110121:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182, E-Mail: gerojenner@aon.at
An: Herrn Dr. Stephan Schulmeister, Austrian Institute of Economic Research, Arsenal, Objekt 20, 1030 Wien, Österreich
- Januar, 2011
Sehr geehrter Herr Schulmeister,
ich habe Ihren heutigen Beitrag im Orf mit großem Interesse verfolgt, umso mehr als ich mir über die gleichen Probleme ebenfalls schon seit Jahren den Kopf zerbreche. Sie sagen an einem Punkt Ihres Beitrags, dass Sie nicht sonderlich viel von Reißbrettentwürfen hielten, wenn man auf keine Zustimmung und Mitarbeit rechnen kann. Andererseits haben Sie in der Sendung auch Kreiskys berühmten Spruch zitiert, wonach Visionen nötig seien, weil man sich sonst zum Soldknecht privater Interessen macht.
Ein Vorschlag, den ich in meinem jüngsten Buch Wohlstand und Armutzur Eindämmung der wachsenden Ungleichverteilung vorbringe, ist vorläufig nicht mehr als eine am Reißbrett entworfene Blaupause. Aber vielleicht könnte er doch auch etwas mehr sein als das, nämlich eine Vision, die schließlich in einigen Köpfen zündet.
Lassen Sie mich in wenigen Zeilen beschreiben worum es geht:
Ich bin nicht überzeugt, dass unser bisheriges Steuersystem noch eine Chance hat, den Trend einer wachsenden Ungleichverteilung zu hemmen oder gar umzukehren. Daher schlage ich einen ganz anderen Weg vor, nämlich eine konsequente und ausschließlicheBesteuerung des Verbrauchs, und zwar in doppelter Form Erstverbrauchssteuerbei industriell verwendeten Rohstoffen (etc. etc.), also noch bevor diese in die Betriebe gelangen, und als progressiveEndverbrauchssteuerbeim Konsumenten – unter Wegfall aller bisher erhobenen Steuern (also vor allem Einkommen- und Mehrwert-, einschließlich Vermögens- und Erbschaftssteuern). Ich bin mir bewusst, dass dieser Vorschlag auf den ersten Sinn nur Kopfschütteln hervorrufen kann. Wie soll dieses Verfahren der bestehenden Konzentration der Vermögen entgegenwirken?
Doch Leute, deren geistige Kapazität Sie keineswegs anzweifeln werden, sind schon vor mehr als hundert Jahren zu ähnlichen Überlegungen gelangt. Die Idee, dass eine Besteuerung der Leistung (der Einkommen, des Umsatzes etc.) zwangsläufig Ungerechtigkeiten zur Folge hat, während die des Verbrauchs nicht nur sozial (und aus heutiger Sicht auch ökologisch) die einzig gerechte Form der Steuererhebung darstellt, ist keinesfalls neu. Schon John Stuart Mill hat sie ernsthaft ins Auge gefasst. Nur gab es bis in unsere Zeit ein unüberwindbares Hindernis: die praktische Undurchführbarkeit einer reinen Besteuerung des Verbrauchs. Hier aber ist inzwischen eine entscheidende Änderung eingetreten, und zwar aufgrund der Möglichkeit elektronischer Zahlung. Unter den heute gegebenen technischen Voraussetzungen ergibt eine Besteuerung des Verbrauchs, wie ich sie in meinem jüngsten Buch Wohlstand und Armutvorschlage, das einfachste und noch dazu das am leichtesten zu realisierende Steuersystem überhaupt. Es ist darüber hinaus vollständig und weniger leicht zu umgehen als die Besteuerung in ihrer heutigen Form. Auch dieser Punkt ist natürlich sehr wichtig, denn Evasion bleibt immer ein Hauptproblem.
Es wird sich Ihnen vermutlich ein naheliegender Einwand aufdrängen. Wenn schon eine sozial gerechtere Besteuerung nach heutigem Muster so schwierig ist, weil die Profiteure des Systems nichts davon wissen wollen und sich erfolgreich dagegen zu wehren wissen (in der Sendung wurde dieser Punkt ja mehrfach angesprochen), wie viel mehr Widerstand wird dann der Übergang zu einer Verbrauchssteuer bewirken, wenn es wahr ist, dass diese sozial weit gerechter ist und daher die Profiteure weit stärker belastet? Entweder ist eine reine Verbrauchsbesteuerung wirksamer gegen Ungleichverteilung, dann wird der Widerstand noch größer sein als bisher, oder sie ist es nicht, dann können wir sie gleich wieder vergessen.
Ich sehe einen wichtigen, wenn nicht den entscheidenden Vorzug einer solchen drastisch veränderten Steuererhebung darin, dass dieser Einwand gerade nicht zutrifft, weil eine reine Verbrauchssteuer die Ungleichverteilung erst nach zeitlicher Verzögerungaufhebt, also sozusagen unmerklich. Für eine gewisse Zeit lässt sie Privilegien völlig unangetastet – und braucht daher zunächst nur mit geringen Widerständen zu rechnen. Doch eben nur für eine gewisse Zeit. Recht ausführlich begründe ich, warum sie Privilegien langfristig mit größter Treffsicherheit beschneidet und zu einer viel gerechteren Verteilung führt.
Sehr geehrter Herr Schulmeister, wenn Sie diese Gedanken interessieren, dann würde ich es als eine Ehre empfinden, Ihnen ein Autorenexemplar meiner Arbeit an Ihre Adresse im WIFO zusenden zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
(Gero Jenner)
110124:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: gerojenner@aon.at
An: Herrn Dr. Stephan Schulmeister, Arsenal, Objekt 20, 1030 Wien, Oesterreich
- Januar, 2011
Lieber Herr Schulmeister,
lassen Sie mich der 1. Auflage des Buches eine kleine Entschuldigung voranstellen:
Eine Entschuldigung:Ich bin leider in der unangenehmen und noch dazu selbstverschuldeten Lage, mich beim Leser für gewisse formale Eigentümlichkeiten der ersten Auflage von W&A entschuldigen zu müssen. Sachlich ist dies in jeder Hinsicht mein wichtigstes Buch, formal aber weist es Fehler auf, die nicht nur unter ,Versehen‘ rubriziert werden können. Bei der Zeichensetzung habe ich mir gewisse Freiheiten erlaubt, die den Leser irritieren müssen, zumal er damit ohne weitere Erklärungen konfrontiert wird. So habe ich mich bei der Beistrichsetzung an dem sehr viel rationaleren Vorgehen in der englischen Sprache orientiert. Kommata habe ich also nur dort gesetzt, wo sie eine Satzpause bezeichnen, die andernfalls nicht erkennbar wäre. In diesem Sinne sind Kommata vor Wörtern wie ‚aber’, ‚sondern’ natürlich überflüssig, weil das betreffende Wort ja selbst schon eine Satzpause suggeriert. Allerdings hätte ich dann auch vor ‚weil’ und ‚dass’ auf den Beistrich verzichten müssen. Diese Konsequenz habe ich nicht aufgebracht. Die meisten Leser werden meine Eigenwilligkeit daher als Fehler deuten. Eigensinn an der richtigen Stelle ist zwar eine wichtige Qualität geistiger Unabhängigkeit, aber in diesem Fall war sie entbehrlich. In Zukunft werde ich mich wieder der pedantischen und durch und durch redundanten Konvention deutscher Zeichensetzung unterwerfen.
Mit herzlichen Grüßen
(Gero Jenner)
P.S.: Einige sachliche Verbesserungen, die in der zweiten Auflage berücksichtigt werden, habe ich im Buch mit einem Kreuz angemerkt. Der Text dazu ist unter der entsprechenden Seite dann nachstehend angegeben.
71
… eingesetzt werden. Dabei sollten wir uns allerdings vor Augen halten, dass der in der Definition verwendete Ausdruck ‚ermöglichen’ eine entwickelte Tauschwirtschaft meint. Denn auch in einer reinen Naturalwirtschaft finden Tauschvorgänge, nur eben in einem quantitativ unvergleichlich geringeren Ausmaß statt. Geld ist ein Zaubermittel,
167
…für das Geld, in dem sie ausgedrückt werden.1Konkret wird das durch die Sparquote demonstriert, die in Deutschland etwa bei zehn Prozent liegt. Nur jeder zehnte Euro wird also durchschnittlich wieder als Kredit eingespeist. Von einer unendlichen Einlagensumme kann keine Rede sein.
An dieser…
246
bei der Mehrheit hinauszulaufen.
Allerdings werden die vorausgehenden Überlegungen irrelevant, sobald der Schuldenstand hundert und mehr Prozent des Bruttosozialprodukts erreicht. In diesem Fall treten Wachstumsrate und Zinsbelastung in direkte Konkurrenz zueinander, weil die Zinsen genauso viel an Substanz aufzehren wie das Wachstum hervorbringt. Wenn daher die drei Bedingungen erfüllt sind, erstens, dass der Gesamtschuldenstand über dem Wert des Bruttosozialprodukts liegt, zweitens, dass die Zinsrate die des Wachstums überschreitet, und, drittens, dass der Hauptteil der Zinsflüsse sich in Richtung der oberen zehn Prozent bewegt, dann kommt es zu einem Substanzverzehr, bei dem die (in- und ausländischen) Gläubiger sehr wohl auf Kostender Mehrheit profitieren.
Mit 80% des BSP erfüllt die Quote der Staatsverschuldung die Bedingung eins zwar vorläufig noch nicht, die Gesamtschuldenquote aus Staats- plus Unternehmensschulden – und auf sie kommt es an – hat diesen Wert in Deutschland jedoch schon seit den 60er Jahre erreicht. Bereits ein Jahrzehnt später blieb dann auch die durchschnittliche Wachstumsrate hinter der durchschnittlichen Zinsquote zurück (die entsprechenden Zahlen bei Altvater, Unsicherheit. S. 176). Dass der Hauptstrom der Zinsen von der Mehrheit nach oben fließt, wurde schon an anderer Stelle erläutert (siehe Index: Zinstransfer von unten nach oben). Etwa seit Beginn der achtziger Jahre setzt somit ein Substanzverzehr auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit ein.
Dennoch bleibt ein grundsätzlicher Einwand dagegen bestehen, den Wendepunkt »x« an einer über das Wachstum hinausschießenden Zinsrate festzumachen. Denn dieses Kriterium lässt sich auf eine reine Börsenwirtschaft, in der es prinzipiell weder Zinsen noch Verschuldung zu geben braucht, gerade nicht anwenden.Anders gesagt, könnte der Wendepunkt »x« in einer überwiegenden Börsenwirtschaft schon längst erreicht sein, obwohl ein geringer Schuldenstand vorliegt und die Zinsrate weit unter der des Wachstums liegt.
Wenn wir nach einer exakt…
286
… Opfer gleichmäßig verteilt. Kommen…
287
Das Systemversagen einer …
…zu verschleiern. Wenn…
295
Alle drei Typen…
312 …vor allem die Falschen,
334
2008 …etwa dem Volumen…
336
…Signal ausgeht, versteht sich von selbst…
342
…geriet, beruht in erster Linie gar…
360
- Erstverbrauchs- oderBasiskonsumbesteuerung der Unternehmen(im Folgenden auch „Basissteuer“ genannt). XE „Steuern:II) auf Verbrauch:Erstverbrauchs- (oder Basis-)steuer“ \f „A“
361
Die ökologische Erstverbrauchssteuer auf Investitionsgüter kann…
363
…Gegenteil schädlich sind. Andererseits vermag auch die Erstverbrauchssteuer (Basissteuer) allein eine übermäßige ökologische Umweltbelastung nicht…
368
Im alten System hat der Staat exakte Daten über die Einkommens- und Vermögenssituation der Bevölkerung gesammelt. Eine stärkere Einschränkung des Datenschutzes XE „Datenschutz“ \f „A“ als diese bisher völlig unbeanstandete Praxis der Einkommensschnüffelei ist eigentlich kaum denkbar. Allerdings hat er sich die entsprechenden Daten nur bei den unteren 90 Prozent, d.h. allen abhängig Beschäftigten, zu beschaffen vermocht, doch gerade bei den reichsten zehn Prozent an der Spitze, bei denen sich Einkommen und Vermögen…
369
„Das heutige Steuersystem ist hochgradig komplex und unübersichtlich. „Neben den bekanntesten und ertragsmäßig größten Steuerarten, Lohn- und Mehrwertsteuer, gibt es heute noch ca. 35 andere Steuern, von der Mineralöl- über die Gewerbesteuer bis hin zur Schankerlaubnis-, Kino-, Getränkesteuer und diverser anderer Bagatellabgaben.
Zusätzlich belastet wird dieser Steuerwirrwarr noch durch hunderte von Gesetzen, Ausführungs-, Ausnahme- und Sonderbestimmungen, die sich oftmals überschneiden oder gegenseitig aufheben. Der daraus resultierende Dschungel von Gesetzen und Paragraphen ist kaum noch zu übersehen oder sachlich und logisch zu begreifen und zu begründen. Er fordert darum geradezu zum Missbrauch heraus.
Außerdem bestehen die auf das Einkommen bezogenen Steuern inzwischen fast nur noch aus der Lohnsteuer, während die „gestaltbaren“ veranlagten Einkommensteuern, ebenso wie die Körperschaftsteuer, immer weniger zu Buche schlagen.“2
2Zit. aus Helmut Creutz: Wir brauchen ein anderes Steuersystem, Zeitschrift für Humanwirtschaft, Oktober 2008. Seine weiteren Ausführungen finden hier keine Berücksichtigung.
(Von Herrn Schulmeister habe ich Antworten erhalten, die leider verloren gingen)
110205:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: gerojenner@aon.at
An: Prof. Dr. Ferry Stocker, Wirtschaftswissenschaften, FH Wiener Neustadt, Johannes Gutenberg-Strasse 3, 2700 Wiener Neustadt, Oesterreich
- Februar, 2011
Sehr geehrter Herr Stocker,
ich haben den Zahltagmit so großer Faszination durchgelesen, dass ich mich zwei Tage lang nicht davon losreißen konnte. Heute habe ich die vorgestern begonnene Lektüre abgeschlossen. Ihre Darstellung erscheint mir ebenso gründlich wie überzeugend. Ich bedaure nachträglich, dass ich auf das Buch erst jetzt aufmerksam wurde. Meine eigene Arbeit hätte zumindest in einem ihrer Kapitel an Präzision gewonnen, wenn ich Anregungen von Ihrer Seite berücksichtigt hätte.
Sie haben im Wesentlichen die Mechanik der Krisis seit 2007 offengelegt. Dabei aber auch an einer Stelle Churchill mit den Worten zitiert, dass man umso besser in die Zukunft blicke, je weiter das Auge in die Vergangenheit schaut. Insofern stellt meine Arbeit (Wohlstand und Armut) eine Ergänzung zu Ihren Ausführungen dar. Sie baut auf dem Blick in die Vergangenheit auf. Die gegenwärtige Krisis will sie daher in eine generelle Theorie der Eigentumsgesellschaft einbetten, die ich – ebenso wie Sie und die nicht-marxistischen Ökonomen – für das beste bisher erfundene sozioökonomische Instrument zur materiellen Wohlstandsvermehrung halte.
Die Eigentumsgesellschaft – in meinen Augen ein weit besserer Begriff als der schwammige des Kapitalismus – krankt allerdings seit ihrer Geburt an einer Achillesferse. Sie ist ein überaus anfälliges soziales Gebilde. Ich sehe die gegenwärtige Krise daher auch nur als einen Sonderfall innerhalb einer langen Kette von Krisen, die im Wesentlichen aus einer übermäßigen Konzentration von Guthaben und Eigentum in wenigen Händen entstehen – dem logischen Gegenstück zur Überschuldung von Staat und Bevölkerungsmehrheit. Dies sowohl historisch zu belegen wie die dabei wirksame sozioökonomische Logik zu erhellen, ist das Anliegen meiner Arbeit.
Anders als Marx sehen heutige Ökonomen in den krisenhaften Konvulsionen der Eigentumsgesellschaft kein (Quasi-)Naturgesetz. Dass dies nicht zutreffen kann, beweist schon die vergleichsweise erfolgreiche Eindämmung zu großer Disparitäten in skandinavischen Ländern. Dennoch bleibt die Tendenz zu wachsender Ungleichheit ein Geburtsmerkmal der Eigentumsgesellschaft, sofern der Staat dagegen nicht mit äußerster Entschlossenheit vorgeht. Das zeigt sich zum x-ten Mal und mit drastischer Deutlichkeit im heutigen China. Man kann den Leuten mit Deng-Xiaoping nicht die Lizenz zur persönlichen Bereicherung geben, ohne dass die Stärkeren, Talentierteren, Raffinierteren oder einfach Brutaleren am Ende als Sieger dastehen. Wenn das eine zeitlang gut geht, dann allein deshalb, weil und solange auch die Schwächsten immer noch profitieren.
Sie stellen eine Reihe von Vorschlägen zur Debatte, wie man aus der gegenwärtigen Krise wieder herausfinden kann. Ich habe weniger die gegenwärtige Krise als vielmehr die Krisenanfälligkeit überhaupt im Blick. Für mich lautet die grundlegende Frage, wie man die gewaltigen positiven Kräfte der Eigentumsgesellschaft zu stärken und zu erhalten vermag, aber ohne dass ihre selbstzerstörerischen Tendenzen dabei die Überhand gewinnen. Mein Beitrag zur Lösung dieser Antinomie besteht in einer grundlegend veränderten Konzeption staatlicher Eingriffe: nämlich in einer vollständigen Ersetzung der Besteuerung von Leistung durch die Besteuerung des Verbrauchs (bei gleichzeitiger Aufhebung der regressiv wirkenden Mehrwertsteuer, die ja eine Mischsteuer ist). Der Staat soll die Bürger nicht im Hinblick auf das besteuern, was sie der Allgemeinheit geben (ihre Leistung), sondern nur im Hinblick auf das, was sie der Allgemeinheit durch ihren Verbrauch nehmen – und das in progressiver Weise. Diese Idee hat schon großen Theoretikern der politischen Ökonomie wie John Stuart Mill eingeleuchtet. Sie ist also keineswegs neu. Nur galt sie bisher als ebenso unbestreitbar sozial gerecht wie praktisch undurchführbar. Ihre Einführung wurde daher nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich glaube jedoch zeigen zu können, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine reine Besteuerung des Verbrauchs aufgrund der heute zur Verfügung stehenden technischen Mittel nicht nur mühelos und mit geringen Kosten realisiert werden kann, sondern dass auf diese Weise auch noch das einfachste, ökologisch wirksamste und sozial gerechteste System der Besteuerung entsteht. Ein System – und damit knüpfe ich an den Ausgangspunkt an, der Sie ebenso wie mich interessiert – die zerstörerischen Tendenzen der Eigentumsgesellschaft möglicherweise wirksamer als jedes bisherige Mittel eindämmen könnte.
Eine Wunderkur also, ein Patentrezept, ein Allheilmittel sozusagen? Gewiss nicht. Aber möglicherweise ein brauchbarer und in der Tiefe ansetzender Vorschlag.
Ich werde mir erlauben, Ihnen ein Autorenexemplar von Wohlstand und Armutan Ihre Universitätsadresse zu schicken. Wie gesagt, im Lichte Ihrer Arbeit hätte einiges präzisiert und verbessert werden können. Aber ich glaube, dass Ihnen gleichwohl manches gefallen könnte.
Mit freundlichen Grüßen
(Gero Jenner)
110326:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182, Fax /2182-5
An: Herrn Prof. Dr. Oskar Negt, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität, Institut für Soziologie, Im Moore 21 (Vorderhaus), D-30167 Hannover, Deutschland
- März, 2011
Sehr geehrter Herr Professor Negt,
obwohl der österreichische Sender Ö1 für seine Qualität bekannt ist, geschieht es doch selten, dass ein Vortrag so überzeugend ist, dass der Hörer den Eindruck gewinnt, über die Wahrheit der gegenwärtigen sozialen Situation ohne alle Beschönigung informiert zu werden. Bei jedem Schritt Ihrer Analyse, die Sie im Gespräch mit Michael Kerbler auf so eindringliche Art vollzogen haben, habe ich Sie zustimmend begleitet, nur bei Ihren Ausführungen über die Grundsicherung kamen mir Bedenken, obwohl ich in dieser Hinsicht wohl eher eine Ausnahme bilde. Sie kamen mir nicht deshalb, weil ich nicht genauso wie Sie von der ethischen Verpflichtung überzeugt wäre, alles einem reichen Staat nur Mögliche gegen eine entwürdigende Arbeitslosigkeit zu tun. Ich glaube nur, dass eine bedingungslose Grundsicherung wie sie etwa Herrn Werner Götz vorschwebt, dieses Ziel nicht erreicht, sondern im Gegenteil die Situation durchaus verschlimmern würde.
Sollte der Kapitalismus des römischen Kaiserreiches da nicht als warnendes Beispiel dienen? Eine immens reiche, nur aus wenigen ökonomisch wie politisch herrschenden Familien bestehende Schicht an der Spitze des Staates kaufte sich durch das Almosen der Grundsicherung (panes et circenses) de facto von allen weiteren Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen los. Die Konzentration des Reichtums – der eigentliche Grund für die immer erneut erfolgende Selbstzerstörung der sonst so erfolgreichen Eigentumsgesellschaft – konnte aufgrund dieser bewussten Beschwichtigung stetige Fortschritte machen, und zwar bis zur Auflösung des Reichs im fünften Jahrhundert. Wenn man bedenkt, dass nach Meinung von Herrn Götz die Unternehmen nach Einführung der Grundsicherung den Arbeitslohn um die Summe der staatlichen Sicherung herabsetzen sollen, die Arbeitnehmer in seinen Betrieben bis zu Erreichen dieser Höhe also umsonst arbeiten sollen; wenn man zudem in Betracht zieht, dass er die progressive Einkommensbesteuerung, unter der er als einer der reichsten Männer Deutschlands natürlich besonders zu leiden hat, durch eine entsprechend erhöhte Mehrwertsteuer ersetzen möchte, dann stellt sich bei mir der Verdacht ein, dass diese Art Grundsicherung nur den Zweck verfolgt, den Reichtum zu schützen. Denn wenn man die eigentlich höchst sinnvolle (schon von John Stuart Mill befürwortete) Besteuerung des Konsums als Mehrwertsteuer versteht, dann werden alle, gleichgültig ob arm oder reich, gleichmäßig belastet. Die Armen werden noch ärmer, die Reichen werden noch reicher.
Wir brauchen eine Grundsicherung, diese Botschaft haben Sie überzeugend vertreten. Aber es besteht die Gefahr, dass sie die soziale Kluft ausweitet statt verringert, wenn sie auf unbedachte Weise geplant wird. In meinem kürzlich bei Metropolis erschienenen (und dem Verlag von dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Gerhard Scherhorn empfohlenen) Buch „Wohlstand und Armut“ habe ich dazu eigene Vorstellungen entwickelt. Ich nehme an, dass Sie – ich selbst bin auch nicht mehr der Jüngste – mit Ihrer Lebenszeit sparsam umgehen und sich nicht auf die Lektüre eines Ihnen bis dato unbekannten Autors einlassen möchten. Sie sind aber in äußerst knapper Form auf zehn Seiten meiner Homepage zusammengefasst, die ich diesem Brief in ausgedruckter Form beilege. In dieser Gedrängtheit machen sie einen etwas technischen Eindruck – anders als ich sonst schreibe. In der Sache aber könnte jenem ersten Drittel der Überflüssigen das Leben erleichtert und dem zweiten Drittel des Prekariats geholfen werden, weil der Wildwuchs der Bereicherung eben zugleich auch für das obere Drittel beschnitten wird – nicht brutal wie so oft in der Geschichte, sondern auf behutsame und nachhaltige Weise.
Mit hochachtungsvollen Grüßen
Gero Jenner
111230:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: info@gerojenner.com
An: Herrn Dr. Manuel Schneider, Projektbuero !make sense!, Waltherstrasse 29, D – 80337 Muenchen, Deutschland
- Dezember, 2011
Sehr geehrter Herr Dr. Schneider,
Ihre Ausschreibung zum Thema „Wirtschaft ohne Wachstum“ ist bei mir auf spontanes Interesse gestoßen, zumal ich mich in meinen bisherigen Veröffentlichungen mehr oder weniger direkt schon damit beschäftigt hatte (Energiewende, Propyläen; Das PyramidenspielMüller-Langen; Wohlstand und Armut, Metropolis, Frühjahr 2012 Von der Krise ins Chaos, Signum). Mit scheint das Thema zwei recht unterschiedliche Perspektiven zu eröffnen. Zum einen lassen sich die technischen Voraussetzungen einer Wende zu erneuerbaren und wieder verwertbaren Quellen untersuchen, bzw. die Folgen aufdecken, mit denen uns eine weitere Überanspruchung natürlicher Ressourcen und die damit verbundene Umweltbelastung durch Schadstoffe bedroht. Das ist seit beinahe einem halben Jahrhundert auf so vielfache Weise geschehen, dass die eigentlich beunruhigende Frage längst lauten müsste: Warum ist uns der Übergang trotz all unseres ökologischen Wissens und Könnens immer noch nicht gelungen?
Mein Beitrag versucht, diese Frage ins Licht zu rücken und auf sie eine Antwort zu geben, also einen Standpunkt einzunehmen, der in der Diskussion bisher fehlte. Meine These: Die ökologische Wende wird nicht primär aufgrund mangelnden technischen Wissens und Könnens verhindert, sondern aufgrund von hemmenden sozial-ökonomischen Voraussetzungen. Meine Sicht auf die ökologische Wende – die mit jedem Tag dringlicher erscheint – weicht radikal von der bisher üblichen ab. Vielleicht wird sie Ihnen deswegen als abwegig erscheinen.
Mit freundlichen Grüßen
(Gero Jenner)
Nachstehend mein Beitrag:
Wirtschaft ohne Wachstum – warum das gegenwärtige Wirtschaftssystem eine Entwicklung zur Nachhaltigkeit ausschließt
(von Gero Jenner, 16. 12. 2011, aktualisiertes Original unter:
http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Wirtschaft_ohne_Wachstum.html)
130528:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Graz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: gerojenner@aon.at
An: Herrn Dr. Safranski, Schlossplatz 4, D – 79410 Badenweiler, Deutschland
- Mai, 2013
Sehr geehrter Herr Safranski,
in Ihrem Buch über Deutschlands Romantikaffäre spielt der Begriff des „Traums“ eine besondere Rolle: ein Schlüsselwort im Vokabular jener Zeit. Im Grunde ist damit, wie Sie selbst ausführen, das philosophische Problem der Freiheit gemeint, das seit dem 17. Jahrhundert mit erneuter Dringlichkeit die führenden Köpfe Europas bedrängt und verängstigt. Mit einem Novalis-Zitat bringen Sie diese Angst auf den Punkt. Die neue Denkungsart, habe sich „sehr natürlich und folgerecht auf alle Gegenstände des Enthusiasmus“ erstreckt und „die unendliche schöpferische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern einer ungeheuren Mühle“ entwertet. Hier wird der Schrecken sichtbar, den die später so genannte „mechanistische Weltsicht“ gerade hellsichtigen Geistern einflößte.
In „Schiller als Philosoph“ bringen Sie eine vor diesem Hintergrund erstaunliche Stellungnahme. Der Dichter hat, wie mir scheint, das Problem weit schärfer gesehen und – zumindest implizit – auch weit besser gelöst als die Philosophen seiner und der nachfolgenden Zeit einschließlich Kant. „Der Mensch… hat… das Vorrecht, in den Ring der Notwendigkeit… durch seinen Willen zu greifen und eine ganz frische Reihe von Erscheinungen in sich selbst anzufangen.“ Der Akt, durch den er dieses wirkt, heißt… eine Handlung, und diejenigen seiner Verrichtungen, die aus einer solchen Handlung herfließen, … seine Taten.“ Schillers Lösung war allerdings von so überraschender Einfachheit, das man sie als harmlos abtun und übergehen konnte.
Ich verstehe Ihr schönes Romantikbuch als einen Protest gegen die oberflächliche Bewertung dieser Bewegung (einschließlich des deutschen Idealismus) als reaktionär oder gar Wegbereiter künftiger Verbrechen. Wie keine andere Epoche hat sie sich gegen die Vorstellung der Welt als einer „selbst mahlenden Mühle“ gewehrt – mit den besten Absichten, wenn auch nicht immer mit den besten Argumenten. Diese Konfrontation wurde erst wieder vor knapp einem Jahrhundert erneuert. Die Quantenphysiker glaubten an eine empirische Lösung für das Freiheitsproblem. Das Napoleon gegenüber geäußerte Diktum von Laplace (später von Bertrand Russell wieder aufgegriffen) schien seine Geltung einzubüßen. Denn Einstein zum Trotz würfelte Gott eben doch. Trotzdem hat die Quantenphysik das Problem nicht entschieden. Neuerdings sprechen Neurologen in der Gefolgschaft von Benjamin Libet ihr bislang unwidersprochenes Machtwort. Die Freiheit von Mensch und Natur scheint endgültig tot zu sein.
Demgegenüber meine ich, dass die empirischen Wissenschaften (Quantenphysik ebenso wie Neurologie) grundsätzlich außerstande sind, das Problem zu entscheiden (Popper und Jaspers hatten das bereits angedeutet). Empirisch lässt sich eben immer nur das Vorhandensein von Gesetzen beweisen, nie aber deren grundsätzliche Abwesenheit. Hingegen ist die Philosophie sehr wohl zu einem solchen Beweis in der Lage, dann nämlich, wenn sie die Voraussetzungen der Empirie in den Blick bekommt. Sie gelangt dann genau dahin, wo Friedrich Schiller schon war, nur auf einem weit besseren und breiteren Fundament.
Ihre Bücher haben mir dazu viele Anregungen vermittelt. Ich denke, dass Sie die eine oder andere Beobachtung, vielleicht sogar die Schlussfolgerungen in meinem soeben abgeschlossenen, vorerst noch unveröffentlichten Buch „Homo Somnians – die Macht der Träume und die Ohnmacht der Vernunft“ ebenfalls interessieren könnten. Das würde mich jedenfalls sehr freuen. Manches werden Sie vermutlich kritisieren, so meine reichlich kursorischen Bemerkungen zu Heidegger. Ihr diesbezügliches Buch habe ich noch nicht gelesen.
Die ersten vier Kapiteln bieten einen ideengeschichtlichen Abriss, das letzte Kapitel wagt eine philosophische Grundlegung.
Mit den besten Grüßen nach Badenweiler
Gero Jenner
140503:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Weiz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: info@gerojenner.com
To: Dr. Antonio Damasio,Brain and Creativity Institute (BCI), 3620A McClintock Avenue, Los Angeles, CA 90089-2921, USA
- Mai 2014
Dear Sir,
years ago when writing a book on language I hit upon some remarks by you and your wife in Scientific American (1992):
“In the beginning …there were no words. Language seems to have appeared in evolution only after humans and species before them had become adept at generating and categorising actions and at creating and categorising mental representations of objects, events and relations. Similarly, infants‘ brains are busy representing and evoking concepts and generating myriad actions long before they utter their first well-selected word and even longer before they form sentences and truly use language..
We believe the brain processes language by means of three interacting sets of structures. First, a large collection of neural systems in both the right and left cerebral hemispheres represents nonlanguage interactions between the body and its environment, as mediated by varied sensory and motor systems…
Second, a smaller number of neural systems, generally located in the left cerebral hemisphere, represent phonemes, phoneme combinations and syntactic rules for combining words. When stimulated from within the brain, these systems assemble word-form and generate sentences to be spoken or written. When stimulated externally by speech or text, they perform the initial processing of auditory or visual language signals.
A third set of structures, also located largely in the left hemisphere, mediates between the first two. It can take a concept and stimulate the production of word-forms, or it can receive words and cause the brain to evoke the corresponding concepts.”
My book written twenty years ago and bearing the rather ambitious title ‚Principles of Language’ is now out of print – and deservedly so, because too repetitive and not too well written. However, it exactly mirrors and realizes the program as outlined in your above-mentioned remarks. I have gone through it during the last month finding the basic ideas as true and convincing, as they seemed to me in the early nineties. So I rewrote the preface and the first part. In case you still hold the matter to be intellectually rewarding and stimulating let me explain in a few words the main ideas (should these arouse your interest I would be happy to send a pdf-file oft the first revised part).
Kind regards
(Gero Jenner)
140517:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Weiz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: info@gerojenner.com
An: Herrn Prof. Dr. Dr.Gerhard Vollmer, Professor Döllgast-Straße 14, D-86633 Neuburg/ Donau, Deutschland
- Mai 2014
Sehr geehrter Herr Vollmer,
dass ein Ihnen Unbekannter gleich mit der Tür, sprich mit einem Buch, in Ihr Haus fällt, mag Ihren Unmut erregen. Andererseits bin auch ich erst kürzlich mit Ihnen, genauer gesagt, mit einer Ihrer Schriften (‚Evolutionäre Erkenntnistheorie’, Hirzel 1990) bekannt geworden – und das auch auf eine eher zufällige Weise. Ihr Gedanke, dass unsere Begriffe letztlich nur für eine ‚Mittlere Welt’ gemacht und daher der ‚Erkennbarkeit der Welt’, möglicherweise unüberschreitbare Grenzen gesetzt sind, leuchtet unmittelbar ein: Er bestärkt mich in eigenen Vorstellungen, nämlich genau in jenen, die ich in dem Buch vorgelegt habe, das diesem Brief beigelegt ist und vielleicht Ihr Interesse findet.
Ihr erster Eindruck wird vermutlich nicht günstig ausfallen – ein Titel, der die Ohnmacht der Vernunft beschwört, muss in einer Zeit der grassierenden Esoterik und Unvernunft zu berechtigtem Argwohn führen. Das ist mir bewusst. Es geht in diesem Buch um das Problem der Freiheit, und letztlich nur um dieses – aber das hätte einen Titel ergeben, der die Rezeption des Buches von vornherein auf einen verschwindend kleinen Kreis eingeschränkt haben würde. Daher ist von Freiheit nur im Untertitel die Rede und ich unternehme zunächst einmal Ausflüge in die Geschichte.
Ein zweiter Grund für Argwohn könnte in dem eher populärwissenschaftlichen Stil und Aufbau der Arbeit liegen. Ich glaube aber, dass dieser Eindruck trügt. In den vier Beweisen für die Freiheit von Mensch und Natur – so grundsätzlich geführt wie bei Hume (von diesem im Hinblick auf das Problem der Kausalität) – gehe ich keine Kompromisse ein. Ich glaube, diese Beweise könnten Sie interessieren.
Mit freundlichen Grüßen nach Neuburg
(Antwort ging leider verloren)
150116:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Weiz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: info@gerojenner.com
An: Dr. Vlatko Vedral, Clarendon Laboratory, Parks Road,Oxford OX1 3PU, United Kingdom
- Januar 2015
Dear Sir,
studyingyour book „Decoding Reality“ I was agreeably amazed to learn that age-old problems are still relevant as intriguing mind-disturbers of present-day research. For instance the problem of determinism versus randomness or – as it used to be put in a narrower perspective in former times – the problem of „free will“. While I am quite convinced that quantum mechanics may provide and has indeed contributed a totally new outlook on an old conundrum, I am far from sure that the problem may not be solved on a more elementary level.
I was led to this conviction by Karl Popper whose theory on the „Logic of Scientific Discovery“ you quote with wholehearted approval. The believe in universal causality was criticized by Popper as a metaphysical assumption because it cannot possibly be falsified. According to him Causality (with a capital C) is a useful and indeed necessary hypothesis for any research since no scientist would look for causes unless he hopes to find them. This provides a psychological explanation for the otherwise hardly admissible fact that a mere hypothesis was time and again elevated into a metaphysical principle.
Thus emboldened by Popper’s assertion, I chose to put the question exactly the other way asking why it is that makes us intuitively believe in Nature’s and our own creative potentiality, that is in the genesis of what we may call the radically new? My answer may seem absurd at first glance, but please don’t reject it without careful examination. It amounts to the following statement. „While classical Newtonian science presupposes the predictability of events, it does at the same time – though in a concealed and subreptitious way – presuppose its exact opposite, namely that whole classes of events may not be derived from any existing laws.”
If it is true – as I assert in my work “The power of Dreams and the Limits of Reason” – that the second proposition turns out to be logically no less binding than the first one, we may say that classical science had not to wait for quantum mechanics at all in order to admit the coexistence of determinism and randomness. Science – regardless whether conforming to the Newtonian or the quantum model – would end up in a logically blind alley without this admission.
Of course, such a statement blatantly contradicts what most people (as well as scientists for that matter) believe and hold to be self-evident. I am confident, however, that they are mistaken. Let me bring one of the four relevant proofs to your attention apologizing though for its utter simplicity. As a man of physics inured to analyzing reality in its most arcane and complicated aspects, the almost childish simplicity of my demonstration may take you aback. But let me appeal to Ockham’s razor as you yourself do in your work. It definitely favours the simple and logically consistent explanation even against the erudite one if the latter turns out to be less simple.
In “Decoding Reality”, page 209, you say „Reality is therefore created by experiments in the same way that cards become created in this imaginary card game (by Calvino). That is exactly what my second „freedom proof“ is all about. It runs as follows (I am quoting an English translation of my own, which, hopefully, is not too clumsy; the German original was printed in 2014 by Metropolis Publishing House):
“Why does science bother at all to uncover some law, such as the ballistic curve of a cannonball? As long as we do not turn our attention to celestial orbits, this happens for an obvious reason: We want to applythis law, maybe with the intention to direct these cannonballs towards specific military targets. We want to be able to use this law at any place and at any time we choose. The same is true of an everyday task such as heating water in an electric kettle. Laws govern this process from its very start until its completion. We know exactly the amount of electrical energy to heat water by so many degrees; the process as such is strictly predictable. Yet the reason why we strive to initiate strictly predictableprocesses at all is bound up with our intention to initiate them at any place and at any time that we willfully choose – that is, to initiate them in an entirely unpredictable!manner.
The conclusion to be drawn from this premise is not only legitimate but strictly inevitable: Our exploration of what is determined in nature is directed to the goal of opening up new fields of activity for human freedom! Increasing our knowledge of natural laws makes sense only with regard to freedom while, on the other hand, freedom would remain without a proper field of action without the existence of laws.
In the most general way, the mutual interdependence of freedom and necessity may be expressed as follows. Human freedom or the ability to act unpredictably and therefore in a way not governed by any law is a logical counterpart to the concept of necessity. The practical utility of any law found by man thus hinges on his capacity to use it freely for his particular aims. In fact, the whole success of science is built on this relation of interdependence. Our science of natural laws would make no sense if man were not able by virtue of his freedom to put these laws into action wherever and whenever he wants. Since this is a logical condition, I call this second proof of freedom axiomatic.”
The third proof is build on the second; it demonstrates that for the second to be valid, nature must conform to the postulate you pronounce on page 170: “Randomness and determinism together can be seen to underlie every aspect of reality.“
I would be glad to know whether these rather general considerations may be considered logically consistent.
Kind regards
(Gero Jenner)
161002:
Dr. Gero Jenner, A-8182 Puch b. Weiz, Hohenilz 22, Österreich, Tel. 03177/2182
E-Mail: info@gerojenner.com
An: Prof. Dr. Juergen Renn,Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte,Boltzmannstrasse 22, 14195 Berlin, Deutschland
2.Oktober 2016
Sehr geehrter Herr Renn,
aufmerksam auf die Forschungen in Ihrem Institut wurde ich aufgrund eines entsprechenden Hinweises in Peter Watsons wichtigem Buch “The German Genius”. Es heißt dort:
“The Max Planck Institute for the History of Science, in Berlin-Dahlem, is returning to traditional German concerns about the nature of knowledge, conducting research projects on The History of Laboratory Sciences, The Rise and Decline of the Mechanical World View …”
Die Lektüre dieses Buches war mehr als nur eine Horizonterweiterung – lernt man das eigene Land doch weit besser kennen, wenn man es mit den Augen eines Fremden sieht -, ich bekam zugleich auch einen heilsamen Schreck, da ich einiges über mich selbst hinzulernte. Vor der Bekanntschaft mit Watsons Arbeit hatte ich ein Buch mit dem Titel “Die Macht der Träume und die Ohnmacht der Vernunft – eine Philosophie der Freiheit” geschrieben – sehr deutsch also, möglicherweise in ungutem Sinne deutsch, weil die Skepsis gegenüber der Vernunft, im schlimmsten Fall sogar das Ressentiment gegenüber Aufklärung und Moderne, in Deutschland eben, wie Watson so meisterhaft zeigt, eine lang zurückreichende Tradition hat.
Zu meiner Verteidigung durfte ich mir allerdings sagen, dass meine eigenen Gedanken von vornherein in eine ähnliche Richtung gegangen waren, wie sie der große Aufklärer Kant in den Antinomien vorgegeben hatte: Mit Vernunft die Reichweite der Vernunft kritisch umgrenzen (ich gelange dabei freilich zu anderen Folgerungen). Außerdem war ich durch die Schule Poppers gegangen, der sich mit größter Entschiedenheit gegen meta-physische Urteile ausspricht. Dennoch übte Watsons Buch auf mich eine heilsame Wirkung aus, weil es zu größerer Vorsicht anregte. Ich stellte eine englische Übersetzung des Textes her, veränderte missverständliche Stellen, hob die wichtigsten Thesen als solche hervor und drückte mich nun auch im Titel behutsamer aus:
“Doubt and Dogma – a philosophy of freedom” bis zur Veröffentlichung vorläufig ins Internet gestellt.
Ich beleuchte in diesem Buch die Geschichte des Denkens – seine über Kulturgrenzen hinweg inhärenten Weltanschauungs-Polaritäten -, wozu ich vielleicht einige brauchbare Voraussetzungen mitbringe, da ich in Indologie promovierte und mich im Zweit- und Drittfach mit chinesischer und japanischer Kultur befasste. Vielleicht wird Sie der eine oder andere Gedanke interessieren.
Mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Gero Jenner