämpfen; Pessimismus und eine Haltung der starrsinnigen Besitzstandsverteidigung breiten sich aus. Es scheint unmöglich zu sein, für irgendwelche Projekte eines wirklichen Umbruchs Einigkeit zu erzielen. Das könnte sich schlagartig ändern, sobald uns äußere Umstände mit einer wirklichen Gefahr konfrontieren. Eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Ölpreises könnte uns schnell zu radikalen Maßnahmen zwingen. Wir sind dann vor die Alternative gestellt, unsere Versorgung durch die Öllieferanten des Nahen Ostens und Mittelasiens unter Androhung und Einsatz militärischer Gewalt sicherzustellen – wie dies die USA heute schon praktizieren. Unsere Verfassung, die uns den Einsatz der eigenen Truppen außerhalb Deutschland nur im Verteidigungsfall gestattet, wäre dann allerdings Makulatur. Deutschland würde einen Rohstoffimperialismus mit unvorhersehbaren Folgen riskieren. Lieferanten wie der Iran bereiten sich ihrerseits eben gegen diese Eventualität mit atomarer Aufrüstung vor.
Oder wir wählen die einzige friedliche Alternative: die Umstellung auf erneuerbare Energien, deren Durchführbarkeit ebenso für Deutschland wie für die USA von Fachwissenschaftlern hinlänglich bewiesen wurde. Im Rahmen einer besonderen nationalen Kraftanstrengung würden wir diese Umstellung innerhalb weniger Jahrzehnte bewerkstelligen. Diese Alternative würde uns dennoch nur einen Bruchteil der Opfer kosten, die wir in Form von Krieg und Terror mit einem militanten Rohstoffimperialismus riskieren. Als Beispiel für ein groß angelegtes nationales Projekt sollte uns China vor Augen stehen. Vor dreißig Jahren war dort von jenen gewaltigen Wolkenkratzern und industriellen Betrieben, die das Land in der Zwischenzeit aus dem Boden stampfte, noch kaum etwas zu sehen. Wenn ein bitterarmes Land aufgrund einer solchen Kraftanstrengung sein Erscheinungsbild innerhalb weniger als einer Generation so grundlegend zu ändern vermag – leider nur teilweise zum Guten -, muss es da nicht einem immer noch sehr reichen Land wie Deutschland viel eher möglich sein, die technologisch keineswegs besonders aufwendige Energiewende in einem nationalen Projekt zu schaffen?