(auch erschienen in fbkfinanzwirtschaft)
Weizen ist immer noch Weizen, und Schweine sind Schweine – das macht den Unterschied zu Computern, Handys oder selbst Autos aus, wo jede Generation von Produkten fortdauernder Innovation unterliegt. Im Wesentlichen hat die Natur das Schwein geschaffen (einst war vom Lieben Gott die Rede), da sind selbst die Eingriffe des Züchters begrenzt. Anders gesagt, liegt der sogenannte Fortschritt der Landwirtschaft fast ausschließlich darin, dass sie Schweinefleisch, Weizen, Milch etc. jedes Jahr billiger auf den Markt wirft. Dazu muss sie die Produktionsbetriebe der Bauern allerdings in automatisierte und immer größere Fabriken verwandeln, wo von der Fütterung bis zur Schlachtung sämtliche Vorgänge von Maschinen ausgeführt werden. Traktoren und Mähmaschinen werden auf menschenleeren Feldern von Computern gelenkt, Biozide regnen von Drohnen herab. Unseren Kindern gaukeln wir zwar in bunten Büchern noch ein romantisches Bauernleben mit lustig krähenden Hähnen und glücklich muhenden Kühen vor. Die Realität sieht aber jetzt schon ganz anders aus. Tiere sind zu einer mechanisch produzierten und prozessierten Biomasse geworden, die, von Automaten manipuliert, ihr Leben auf kleinstem Raum in sterilen Boxen verbringen, bis sie kleinteilig in Plastikhüllen verpackt direkt zu den Supermärkten gelangen. Milch, Beefsteak ebenso wie die Früchte des Feldes sollen – so will es die Europäische Kommission – jedes Jahr in noch größerer Menge noch billiger produziert werden können. Dass sich um unsere Städte ein Gürtel von öden Agrarwüsten legt, dass die Selbstmordrate unter den Landwirten in die Höhe schnellt, weil man sie in Industrielle verwandelte, die statt mit lebenden Geschöpfen nur noch mit Biomasse hantieren, all das spielt in den Berechnungen nach strikter Wirtschaftlichkeit keine Rolle.
Welches Ziel haben wir da vor Augen?
Warum eigentlich dieses Immer-mehr, Immer-größer, Immer-lebensfeindlicher? Schon jetzt sind im „fortschrittlichen“ Norden nur noch zwei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, soll am Ende nur ein einziger Landwirt übrig bleiben, der wie der Ingenieur in einem Atomkraftwerk vor einer Wand von Schirmen sitzt, um das richtige Funktionieren der Anlage zu überwachen, die in diesem Fall eine einzige landesweite Getreide- und Fleischfabrik ist? Soll die Landschaft Europas am Ende aus wenigen Megametropolen bestehen, um die sich verödete Agrarwüsten breiten? Welches Ziel verfolgt Europa, wenn es mit seiner hochsubventionierten landwirtschaftlichen Produktion doch längst weit mehr als den eigenen Bedarf erzeugt?
Afrikanische Massenflucht – ausgelöst durch die Europäische Union
Die erschütternde Antwort auf diese Frage hatte schon vor Jahren Jean Ziegler gefunden, und zwar in Afrika. „Eine Hausfrau [kann] auf jedem afrikanischen Markt – in Dakar, Ouagadougou, Niamey oder Bamako – Gemüse, Obst und Hühner aus Frankreich, Belgien, Deutschland, Spanien, Griechenland… zur Hälfte oder einem Drittel des Preises für das entsprechende Afrikanische Produkt kaufen“ (2011: 176), denn dank staatlicher Subventionierung und industrieller Massenerzeugung ist es den Europäern inzwischen möglich, ihre Hühner, Schweinekoteletts usw. weit billiger anzubieten als ein Bauer in Senegal, Burkina Faso, Niger oder Mali.
Es liegt auf der Hand, was das für Länder bedeutet, in denen die Mehrheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. In Massen werden die Bauern arbeitslos, drängen zunächst in die Slums der ohnehin überfüllten Städte und brechen anschließend, da es auch dort für sie weder Arbeit noch Einkommen gibt, nach Norden auf, um ins Eldorado nach Europa zu gelangen.
Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut – und will es nicht einmal wissen
So sieht Europäische Politik heute aus, das einst so großartige europäische Projekt! Natürlich denkt eine Landwirtschaftskammer nur an den eigenen Zuständigkeitsbereich: die Landwirtschaft. Die überaus teuren Investitionen in die industrielle Automatisierung müssen ja abbezahlt werden – und das geht eben nicht ohne den im Freihandel forcierten Export. Für die hungernden Massen, die Europa mit seinen Produkten von den Feldern vertrieb (eine Tendenz, die durch Übervölkerung noch verstärkt wird), lehnt eine Landwirtschaftskammer natürlich jede Verantwortung ab. Dafür sind in Brüssel ja auch andere Abteilungen zuständig.
Was passiert mit den Werten Europas?
Aber verteidigt Europa nicht immerhin die eigenen Werte auf vorbildliche Art, indem Staaten und private Organisationen sich Hand in Hand darum bemühen, die über das Meer zu uns flüchtenden Afrikaner vor dem Ertrinken zu retten? Gewiss tun sie das. Aber was machen sie anschließend mit den Geretteten? Die werden an Italiens Küsten abgesetzt, und damit glauben die Retter jeder weiteren Verantwortung enthoben zu sein: Das eigene Gewissen ist beschwichtigt. Was danach mit den Auswanderern geschieht, braucht sie ebenso wenig zu interessieren, wie es die Landwirtschaftsbürokratie in Brüssel, Paris oder Berlin interessiert, was europäische Billigexporte in Afrika anrichten. Dabei weiß inzwischen ganz Europa – ich meine, die Bevölkerung weiß es, einige Regierungen geben freilich immer noch vor, es nicht zu wissen -, dass die Union eher zerbrechen wird bevor Deutschland, Österreich oder Frankreich – von Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei ganz zu schweigen – Flüchtlinge in unbegrenzter Zahl akzeptieren.
Arbeitet die Kommission am Zerbrechen der Union?
In Italien und Frankreich ist die extreme Rechte nur noch wenige Schritte davon entfernt, die Bastionen der Macht zu stürmen. Wen darf das wundern, wenn Europa seine Werte auf so merkwürdige Art verteidigt? Muss sich dem unvoreingenommenen Beobachter nicht der Eindruck aufdrängen, dass die Europäische Kommission in aller Stille aber mit größter Zielstrebigkeit den eigenen und den Zerfall der Union bezweckt? Erst trat man mit einer bedenkenlosen Politik vor den Toren Europas eine Menschenlawine aus Afrika los, dann ließ man es im Inneren auf den Aufruhr der eigenen Bevölkerung ankommen!
Politische Tollheit
Politisch weise nennt man ausschließlich solches Handeln, das die möglichen Folgen nie außer Acht lässt. Die agrar-industrielle Billigproduktion bei uns zu Hause ist zu einem bürokratisch verordneten Selbstläufer geworden, der die Lebensbedingungen für einen ganzen Berufsstand und den Lebensraum für eine ganze Bevölkerung bis zur Unkenntlichkeit zu verunstalten droht und noch dazu den Export erzwingt, weil Investitionen sich andernfalls nicht rentieren. Geradezu von politischer Tollheit muss man sprechen, wenn man auf diese Art Millionen von Afrikanern um Brot und Arbeit bringt und sie geradezu zwingt, bei uns ihr Glück zu suchen. Und ist es etwas anderes als Tollheit, wenn man die Flüchtlinge zwar vor dem Ertrinken rettet, aber sie anschließend an den Küsten eines Staats deponiert, dessen Bevölkerung man so in die Arme der Extremisten treibt?
Stoppt
die landwirtschaftliche Billigproduktion im eigenen Land! Stoppt den Billigexport nach Afrika! Dann gibt es keine Menschenlawine! Rettet die Menschen, die dann immer noch zu uns kommen, im Namen unserer Werte vor dem Ertrinken, aber setzt sie an den Küsten Afrikas ab, statt Italien zu destabilisieren und die Zukunft der Union zu gefährden!