Nach mehreren Büchern zu essentiellen Fragen der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik sollte ein Autor Rückblick halten. Waren seine Analysen im Wesentlichen richtig oder hat er die künftige Entwicklung falsch eingeschätzt? Diese Frage erhebt sich zum Beispiel im Hinblick auf mein erstes Buch über die Auswirkungen der Globalisierung, dem ich damals den Titel Die arbeitslose Gesellschaft – Gefährdet Globalisierung den Wohlstand? gab. Das war eine das Publikum ansprechende Überschrift, aber dem Inhalt des Buches wurde sie nicht wirklich gerecht. Eigentlich hätte es heißen müssen: Auswirkungen der Globalisierung – Schrumpfende Mehrheitseinkommen führen zu Arbeitslosigkeit oder Verarmung. Natürlich wäre das für keinen Verlag ein akzeptabler Titel gewesen. Nachträglich ist aber hervorzuheben, dass das Buch diese und keine andere These vertritt und damit die künftige Entwicklung exakt vorausgesagt hat. Solange in Deutschland hohe Löhne tariflich durchgesetzt wurden, war hohe Arbeitslosigkeit die Folge. Überall wo politischer Druck (Thatcher, Reagan, Schröder) für fallende Löhne sorgte, ging die Arbeitslosigkeit – zunächst einmal und manchmal auch spektakulär – zurück, weil die Summe des insgesamt zur Verfügung stehenden Lohnvolumens dann auf eine größere Zahl von Köpfen verteilt werden kann. Der durch politische Maßnahmen der Regierung Schröder in Deutschland zumindest verstärkte Konjunkturaufschwung verdeckt mit seiner durchaus begrüßenswerten Verteilung der Lohnsumme auf eine breitere Bevölkerungsschicht allerdings das wenig unerfreuliche Faktum, dass sich an dem Trend einer stetigen Erosion der Lohneinkommen nichts ändert.
In einer vor kurzem erschienenen Arbeit Energiewende – So sichern wir Deutschlands Zukunft habe ich die Wirkung dieses Prozesses mit dem herausfordernden Begriff »Ausverkaufsphase« bezeichnet. Denn die Gesamtwirkung der Globalisierung besteht in den Staaten des Westens in einem steten Abfluss der industriellen Wertschöpfung in asiatische Billiglohnländer. Die konjunkturelle Belebung in Deutschland wird daher auch nicht von Dauer sein. Man bewegt sich bei uns lediglich zwischen den beiden Alternativen, eine seit Jahren fallende Gesamtlohnquote an mehr oder weniger Menschen zu verteilen oder nur die zu begünstigen, die schon in Lohn und Arbeit sind.
Dieser Prozess der Verarmung aufgrund schrumpfender Wertschöpfung, der die Machtverhältnisse unweigerlich in Richtung Ferner Osten verschiebt, wird solange kein Ende finden, wie dazu der politische Wille fehlt. Meine Voraussagen aus dem Jahr 1997 und vor allem ihre genaue ökonomische Begründung haben sich bisher als durchgehend zutreffend erwiesen. Ich glaube sagen zu dürfen, dass die vor zehn Jahren erschienene Untersuchung bis heute in größerer theoretischer Schärfe als andere analysiert, warum Globalisierung in ihrer gegenwärtigen Form zur politischen und ökonomischen Destabilisierung des Globus führt. Bei uns haben sich solche Einsichten noch nicht durchzusetzen vermocht, aber inzwischen dämmern sie sogar schon in jenem Land, wo Globalisierung noch bis vor kurzem als dogmatisch verfochtene Heilslehre galt. Auf einmal beginnen die Präsidentschaftskandidaten im US-Wahlkampf zu entdecken, dass die Vereinigten Staaten vor einem ökonomischen Scherbenhaufen stehen.
Meine damalige Analyse war freilich in einem Punkt noch unvollständig. Die wichtige Frage, warum Politik und Wirtschaft überhaupt Maßnahmen betreiben, die sich zumindest langfristig als nachteilig für das eigene Land erweisen, hatte ich nur am Rande gestreift. Darauf versuchte ich dann eine vorläufige Antwort in meinem 1999 erschienenen Buch Das Ende des Kapitalismus – Triumph oder Kollaps eines Wirtschaftssystems zu geben. Doch ausführlich gehe ich auf das Problem erst in meiner diesjährigen Untersuchung ein: Das Pyramidenspiel – Finanzkapital manipuliert die Wirtschaft. Hier wird im Einzelnen klar gestellt, dass der Prozess der Globalisierung keiner Notwendigkeit und schon gar nicht dem demokratischen Wollen der Bevölkerungsmehrheit in den westlichen Länder entsprach – diese wurden dazu ja gar nicht erst um ihre Meinung gefragt; er geht auch nicht auf die theoretischen Lehrmeinungen von Männern wie Friedrich August Hayek oder Milton Friedman zurück – diese wurden nur als bequeme Aushängeschilder für einen Prozess gebraucht, der nicht von einzelnen abhing, sondern von ganz spezifischen Interessen. Es war und ist der Druck einer Geldaristokratie von maximal zehn Prozent der Bevölkerung, die ihren Vorteil gegen die Mehrheit bis heute durchzusetzen versteht. Das Buch beschreibt und begründet den auf den ersten Blick unglaublichen Vorgang, dass eine verschwindende Minderheit Staat und Gesellschaft in Geiselhaft nehmen und ein Wirtschaftssystem zunehmend aushöhlen konnte. Mit den sichtbaren und unmittelbaren Erfolgen – den Exportgewinnen und billigen asiatischen Einfuhrprodukten – wurden die unsichtbaren aber viel größeren Misserfolge verdeckt: die flächendeckende Erosion der industriellen Basis und eine entsprechende Vernichtung von Arbeitsplätzen. Die Akteure sind aktenkundig; dennoch wäre es falsch, ihnen die ganze Verantwortung an diesem Niedergang zuzuschieben, denn ohne ein auf Gier aufbauendes System, das sie zu ihrem Vorgehen gegen die Interessen der Mehrheit geradezu auffordern musste, wären sie gar nicht erst zum Zuge gekommen. Weder bestimmte Menschen und Unternehmen noch das Geldsystem oder die Doktrin des Shareholdervalues wären für sich allein imstande gewesen, diese Entwicklung einzuleiten, hätten nicht vorher die öffentliche Kontrolle und deren Institutionen gegenüber dem Prinzip eines schrankenlosen privaten Egoismus versagt. Wie dieses Zusammenspiel von fehlgeleiteter Politik und ökonomischer Blindheit konkret funktionierte und welche Folgen davon schon in nächster Zeit zu erwarten sind, das wird in diesem Buch ausführlich beschrieben. Zugleich wird zum ersten Mal der Versuch unternommen, den Zinsfluss von den unteren 90 zu den oberen 10 Prozent zu quantifizieren (er beträgt in Deutschland jetzt schon so viel wie die größte Massensteuer: die Lohnsteuer).