Immer wieder erstaunt der scharfblickende Psychologe, wie ähnlich sich Menschen, beispielsweise Männer und Frauen, werden, wenn sie – etwa in einer Ehe – Jahre miteinander verbrachten. Böse Stimmen behaupten sogar, dass solche Ähnlichkeit nicht selten zwischen Hund und Herrchen (Frauchen) zu beobachten sei. Der eine scheint dann zu einem Abbild des anderen zu werden. Überraschend müssen wir das keineswegs zu finden: ein enges Miteinander führt zwangsläufig zu einer Angleichung von Gewohnheiten, Ansichten, Vorlieben und Antipathien – andernfalls käme ein enges Miteinanderleben von vornherein nicht zustande. Um es mit noch größerer Allgemeinheit zu sagen: menschliche Kultur ist Ausdruck von kollektiver Uniformierung auf höchstem Niveau. Von der Sprache bis zur Ästhetik des Alltags und den gängigen Ansichten über das Leben haben Menschen zu einem gemeinsamen Fundus von Denken und Handeln gefunden, der sie von anderen Völkern und Kulturen auf sichtbare Art unterscheidet.
Es ist allerdings eine Tatsache, dass diese Angleichung nicht nur Freunde betrifft sondern sich auch auf Feinde erstreckt. Liebe macht Menschen ähnlich, weil sie bemüht sind, sich in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen. Sie beruht demnach auf Empathie. Die Angst vor dem anderen und der Hass auf ihn bringen aber eine ähnliche Wirkung hervor. Denn um den Feind wirkungsvoll zu bekämpfen, muss man ihn und seine Motive ganz genau kennen. In diesem Sinne habe ich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kampftechniken und Ziele der Supermächte einander zunehmend ähnlich werden. In erster Linie trifft das natürlich auf materiellem Gebiet und hier insbesondere auf die Bewaffnung zu. Es gibt keine Erfindung menschlicher Zerstörungswut, die nicht augenblicklich kopiert wird, weil man andernfalls den Feinden einen Vorsprung einräumen würde. So ist zu erklären, dass sich vom Faustkeil bis zur Neutronenbombe sowie bakteriellen und chemischen Waffen gerade die teuflischsten Erfindungen zur Auslöschung des Lebens mit Windeseile über den Globus verbreitet haben. Denn solche Verbreitung gehorcht der Angst. Das wird so bleiben, solange es keine transnationale Autorität über den Staaten gibt, der es erlaubt ist, Bewaffnung strikt zu kontrollieren und einzuschränken. In der bisherigen Geschichte des Menschen hat sich Angst als der wirksamste Katalysator zur Nachahmung erwiesen – wirksamer noch als Liebe und Empathie. Angst in den Zeiten des atomaren Damoklesschwert ist die treibende Kraft jenes Wettlaufes der Nationen, welche alle – uns alle – in Richtung Abgrund treibt.
Nicht nur der Wettlauf der Nationen entspringt der Angst sondern ebenso die zunehmende Kontrolle und Entmündigung der eigenen Bevölkerung. Angst vor der Schwächung des eigenen Lagers im Kampf mit dem Gegner hat zu einer Auslöschung der Opposition in Putins Russlandgeführt; Angst ist in China die treibende Kraft, warum Millionen von Kameras dazu eingesetzt werden, um alle Bürger von der Wiege bis zur Bahre zu überwachen. Doch längst wird Überwachung weltweit praktiziert. In den Vereinigten Staaten hatte die McCarthy-Ära mit Gesinnungsschnüffelei begonnen, der Patriot Act nach dem 11. September hat diese Tendenz fortgeführt und die Auslieferung des Wikileaksgründers Julian Assange in die Vereinigten Staaten geht zwar weniger weit als der versuchte Auftragsmord an Alexei Nawalny, aber die Motivation ist dieselbe: Dissens, der zu innerer Schwächung gegenüber dem Gegner führt, soll nach Möglichkeit ausgelöscht werden. Kein Zweifel: Angst hat nicht nur bewirkt, dass Ost und West sich gleichermaßen bemühen, die Waffen der Apokalypse des jeweils anderen augenblicklich zu übernehmen. Sie hat auch bewirkt, dass die rivalisierenden Lager einander in psychologischer Hinsicht zunehmend ähnlich werden – ähnlicher, aber nicht gleich. Die Unterschiede sind bedeutsam.
Allerdings werden sie gerade im Westen und vor allem unter Intellektuellen gern übersehen – hier kommt deutsche (Selbst-)Gerechtigkeit ins Spiel. Deutsche neigen dazu, an Vorbilder besonders hohe Ansprüche zu stellen. Nach dem Untergang des mörderischen Dritten Reichs und der damals von vielen bereitwillig und sogar dankend akzeptierten Schulung in demokratischem Denken durch die westlichen Siegermächte, nahmen die USA – und keineswegs Stalins Russland! – durch Jahrzehnte die Stellung eines Vorbildes ein. Aus sowjetrussischer Sicht waren wir freilich schon damals die hörigen Vasallen Amerikas. Dass die Staaten des Warschauerpakts gegenüber Russland viel weniger Freiheit besaßen, wurde gern unterschlagen. Zweifellos hätten Europa und Deutschland in den Zeiten des Kalten Krieges nicht gegen US-Interessen handeln können, aber dafür bürgte die Weltmacht auch für die Sicherheit Europas. Die USA haben sich sogar gefallen lassen, dass der Aufschwung Deutschlands – das deutsche Wirtschaftswunder – (ebenso wie auch das japanische) – ihre ökonomische Vormachtstellung untergrub, obwohl sie, die USA, es waren, die für den militärischen Schutz bezahlten.
Wie man weiß, neigen Deutsche zum Idealismus, anders gesagt, gehen sie gerade mit Vorbildern besonders streng ins Gericht. Ein Ideal, das sie enttäuscht, erscheint ihnen noch tadelnswerter als ein Feind, dessen Motive sie zu verstehen und durch Verständnis zu entschuldigen suchen – das ist eine unter Deutschen verbreitete Auffassung von Gerechtigkeit, die seit einigen Jahren dazu führte, dass es gerade unter linken Intellektuellen (von der extremen Rechten ganz zu schweigen) zu einer beliebten Mode wurde – um nicht zu sagen, zum Beweis für eine überlegene Art politischer Analyse – die USA rundum zu kritisieren, während man sich umgekehrt große Mühe gibt, Russland und speziell Putin zu verstehen. Für viele ist das Vorbild eben nichts wert, wenn es dem Ideal nicht länger gerecht wird. Und die Schwächen der amerikanischen Supermacht sind offenkundig.
Auch das hängt mit der Angleichung unter Feinden zusammen, die mit der Zeit des Kalten Krieges begann. Beide Lager drängten darauf, ihre jeweilige Einflusssphäre zu befestigen und auszuweiten. Jeder erfolgreiche Vorstoß des Feinde wurde als eigene Niederlage verstanden. Dabei wurden Kapitalismus und Demokratie westlicher Prägung nicht weniger messianisch angepriesen als der sowjetische Kommunismus. Wo wie in Korea und Vietnam, aber auch in Salvador Allendes Chile die Ideologien direkt aufeinanderprallten, wurden die Völker von beiden Lagern mit gleicher Rücksichtslosigkeit aufgeopfert. Doch die Ähnlichkeit täuscht – in den Vereinigten Staaten ermöglichte die Demokratie eine breite Antikriegsbewegung; in Russland wurde Dissens stets brutal unterdrückt. Der Krieg, den die USA unter falschen Vorwänden (Massenvernichtungswaffen) 2003 im Irak entfesselten, wird bis heute von vielen Amerikanern als ein Verbrechen und mehr noch: als eine unverzeihliche politische Dummheit gesehen, da erst dadurch der Iran zur großen Regionalmacht mit atomaren Ambitionen aufrücken konnte. Ebenso ging die militärische Unterstützung des arabischen Frühlings aus politischer Naivität hervor (siehe Putins Vision der Ukraine und von Europa) und war von vornherein zum Scheitern verdammt – diese Dummheit, die in Syrien und Libyen nur Unheil bewirkte, wird von Russland bis heute erfolgreich ausgeschlachtet, um den Westen und die NATO als Aggressor hinzustellen. Der größte Fehler des Westens aber bestand zweifellos darin, dass er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Verabschiedung vom Kommunismus dem neu erstandenen Russland nicht ebenso großzügig Hilfe gewährte, wie die USA Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geholfen hatten.
Das alles ist Schnee von gestern, aber die Diskussion um die NATO bleibt aktuell. Für viele gerade im radikal linken und radikal rechten Lager ist sie zum Stein des Anstoßes geworden, obwohl es keinen Zweifel darüber geben kann, dass Europa seine Unabhängigkeit während des Kalten Krieges nur dank der NATO, d.h. dank den USA, zu bewahren vermochte. Und wer von diesen beredten Kritikern erhebt eigentlich Einspruch gegen die immer engere Freundschaft zwischen Russland und China, die sich inzwischen zu einem undeklarierten Verteidigungsbündnis mit gemeinsamen Manövern entwickelt hat? Hier haben sich, wie so oft in der Geschichte, Beta- und Gamma- gegen das Alpha-Männchen zusammengeschlossen. Wer käme in diesem Fall auf den Gedanken, den beiden souveränen Staaten ein Bündnis zum Zweck der Verteidigung zu verbieten? Hört man die deutschen Kritiker der NATO je darüber jammern, dass Europa vonCRUA (China Russia Undeclared Military Alliance) bedroht wird, einem Verteidigungsbündnis, das neben dem flächengrößten und insgesamt rohstoffreichsten auch noch aus dem bevölkerungsstärksten Staat besteht? Es stimmt: Genscher hatte Gorbatschow gegenüber eine mündliche Zusicherung abgegeben, wonach das atlantische Verteidigungsbündnis sich nicht nach Osten ausweiten solle, aber das war ein reichlich leichtfertiger Lapsus, denn Genscher besaß keinerlei Vollmacht vonseiten Polens oder anderer ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes, um in ihrem Namen eine solche Zusage abzugeben. Die Russen jedenfalls haben keinen Grund, sich deswegen zu beschweren. Sie dürften sich auf keinen Fall mit China gegen den Westen zusammenschließen, wenn sie gegen derartige Verteidigungsbündnisse sind. Eine ganz andere Sache ist es, wenn defensive Allianzen offensiv vorgehen, also die Sicherheit des anderen bedrohen. In diesem Punkt sind die Forderungen Russlands durchaus berechtigt. Beide, das östliche wie das westliche Lager, müssen hier Zugeständnisse machen, wenn das militärische Wettrüsten nicht sie – und damit uns alle – in den Abgrund reißen soll.
Nach allem, was wir aus der Geschichte wissen, hat es den idealen Staat, die ideale menschliche Gemeinschaft nie gegeben – schon deshalb nicht, weil den Menschen auch und gerade im Paradies langweilig wird und sie ihre Intelligenz dann dazu benutzen, um sich gegenseitig zu Bosheiten zu provozieren. Man muss kein Pessimist wie Schopenhauer sein, um resigniert festzustellen, dass Dante zwar über die Hölle unendlich viel zu sagen wusste, aber bei der Beschreibung des Paradieses kläglich versagte – da fiel ihm absolut nichts mehr ein. Andererseits pflegt der Pessimismus blind für die alles entscheidenden Unterschiede zu sein. Wenn es schon die ideale Gesellschaft oder einen beständigen Glückszustand nie gab und wohl niemals geben wird, so bestehen doch gewaltige Unterschiede zwischen erträglichen und unmenschlichen Zuständen. Ja, die USA sind gewiss keine ideale Gesellschaft. Man muss nicht erst die russische und chinesische Propaganda verfolgen, um sich darüber belehren zu lassen. Gerade weil die amerikanische Demokratie ihren Bürgern – immer noch – sehr viel mehr Freiheit gewährt als die Regime von Putin und Xi Jinping, ist sie besonders starken und gefährlichen inneren Zerreißproben ausgesetzt. Aber die Friedhofsstille Russlands, die jetzt mit Bomben auch noch in die Ukraine getragen wird, und die totale Überwachung in China sind keine Alternative. Es ist nicht Gerechtigkeit, welche den modischen Antiamerikanismus jener am Leben hält, die daraus eine überlegene politische Analyse ableiten, sondern ein Mangel an Realitätssinn und Urteilsvermögen (und in unser egoversessenen Spaßgesellschaft leider auch ein Schielen nach dem Erfolg bei einem sensationslüsternen Publikum, denn mit schrägen Thesen gewinnt man mehr Anhänger als mit nüchternem Augenmaß). Noam Chomsky hatte zweifellos recht, wenn er sein eigenes Land für einen „Schurkenstaat“ hält – am Ideal gemessen, trifft diese Bezeichnung auf sämtliche großen Mächte der Geschichte zu. Der Handelnde ist immer gewissenlos, hatte Goethe gesagt, und dass absolute Macht absolut korrumpiert, ist längst kein Geheimnis mehr. Aber von der US-amerikanischen Regierung wurde und wird kein Mordattentat auf Noam Chomsky ausgeübt, und er braucht den Rest seines Lebens nicht in Einzelhaft abzusitzen. Allein das ist ein bedeutsamer Unterschied zu den beiden anderen Supermächten.
Chomsky, Assange und alle anderen, die den Finger auf die vielen Wunden legen, die das von ihrem eigenen Land ausgehende Unrecht geschlagen hat und weiterhin schlägt, haben recht. Je mehr eine Gesellschaft sich dem Ideal annähert, desto weniger braucht sie sich vor denen zu fürchten, welche die Wahrheit sagen. Aber Wahrheit muss so unparteiisch sein, wie wir es von der Gerechtigkeit verlangen. Wenn die Leute nur dort kritisieren und verdammen, wo man ihnen die Freiheit gewährt, dies ungestraft zu tun, dann fehlt das Augenmaß, dann geht Wahrheit in Lüge über und Gerechtigkeit wird zu ihrem Zerrbild, zu Selbstgerechtigkeit.
Der deutsch-rumänische Schriftsteller Eginald Schlattner schreibt Folgendes:
Genauso! Atemberaubend, wie jeder Satz sitzt im Sinne Ihres letzten Satzes zu Wahrheit. Bleiben Sie mir wohlgesonnen
Dr. h.c. Eginald Norbert F. Schlattner
Gefängnispfarrer
Pfarrhof Rothberg/Hermannstadt,
ROMANIA 557210 Rosia/Sibiu,
Von Dr. Bruno Kathollnig, Dichter, erhalte ich folgende Mail:
Sehr geehrter Herr Jenner!Es fällt mir schwer, dies einzugestehen: Ich finde in ihrer Analyse keine einzige Stelle, an der mein Hang zum Widerspruch oder zumindest zum Zweifel eine Chance hätte.Denn Sie sind schlicht und ergreifend überzeugend!Gratuliere!Mit freundlichen Grüßen!Bruno Kathollnig
Bruno Kathollnig (geb.1942),
Dichter – poeta – pesnik
(Mitglied des Kärntner Schriftstellerverbandes)
Michael Kilian, Prof. für Verfassungsrecht und Anwalt, bereichert die Diskussion mit folgendem Kommentar:
Lieber Herr Jenner,
vielen Dank für Ihren wieder erhellenden Beitrag, on dem ich Ihnen – freilich nicht in allem – zustimme.
Nur ein paar Bemerkungen dazu, da ich ebenfalls unter großem Erledigungsdruck stehe.
Wenn Sie Genscher erwähnen, spielen Sie vermutlich u.a. auf mein Zitat einer Genscher-Rede an. Genscher war Jurist und wurde von hochkarätigen Völkerrechtlern im AA, die ich zum Teil kannte, beraten.
Es würde hier zu weit führen und zu einer Grundsatzvorlesung im Völkerrecht führen: völkerrechtlich hatten seine Ausführungen in der Tat rechtliche Auswirkungen und mir war von Anfang an klar, dass im Punkt der NATO der Keim eines künftigen Krieges lag. Es ging zunächst nur um die Demilitarisierung oder NATO-Freiheit des DDR-Territoriums, da zu dieser Zeit der Warschauer Pakt, dem auch Polen angehörte, noch bestand. Deutschland, erst recht das vereinte, bildete nach den historischen Erfahrungen neben den USA die größte Gefahr für die Sicherheit der SU-Russlands.
Die damalige SU konnte zurecht davon ausgehen, dass nicht nur das künftige Gesamtdeutschland, sondern erst recht der Bereich des Warschauer Pakts NATO-frei bleiben würde. Mich hatte daher gewundert, dass Russland – als Folge des schwachen Jelzin – die NATO-Aufnahme des Baltikums und Polen hingenommen hatte. Weißrußland und die Ukraine sind allerdings russische Kernstaaten, wo dann die rote Linie galt. Oberster Grundsatz des Rechts ist stets audiatur et altera pars. Lesen Sie bitte Art. 107 UN-Charta – geltendes Völkerrecht – und die Möglichkeiten der Siegermächte (zu denen auch China gehört !) gegenüber Deutschland, auch heute noch (= Feindstaatenklausel ! ).
Was würden die USA sagen, wenn Mexiko die Rückgabe der ihnen geraubten Gebiete Texas, New Mexico, Arizona fordern würde? Dies war die letzte Ursache des Kriegseintritts der USA 1917 (Zimmermann-Telegramm). Die Weltgeschichte ist eben nicht so einfach; und Mythen, Ressentiments, Ängste, Rachsucht etc. sind nun einmal menschliche Eigenschaften, mit denen man rechnen muß (denken Sie an Clemenceau, Delcasse und Poincare). Kohls Preis der Deutschen Einheit war die Preisgabe der Deutschen Mark gegenüber Frankreich.
Ich habe 1992 am Max Planck-Institut in Heidelberg die russischen Völkerrechtler erlebt und ich bekam schlimme Vorahnungen, wohin alles führen könnte, wenn man nicht aufpasst. Daher ist Ihre Bemerkung zum Marshall-Plan für Russland ab 1992 allzu richtig, und diese Chance wurde ohne Not verschleudert.
Zum deutschen Idealismus: die USA waren die Großmacht, die das Moralisieren seit Woodrow Wilson zu ihrer außenpolitischen Maxime gemacht haben, nachdem zuvor unter Theodore Roosevelt noch das außenpolitische hau-drauf-Prinzip gegolten hatte. An dieser Haltung mußten sich die USA in der Folge messen lassen, erst recht durch die umerzogenen Deutschen, deren Lehrmeister sie waren. Und Idealismus ist nun mal die Spielart der Weltphilosophie, die von deutschen Denkern ausging, mag man dies bedauern oder nicht.
Der „Lapsus“ von Genscher war die essentielle Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Wiedervereinigung zustande kam. Bis heute bin ich den USA zutiefst dankbar (Vernon Walters), dass sie – gegen Thatcher und Mitterand – vorbehaltlos für die Wiedervereinigung waren.
Letzter Hinweis: auch links und rechts gehört zum geistigen Spektrum: was wäre wir Intellektuelle ohne die Lektüre von Marx, Trotzki, Carl Schmitt, Gehlen, Ernst Jünger (ich bin Pazifist), Spengler oder Anarchisten wie Stirner?
Viele Grüße,Ihr Michael Kilian
Jetzt ist es doch mehr geworden als ich wollte, spricht für Ihren Text.
Meine Replik:
Lieber Herr Kilian,
ich verstehe nichts von Völkerrecht, weiß aber, dass dieses nicht vom Himmel fällt, sondern von den Völkern untereinander beschlossen wird. Wenn beispielsweise Russland und China nichts dagegen haben, dass souveräne Staaten untereinander Verteidigungsbündnisse schließen – sie selbst haben sich ja, wenn auch informell, zu einem Militärbündnis zusammengefunden, dann können sie auch nichts dagegen haben, dass andere souveräne Staaten sich ihrerseits zu einem Verteidigungsbündnis – NATO genannt – zusammenschließen. Wenn die NATO sich also darauf beschränkt, ausschließlich das zu sein und zu bleiben, was ihre Proponenten bis heute behaupten, nämlich ein reines Verteidigungsbündnis, dann sehe ich nicht, wie man sie mehr kritisieren könnte als das De-facto-Militärbündnis von China und Russland.
Prof. Rainer-Maria Bucher (Moraltheologe in Graz) schreibt Folgendes:
Sehr geehrter Herr Jenner,
besten Dank für die freundliche Rückmeldung auf meine „Gedanken für den Tag.“
Besten Dank auch für Ihre Überlegungen. Ich stimme vor allem Ihrer These zu, dass es im Übel noch gewaltige Unterschiede gibt und man diese Differenzen nicht aus der Perspektive eines idealistischen Ideals einebnen darf.
Mit herzlichen Grüßen
Rainer Bucher