Lohnkonkurrenz und Exportüberschüsse – wir lassen uns indoktrinieren

Es ist schon besorgniserregend. Da sehen alle, denen Ideologie nicht die Sicht versperrt, wie das deutsche Industrie- und Arbeitspotential nach Asien abgepumpt und –gesogen wird. Dort entstehen derzeit die Industrien und Dienstleistungsbetriebe, die noch vor dreißig Jahren bei uns heimisch waren. Hier dagegen werden bald – wie heute schon in den Vereinigten Staaten und vor einem halben Jahrhundert in England – die Rostgürtel wie ein Krebsgeschwür wachsen. Aber selbst auf kritische Geister wirken immer noch die Sirenentöne der hiesigen Gegenpropaganda. So heißt es etwa, eine Lohnkonkurrenz zwischen China und Deutschland könne es doch gar nicht geben, weil die Löhne einen immer geringeren Anteil an den Produktionskosten bilden. Das Argument ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit man mit Halbwahrheiten kommt oder wie weit die Indoktrination schon gediehen ist. Es stimmt ja, der Lohnanteil sinkt immer mehr. Bei der Produktion von deutschen Fernsehern beträgt er zum Beispiel nur noch neun Prozent. Aber in China ist die Arbeit sehr viel billiger. Dort beträgt der Lohnanteil daher auch nur zwei Prozent. Genau dieser Unterschied ist entscheidend.  Weil die Chinesen um sieben Prozent billiger sind, werden heute in Deutschland so gut wie keine Fernsehgeräte mehr gebaut. So viel zum angeblich unbedeutenden Lohnkostenanteil.

Es würde aber auch nicht viel nützen, wenn unsere eigenen Löhne so weit in die Tiefe fielen, dass auch dieser Unterschied schließlich entfällt. Denn dann kann der Kampf mit Steuern und fehlendem Umweltschutz immer noch beliebig fortgesetzt werden. Das Wettrennen der Nationen gleicht dem Zug der Lemminge. Am Ende steht der freie Fall ohne Netz.

Aber Deutschland ist doch trotz allem Exportweltmeister, heißt es dann schließlich. Und nicht nur das, es exportiert mehr als es von anderen bezieht. Sei das denn nicht der beste Beweis dafür, dass es vom Freihandel auch mehr als andere profitiert?

Bitte, man muss gerade hier differenzieren. Einem nüchtern urteilenden Beobachter fällt es doch einigermaßen schwer, von einem Gewinn für Deutschland zu sprechen, wenn nur wenige Spitzenkonzerne große Profite machen, während es dem Rest der Wirtschaft zunehmend schlechter geht. Noch schwerer fällt es, wenn man die Handelsbilanz aus größerer Nähe betrachtet. Wie die USA schon seit Jahren hat nun auch Deutschland ein Minus im Handel mit China. Der Gesamtwert seiner nach China exportierten Waren ist also geringer als der Wert der von dorther bezogenen Güter. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich der negative Saldo versechsfacht – von knapp 5 Milliarden Euro (1997) auf 30 Milliarden (2007). Aus diesem Trend lässt sich aber eine noch weit bedrohlichere Perspektive ablesen. Nach heutigen Berechnungen wird China Deutschland schon 2008 als Exportweltmeister abgelöst haben.

Das Fazit? Gegen die künftigen asiatischen Supermächte, einschließlich Japan, verliert Deutschland zunehmend an Stärke. Seine Überschüsse erwirtschaftet es vor allem im Handel mit den Vereinigten Staaten, die ihre eigene industrielle Basis noch stärker verfallen ließen und außer in wenigen Spitzenbereichen international immer weniger konkurrenzfähig sind.