In einer Zeit unverschuldeter Arbeitslosigkeit ist die Grundsicherung ein ethischer Imperativ. Nur die Hartgesottenen und Gleichgültigen in unserer Gesellschaft widersetzen sich weiterhin dieser Forderung. Aber ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nach den Vorstellungen von Götz Werner wirklich die Lösung?
Der Kapitalismus des römischen Kaiserreiches sollte uns da als warnendes Beispiel dienen. Eine immens reiche, nur aus wenigen ökonomisch wie politisch herrschenden Familien bestehende Schicht an der Spitze des Staates kaufte sich durch das Almosen der Grundsicherung (panes et circenses) de facto von allen weiteren Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen frei. Die Konzentration des Reichtums konnte aufgrund dieser bewussten Beschwichtigung stetige Fortschritte machen, und zwar bis zur Auflösung des Reichs im fünften Jahrhundert. Bezahlte Arbeit wäre genug vorhanden gewesen, aber die herrschenden Familien vergaben sie überwiegend an Sklaven, so machten sie sich selbst immer reicher, die Masse der freien Bürger dagegen zunehmend ärmer.
Wenn man bedenkt, dass nach Meinung Herrn Werners die Unternehmen nach Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens den Arbeitslohn um die entsprechende Summe vermindern, die Arbeitnehmer in seinen Betrieben bis zum Erreichen dieser Höhe also umsonst arbeiten sollen; wenn man zudem in Betracht zieht, dass er die progressive Einkommensbesteuerung, unter der er als einer der reichsten Männer Deutschlands natürlich zu leiden hat, durch eine entsprechend erhöhte Mehrwertsteuer ersetzen möchte, dann stellt sich doch der Verdacht ein, dass er mit seinem Vorschlag vorrangig den Zweck verfolgt, den Reichtum zu schützen. Unter der eigentlich höchst sinnvollen (und schon von John Stuart Mill befürworteten) Besteuerung des Konsums versteht er nämlich die Mehrwertsteuer. Die aber belastet, wie man weiß, Arm und Reich in gleicher Weise, d.h. sie macht die Armen unserer Gesellschaft noch ärmer und die Reichen noch reicher. Nicht die oberen fünf Prozent, die in der Bundesrepublik über 40% des Volksvermögens verfügen, sollen für das von ihm vorgeschlagene Grundeinkommen zahlen, sondern die Mehrwertsteuer zahlenden Massen (mit Ausnahme der Einkommenslosen). Auch bei uns wäre bezahlte Arbeit ausreichend vorhanden. Aber zum Vorteil der großen Konzerne und ihrer Anteilseigener wurde sie zunehmend ausgelagert und an ihrer fortschreitenden Automatisierung verdienen wiederum in erster Linie die großen Investoren. Die Parallele zu römischen Verhältnissen ist unübersehbar.
Herr Werner verbindet seine Propaganda für ein bedingungsloses Grundeinkommen mit dem öffentlichen Bekenntnis für die Anthroposophie. Ist den Anthroposophen klar, in welche Richtung sie dadurch von ihm getrieben werden? Würde man seine Vorstellungen realisieren, dann wäre das keine demokratische, sondern eine plutokratische Grundsicherung, also Opium für das Volk – ganz so wie im alten Rom, und noch dazu aus den gleichen Motiven. Denn so werden die Stimmen gegen die weitere Konzentration des Reichtums zum Schweigen gebracht.
Dass sich eine deutsche Partei, die dafür bekannt ist, die Interessen der Besserverdienenden zu bedienen, allmählich für das Wernersche Grundeinkommen zu erwärmen beginnt, sollte ein Warnzeichen sein, weil daran zu erkennen ist, dass deren Vertreter die Absicht und Folgen dieses Programms viel besser durchschauen als so mancher blauäugige Enthusiast aus dem linken Lager. Ja, die FDP hat sehr wohl begriffen, dass der Chef der dm-Kette einer der Ihren ist. Herr Götz Werner ist der oberste, umtriebigste, bekannteste und mittlerweile ein geradezu missionarisch auftretender Lobbyist für die oberen fünf Prozent, der sein eigentliches Anliegen aber mit großem Geschick hinter der Fürsorge für die Benachteiligten verbirgt.
Gegen diese scheinheilige Armenfürsorge gilt es aufzustehen.
Grundsicherung, ja, unbedingt! Aber kein Grundeinkommen, keine Grund-Absicherung der Privilegierten, für die die anderen zahlen sollen, nämlich der ohnehin schon schrumpfende Mittelstand, während die wirklich Reichen noch den Rest an Besteuerung abschütteln.
Konsumsteuer, ja, auf jeden Fall! Aber keine erhöhte Mehrwertsteuer, welche gerade die Reichsten am wenigsten belastet. Nicht einmal die bedarfsabhängige Grundsicherung wird Deutschland aufgrund seiner ausufernden Staatsverschuldung in Zukunft noch zahlen können. Dass es dazu kommen konnte, ist eine direkte Folge jener verfehlten Besteuerung, welche im Zuge der neoliberalen Politik gerade die oberen 5 Prozent fortschreitend entlastet hat. Herr Werner möchte diesen Trend noch zusätzlich verschärfen. Das darf nicht sein! Eine progressive Konsumsteuer auf den aktuellen wie den aufgeschobenen Konsum ermöglicht Steuergerechtigkeit, die auch den Ärmsten zugute kommt. Sie nimmt von jedem nach seinen Kräften und gibt jedem, wenn er wirklich bedürftig ist. Damit wird eine Grundsicherung möglich, die mehr ist als ein Alibi für Millionäre. Wenn Götz Werner es ehrlich meint, wird er die „Initiative Neuer Fiskalismus – der Weg aus dem Schuldenstaat“ unterstützen, denn sie verwirklicht genau jene Forderung, die er mit so großem Nachdruck vertritt: soziale Verantwortung und soziale Gerechtigkeit. Weitere Angaben hierzu unter Neuer Fiskalismus.