Prof. Dr. Joseph Hubers Vollgeldtheorie – gebaut auf Sand und schlechtem Denken

(auch erschienen in "Humane Wirtschaft" 2/2017)

Wissenschaftliche Arbeiten lassen eine Beurteilung nach verschiedenen Kriterien zu, von denen ich die folgenden für wesentlich halte:

  1. Sprachliche Kompetenz
  2. Sachliche Kompetenz im Hinblick auf vorhandenes Wissen
  3. Pädagogische Kompetenz bei der Vermittlung des eigenen Standpunktes
  4. Sachliche Kompetenz im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Theorie

Ich möchte meine Besprechung des wissenschaftlichen Hauptwerks von Prof. Huber von vornherein so anlegen, dass ich sie mit dem wissenschaftlichen Hauptwerk von Helmut Creutz vergleiche, der über dasselbe Thema, die Geldtheorie, sein bekanntes Werk „Das Geldsyndrom“ verfasste. Dieser Vergleich scheint mir in mehrfacher Hinsicht erhellend.

Zunächst ist anzumerken, dass die vier oben genannten Kriterien in verschiedenen Wissensgebieten nicht die gleiche Bedeutung aufweisen. Für einen Mathematiker ist es möglich, auf sprachliche Kompetenz weitgehend oder auch ganz zu verzichten. Wenn es ihm gelingt, die richtige Lösung für ein komplexes Problem zu finden, dann braucht er dafür nicht mehr als eine abstrakte Formel. Es spielt nicht einmal eine Rolle, ob er sich in seinen Erklärungen der deutschen, der chinesischen oder der englischen Sprache bedient – so verhält es sich mit den Arbeiten der Physik und generell mit dem ganzen Bereich der Naturwissenschaften.

Sofern die Wirtschaftswissenschaften, und hier insbesondere die Geldtheorie, aufgrund von logischen Sachzwängen eher zu den exakten als zu den Geisteswissenschaften zählen, spielt sprachliche Kompetenz hier ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist pädagogische Kompetenz umso mehr gefordert, weil sich andernfalls außer einer Handvoll Experten niemand mit einer so spröden Materie befassen würde. Sprachliche Kompetenz muss auf diesem Gebiet daher als wichtiger Faktor gelten.

1. Sprachliche Kompetenz

„Monetäre Modernisierung“ ist in einem flüssigen, geschmeidigen, in der Wortwahl und Wortbildung phantasievollen Deutsch geschrieben – eher eine Seltenheit unter Wissenschaftlern, die auf diesem Gebiet tätig sind. Die üblichen Sachbegriffe des Gebiets beherrscht Herr Huber souverän und hat keine Mühe, sie auch durch eigene Wortschöpfungen zu ergänzen. Der Leser gewinnt zunächst einmal den Eindruck, dass der Autor immer ganz genau weiß, wovon er spricht. Zu diesem Eindruck trägt zusätzlich die Tatsache bei, dass sich der Verdacht fachlicher Vernebelung durch schwer verständliche Begriffe oder deren unklare Verwendung eher selten einstellt. Die wesentlichen monetären Kategorien werden gleich zu Beginn der Arbeit auf eine gemeinverständliche Art vorgestellt und definiert. Dabei wird der Fachmann ebenso angesprochen wie der Laie, was von vornherein für den Autor einnimmt. Offensichtlich ist sich dieser durchaus nicht zu gut dafür, auch Letzterem das schwer zugängliche Feld der Geldtheorie auf begrifflich durchsichtige Art zu erschließen.

Wenn ich auf der Notenskala zwischen eins und sechs einen Wert zu vergeben hätte, so würde ich weiten Partien der Huberschen Arbeit die zweitbeste Note, also eine Zwei, zuerkennen. Ich bin mir allerdings bewusst, dass manche ihm im Vergleich mit der sprachlichen Kompetenz von Helmut Creutz wohl eher eine Eins zubilligen würden – im Gegensatz zum Stil des Letzteren gilt nämlich für die Sprache von Joseph Huber im eminenten Sinne das Prädikat „wissenschaftlich“.

Helmut Creutz schreibt eine Sprache von großer Bildhaftigkeit. Manche dieser Bilder bleiben unauslöschbar im Gedächtnis haften, so wenn er davon spricht, dass die Geldmengenregulierung der Notenbank nicht funktionieren kann, weil sie dabei so verfährt wie ein Autofahrer, der statt seine Geschwindigkeit (die Menge des Geldes) durch den Blick auf den Tacho (den tatsächlichen Geldumlauf) zu regulieren, stattdessen den Treibstoff im Tank beschränkt (also die Geldausgabe). Oder wenn er die Unsinnigkeit des Zinssystems mit dem Bild des Parksünders illustriert, wenn man diesen durch Belohnungen (im Geldwesen durch Positivzinsen) von seinem sozial schädlichen Tun (dem Horten von Geld) abhalten würde, statt, wie es tatsächlich geschieht, dieses Ziel durch Bestrafung (im Hinblick auf das Geld: durch Negativzinsen) zu erreichen. Immer wieder gelingt es Creutz, ein packendes Bild zu finden, das genau auf den Sachverhalt passt. Seine Sprache ist einfach und eindrucksvoll; geradezu als Meister zeigt er sich in der Kunst, auch komplexe Zusammenhänge auf einfache Art darzulegen. In diesem Sinne kann ich seiner Sprache auf der „Richter“-Skala von eins bis sechs nur eine Eins zuteilen.

Dennoch: Aus der Sicht des durchschnittlichen Wissenschaftlers ist diese Bildhaftigkeit wohl eher ein Nachteil. In der meist völlig bildlos-abstrakten Theoretiker-Sprache wird ein solcher Stil scheel angesehen und von manchen sogar als naiv abgelehnt. Bei aller logischen Präzision und Brillanz haftet der Sprache von Creutz eine gewisse Kindlichkeit an, die sie zugleich liebenswürdig und ihren Autor sympathisch macht, aber in den Augen zweitrangiger Wissenschaftler wohl eher verdächtig erscheinen lässt – wer den Eindruck unanfechtbarer Seriosität erwecken möchte, schreibt anders. Denn wo bleibt die Tiefe, wenn einer das Komplexe so übersichtlich und einfach vor Augen stellt, dass der Laie die Sache am Ende gleich gut versteht? Creutz hat sich nie um den wissenschaftlichen Jargon bemüht, das hat seiner Rezeption zweifellos geschadet.

2. Sachliche Kompetenz im Hinblick auf vorhandenes theoretisches Wissen

Was Creutz aber am meisten schaden musste, war die souveräne Missachtung vorhandener Literatur, der er sich nur dann zuwandte, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ und er sich daher notgedrungen mit widersprechenden Ansichten auseinanderzusetzen hatte. Helmut Creutz, dieser außerordentliche Autodidakt, hat wirklich immer nur nach der Sache selbst gefragt, das Geld interessierte ihn; nicht, was Leute von A – Z darüber dachten, mochten es auch die größten Kapazitäten der Wissenschaft sein. Wirklich beeinflusst hat ihn nur Silvio Gesell.

Das Vorgehen, die Dinge sozusagen mit den Augen eines Kindes zu sehen und alle Fragen von neuem zu stellen, ist ebenso vielversprechend wie riskant. Die meisten würden bei solchem Vorgehen wohl nur das Rad zum zweiten Mal erfinden. Nicht so Creutz, ihm sind viele neue Einsichten zu danken, aber dass macht seine Leistung nicht akzeptabler für all diejenigen, die Wissenschaft so verstehen, dass man zunächst einmal sämtliche vorhandenen Theorien aus dem Effeff kennen muss, bevor man es wagen darf, die Welt mit hausgemachten Ansichten zu behelligen.

So entgegenkommend Helmut Creutz im persönlichen Umgang ist, auf dem Gebiet der Geldtheorie trat er wie der heilige Georg auf, der einsam und ganz allein den Drachen in Gestalt einer irre geleiteten Wissenschaft niederkämpft. Diese souveräne Missachtung der wissenschaftlichen Szene musste zwangsläufig dazu führen, dass diese ihn ihrerseits weitgehend mit Nichtbeachtung bestrafte. Seit Joseph Huber mit seiner Theorie Anklang fand, ist daraus bei vielen geradezu Nichtachtung geworden. Ganz unverständlich ist das freilich nicht. Es bleibt ja wahr, dass in 95 Prozent aller Fälle kompetente Aussagen zu einem Fachgebiet am ehesten von jenen stammen, welche die vorhandene Literatur erst einmal gründlich beherrschen. Helmut Creutz ist ein Meister, der ohne Ankündigung und Lehrjahr vom Himmel fiel – so etwas kommt selten vor.

Auf der „Richter“-Skala von eins bis sechs wird man ihm im Hinblick auf das zweite Kriterium daher nur eine Fünf zusprechen – eine Sechs nur deshalb nicht, weil er ja andererseits durchaus fähig war, sich mit vorhandenen Lehrmeinungen zu befassen. Aber er tat es, wie schon gesagt, immer nur dann, wenn er sich herausgefordert fühlte und eine solche Reaktion deshalb unausweichlich war.

Bei Joseph Huber verhält es sich genau umgekehrt. Niemand wird ihm die Spitzenzensur einer Eins streitig machen. Huber ist außerordentlich belesen und versteht es, diese Belesenheit mit einer entsprechenden Zahl an Fußnoten und Zitaten für jedermann sichtbar zu machen (welch Gegensatz zu Creutz, der auf Fußnoten weitgehend verzichtet und alles aus dem eigenen Wissen und Denken schöpft!).

Während der Leser bei der Lektüre des Geldsyndroms sozusagen an der Hand des Autors durch das weitläufige Gebäude von Wirtschaft und Geld geführt wird, ist der Eindruck bei Huber gemischt. Der Autor legt großen Wert darauf, dem Leser klar zu machen, dass wissenschaftliche Autoritäten auf seiner Seite stehen. Er soll den Eindruck gewinnen, dass es nicht der Autor selbst sei, der da eine bestimmte Position zum Geld und der Geldschöpfung vertritt, sondern dass die voraufgegangene wissenschaftliche Forschung in den von ihm vertretenen Ansichten kulminiert. Es versteht sich, dass Huber in diesem Punkt viel „wissenschaftlicher“ erscheint als Helmut Creutz.

3. Pädagogische Kompetenz bei der Vermittlung des eigenen Standpunktes

Der Autor des Geldsyndroms ist so sehr um größtmögliche Klarheit bemüht, dass er nicht vor einfachsten Vergleichen zurückscheut – sicher ein Fehler aus professoraler Sicht, weil die bewusste Einfachheit streckenweise den Eindruck eines Textes für Erstsemester erweckt. Diesen „Fehler“ begeht Joseph Huber nie. Er befindet sich immer auf der vollen Höhe professoraler Gescheitheit. Der Anschein gelehrter Unfehlbarkeit bleibt stets gewahrt – anders als bei Creutz, der bei allem Selbstbewusstsein doch immer offen für Zweifel ist, sofern er einleuchtenden Argumenten begegnet. Dadurch gelingt es ihm umso besser, den Leser in den Erkenntnisprozess einzubinden.

Ich halte die bewusste Einfachheit in der Darstellung komplexer Probleme, solange sie an diesen keine „Vereinfachung“ vornimmt, für eine besondere pädagogische Qualität, die dem Buch von Creutz gewiss eine Bestnote einträgt. Was Joseph Huber betrifft, so verdient er in dieser Hinsicht bestenfalls ein genügend (eine Vier). Wie schon gesagt, schreibt er einen eleganten, überzeugenden Stil, aber er bleibt immer die professorale Autorität, die ihre Weisheiten gegen alle Zweifel von oben herab dekretiert. Er denkt gar nicht daran, sich selbst und seine Leser der Gefahr auszusetzen, im Ringen mit den Problemen selbst, das anvisierte theoretische Ziel zu verfehlen, das bei ihm von vornherein darin besteht, der Auffassung zum Sieg zu verhelfen, die seinen Text von Anfang bis zum Ende bestimmt: Das gegenwärtige Geldsystem sei ein Unglück für die Volkswirtschaft, da es den Geschäftsbanken das „Gelddrucken“ (d.h. die Geldschöpfung aus dem Nichts) nach Belieben erlaube und damit das Geldschöpfungsmonopol de facto von den Notenbanken in private Hände übertrage. Dieses Dogma steht für ihn von Anbeginn fest und darauf ist seine Forderung begründet, das Geldschöpfungsmonopol durch ein sogenanntes Vollgeld wieder in die Hand der Öffentlichkeit, also des Staates, zurückzulegen.

Es ist dieses Dogma, welches seiner Schrift eine Aufmerksamkeit und sogar eine sektenmäßig organisierte Anhängerschaft verschaffte, die für ein so sprödes Thema wie das Geld sensationell anmutet. Andererseits ist es ein Faktum, dass der Verlust öffentlicher Kontrolle zugunsten privater Machteinflüsse im zeitgenössischen Kapitalismus zum größten Problem geworden ist. Wenn jemand dieselbe Ansicht auch im Hinblick auf das Banken- und Finanzsystem vertritt, weil es dort eben auch private Kräfte seien – die Geschäftsbanken – welche in Wahrheit die Geldschöpfung beherrschen, dann rennt er bei all denen offene Türen ein, die daran nur zu gerne glauben wollen.

Die Frage ist eben nur, ob die Theorie von Joseph Huber die Tatsachen richtig beschreibt, einfacher gesagt, ob sie stimmt? Damit komme ich zum letzten und entscheidenden Punkt, der sachlichen Kompetenz im Hinblick auf die Sache selbst, also das Geld. Würden nur die ersten drei bisher besprochenen Kriterien zählen, dann kämen beide Autoren auf einen Notendurchschnitt von 2,3. Es gäbe keinen Grund, den einen Autor wesentlich über den anderen zu stellen. Wenn ich es dennoch tue, und zwar mit einem Titel, der einen Frontalangriff impliziert (gebaut auf Sand und schlechtem Denken), dann weil sich in Punkt vier die Wege eindeutig scheiden. Hubers Ansichten sind logisch widersprüchlich, sie finden in den Fakten keine Bestätigung  und seine Vorschläge erscheinen aus diesem Grund unbrauchbar. Trotz aller zuvor genannten Vorzüge, die man seinem Buch nicht absprechen kann, halte ich es aus diesem letzten und entscheidenden Grund für einen theoretischen Irrweg.

4. Sachliche Kompetenz im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Theorie

Im Folgenden möchte ich die Gegenüberstellung von Huber und Creutz zum Thema der Geldtheorie beenden und stattdessen das herkömmliche Modell der Erklärung von Geld und Geldschöpfung – ich werde es als das orthodoxe Modell bezeichnen, da es einer Mehrheitsauffassung entspricht – mit dem Huberschen Modell vergleichen (wobei die Seitenangaben sich auf „Monetäre Modernisierung“ beziehen, Metropolis Verlag 2016). Eine hervorragende Ergänzung bilden die Ausführungen von Mike King: “Creating Money out of Nothing: The History of an Idea”.*1*

Bekanntlich kommen in den Wirtschaftswissenschaften auf zwei Fachleute mindestens drei verschiedene Theorien, auch die herkömmliche Interpretation erscheint daher in vielen Variationen. Es reicht aber völlig aus, wenn ich deren Grundzüge umreiße. Ich selbst nehme an diesen Grundzügen nur zwei kleinere Änderungen vor, die an den betreffenden Stellen als solche angemerkt sind: nämlich am sogenannten Leitzins der Notenbanken, den ich als „Steuerungsgebühr“ bezeichne, sowie bei der Multiplen Kreditgeldschöpfung, die meines Erachtens nur in Lehrbüchern aber nicht in der Realität existiert.

a) Geldschöpfung durch die Notenbank

Geld wird von der Notenbank erzeugt und gegen entsprechende Pfänder (Wertpapiere), welche eine entsprechende volkswirtschaftliche Leistung repräsentieren, an die Banken weitergegeben. Über Steuerungsgebühren wird die Geldmenge so reguliert, dass bei einem Inflation erzeugenden Überschuss Banknoten von der Notenbank wieder zurückgenommen und eingestampft werden, bei einem Deflation erzeugenden Mangel aber Notenbankgeld gedruckt und von der Notenbank über die Banken in Verkehr gebracht wird. Dass diese Regulierung alles andere als perfekt ist, hängt damit zusammen, dass das Publikum eine freie Verfügung über das Geld (sowohl Bar- wie Buchgeld) genießt und dieses zum Beispiel horten, also aus dem Verkehr ziehen, aber ebenso gehortetes Geld auch schnell wieder auf den Markt werfen kann, so dass Deflation und Inflation unabhängig von der Geldpolitik der Notenbank auch vom Publikum ausgehen können.

Huber: a) Geldschöpfung durch die Notenbank

Schon im Hinblick auf die Geldschöpfung durch die Notenbank geht Joseph Huber von einer radikal veränderten – um das nicht zu sagen, einer äußerst gewagten – Deutung aus. Zwar schöpft auch in seiner Sicht die Notenbank Geld gegen Pfänder, die sie von den Banken erhält, aber diese Pfänder repräsentieren für ihn keineswegs eine objektiv vorhandene volkswirtschaftliche Leistung (sodass es sinnvoll ist, die Geldmenge entsprechend der Zu- oder Abnahme dieser Leistung zu erhöhen, bzw. sie einzuschränken). Zur Begründung verweist er auf Staatsanleihen, welche die Notenbank (in neuerer Zeit) als Sicherheit akzeptiert. Seiner Ansicht nach werden Staatsanleihen nicht mit Publikumsgeld (eine früher einmal als sicher geltende Geldanlage) geschaffen, sondern von den Banken mit Buchgeld ex nihilo kreiert (50; siehe auch unten „Huber: d4“). Huber behauptet also ganz unzweideutig: Auch die Geldschöpfung der Notenbanken beruht letztlich auf dem Nichts.

Anders gesagt, beginnt das Hervorzaubern von Geld aus dem Nichts für Huber nicht erst bei den privaten Banken, wenn diese Buchgeld schöpfen (siehe „Huber: b“) – das ist Hubers ursprüngliche These – inzwischen bezieht er sie auf das gesamte System. Auch die Notenbank, eine öffentliche Institution, erzeugt das von ihr an die Banken weitergeleitete Notenbankgeld letztlich ex nihilo. Die Besicherung durch Pfänder, stellt in seinen Augen nicht mehr als eine Scheinaktion dar, die keinerlei realen Bezug zwischen Geldmenge und volkswirtschaftlicher Leistung stiftet.

Hier liegt Gegensatz Nr. 1 zur orthodoxen Lehre.

b) Bargeld und Buchgeld

Im Prinzip könnten Banken und Publikum alle wirtschaftlichen Transaktionen mit Banknoten und Münzen abwickeln. Dann würde die umlaufende Geldmenge ausschließlich aus Bargeld bestehen. Für eine moderne Wirtschaft wäre das allerdings von sehr großem Nachteil, da ihr aus dem dann durchwegs notwendigen physischen Transport der Noten und Münzen gewaltige Kosten entstehen müssten. Deswegen wurde eine zweite Art von Geld entwickelt, das Buchgeld, bestehend aus immateriellen Ziffern oder auch digitalen Einträgen, die sich in Echtzeit mühelos über beliebige Distanzen transferieren lassen.

Entscheidend ist nun für die orthodoxe Theorie, dass das Buchgeld im Prinzip nur eine Ersatz- oder Stellvertreterfunktion erfüllt: ursprünglich wurde für jede auf der Bank eingetragene Summe an Buchgeld eine entsprechende Summe an Banknotengeld deponiert. Da das Publikum im täglichen Zahlungsverkehr allerdings das Buchgeld schon seit mehr als einem Jahrhundert zunehmend begünstigt, ist das Banknotengeld, obwohl es nach wie vor jedem Zuwachs an Giralgeld zugrunde liegt, weitgehend aus dem Verkehr geschwunden.

Mit anderen Worten, so groß die Menge an Buch- im Verhältnis zum Bargeld auch sein mag, aus orthodoxer Sicht kann diese Veränderung nur als Beweis dafür gelten, dass Notenbankgeld in zunehmendem Maße durch Buchgeld ersetzt wird (eben weil sich die Zahlungsgewohnheiten verändert haben). In orthodoxer Sicht behält die Notenbank eine ungeschmälerte Kontrolle über die Geldmenge auch dann, wenn aufgrund veränderter Zahlungsgewohnheiten das vorrückende Buchgeld alles Bargeld im täglichen Verkehr völlig verdrängen würde. Dessen Ersetzung beweist eben keinesfalls, dass das Buchgeld von den Banken eigenständig „geschöpft“ wird. Dass auf den Banken riesige Summen von Buchgeld liegen, während Bargeld dort nur in vergleichsweise minimalem Umfang zu finden ist, besagt also, erstens, nur etwas über die veränderten Zahlungsgewohnheiten und ist, zweitens, damit zu erklären, dass die Banken für alles nutzlos in ihren Kassen verwahrte bare Geld an die Notenbank die besagte „Steuerungsgebühr“ entrichten. Sie halten deswegen nur soviel Bargeld vor, wie sie für den täglichen Verkehr wirklich benötigen.

Dann ist aber, eben weil nach orthodoxer Auffassung Giralgeld bloßes Ersatzgeld ist, das nicht geschöpft wird, sondern durch Bareinzahlungen entsteht, Buchgeld genauso gut besichert (gedeckt) wie das Bargeld selbst.

Huber: b) Bargeld und Buchgeld

Hubers Ausführungen über das Buchgeld stehen in schärfstem Gegensatz zur orthodoxen Lehre. Ihm zufolge fehlt dem Buchgeld die Stellvertreter- oder Ersatzfunktion. Zwar kann auch Huber nicht leugnen, dass Buchgeld im täglichen Verkehr von Banken und Publikum immer wieder durch Einzahlungen von Bargeld auf einem Girokonto entsteht und dass Girobeträge umgekehrt durch entsprechende Abhebungen von Bargeld fast ebenso oft wieder vernichtet werden. Aber das spielt für ihn eine nebensächliche Rolle, da Buchgeld in erster Linie von den Banken geschöpft wird („gedruckt“, wie er es ebenfalls nennt). Grundsätzlich kommt Buchgeld für ihn deswegen als „Kredit“ auf die Welt, was es für die orthodoxe Lehre natürlich auf keinen Fall ist, da es ja nur eine Stellvertreterfunktion für irgendwann einbezahltes Notenbankgeld aufweist.

Die Kredittheorie des Buchgelds findet sich gleich zu Beginn seines Buches (22) und bildet das Fundament seiner Theorie – in meinen Augen den Sand, auf dem sie erbaut ist. Denn weil Banken in gewaltigen Mengen Buchgeld als frei geschaffenen Kredit aus dem Nichts erzeugen, liege die Geldschöpfung eben nicht länger in den Händen einer öffentlichen Instanz, der Notenbank – so kann er aus dieser Grundannahme weiter ableiten -, sondern werde von privaten Kräften, den (Geschäfts-)Banken zu Zwecken des privaten Profits usurpiert. „Um es also klar und unmissverständlich auszusprechen: Die Banken haben faktisch das Geldmonopol“ (68, 94).

Es versteht sich, dass eine Reform des gegenwärtigen Systems im Sinne des Vollgelds und der Gründung einer Monetative jeden Sinn einbüßt, falls es dieses Geldmonopol der Geschäftsbanken nur in der Theorie von Professor Huber gibt, nicht aber in der Realität. Die hubersche Theorie steht und fällt mit dieser Voraussetzung.

Hier liegt Gegensatz Nr. 2 zur orthodoxen Lehre.

Huber: b1) Bargeld zu Buchgeld – die Mengenrelation

Im Sinne dieser Grundannahme versucht Huber auch die Tatsache zu erklären, dass wirtschaftliche Transaktionen überwiegend in Buchgeld stattfinden, wovon das umlaufende Bargeld nur einen Bruchteil bilde. Anders gesagt, ist dieses Faktum bei ihm nicht den veränderten Zahlungsgewohnheiten des Publikums und dem Umstand geschuldet, dass übermäßige Bargeldkassenbestände die Banken teuer kämen, sondern wird für ihn allein damit erklärt, dass die Banken in einem fort Buchgeld ex nihilo kreieren. Den Beweis dafür, dass diese Erklärung und nicht die orthodoxe Auffassung richtig sei, bleibt er allerdings schuldig, wie ich unter „Huber: d“ aufzeigen werde.

Ich werde später, nämlich unter „Huber: f2“, ausführen, warum Hubers Theorie aus rein ökonomischen Gründen haltlos ist: Es lohnt sich für Geschäftsbanken nicht, Buchgeld aus dem Nichts zu schöpfen, obwohl sie dazu theoretisch durchaus in der Lage wären. Der Grund: Aus dem Nichts geschaffenes Geld, ist für sie einfach zu teuer.

b2) Fraktionales Reservebanking – ein Begriff ohne Aussagekraft

Je mehr das Buchgeld im Wirtschaftsverkehr das Bargeld ersetzt, umso geringer ist natürlich auch die Reserve, welche das gesamte Bankensystem an kostenpflichtigem Bargeld vorhalten muss. Es ist unausweichlich, dass dieses dann nur noch einen verschwindenden Bruchteil (eine unbedeutende Fraktion) des Giralgelds bildet.*2* Deshalb ist kein besonderer Erkenntnisgewinn damit verbunden, wenn man die gegenwärtige Geldordnung als „fraktionales Reservebanking“ bezeichnet. Dies geht sogar mit einem Erkenntnisverlust einher, wenn veränderte Zahlungsgepflogenheiten dann mit einer „Buchgeldschöpfung aus dem Nichts“ gleichgesetzt werden und der Notenbank unterstellt wird, die Kontrolle über die Geldschöpfung an private Akteure, nämlich die Banken, abgegeben zu haben.

Huber: b2) Fraktionales Reservebanking – auch bei Huber ein Begriff ohne Aussagekraft

Bei Huber (28, 42, 44) verliert diese Bezeichnung vollends ihren Sinn, weil er ausdrücklich vermerkt, dass die Reserven für den Umfang der Kreditgeldschöpfung letztlich ohne Bedeutung seien (48). Zu dieser Behauptung zwingt er sich geradezu, weil die Notenbank mit Hilfe der Justierung der Reserven ja sonst sehr wohl in der Lage wäre, den Umfang der Buchgeldschöpfung zu steuern – genau das aber wird, wie gesagt, von Huber kategorisch bestritten.

Wenn aber der Begriff des fraktionalen Reservebankings im Grunde ganz bedeutungslos ist, warum wird dann die Geldschöpfung aus dem Nichts von ihm durchwegs in Bezug zum fraktionalen Reservesystem gebracht, als läge genau darin dessen besondere Eigenart?

An solchen Widersprüchen ist abzulesen, was ich mit „schlechtem Denken“ meine, dem man in seiner Arbeit auf Schritt und Tritt begegnet.

c) Bargeldreserve und der Run auf Banken

Soweit die täglichen Zu- und Abflüsse von Bargeld sich weitgehend annullieren, und zwar sowohl bei der einzelnen Bank wie im gesamten Bankensystem, büßen Bargeldreserven ihren Sinn weitgehend ein. In existenzielle Gefahr gerät das System allerdings bei Wirtschaftskrisen oder einem massiven Vertrauensverlust, wenn es dadurch zu Panik oder gar einem Run auf die Banken kommt. In einem solchen Moment, geht das normale Gleichgewicht der Zu- und Abflüsse von Bargeld ganz verloren. Ohne den Lender of Last Resort, die Notenbank, würde das System zusammenbrechen.

Huber: c) Bargeldreserve und Bankrun

Im Wesentlichen wie unter Ort-c, wenn man davon absieht, dass der Konstruktionsfehler des gegenwärtigen Geldsystems angeblich darin liege, dass es sich um ein fraktionales Reservesystem mit Multipler Kreditgeldschöpfung handle.

Natürlich hat Huber ebenso wie die Theoretiker eines 100%-Money-Systems Recht damit, dass im herrschenden Geldsystem der Run auf die Bank – obwohl in einem funktionierenden System eine Ausnahmeerscheinung – doch aufgrund einer Panik jederzeit möglich sei.

Diese Gefahr wäre allerdings auch im gegenwärtig herrschenden Geldsystem auf einfache Art dadurch zu bannen, dass alles auf ein Girokonto eingezahlte Bargeld in der Bank zu verbleiben hätte, also dort stillgelegt wird (woran der Stellvertreter- oder Ersatzstatus des Buchgelds dann mit Evidenz zu erkennen wäre).

Gegenwärtig ist das nicht der Fall, da die Banken eben nur eine kleine, gesetzlich vorgeschriebene Reserve zurückbehalten, während sie den Rest wie Spareinlagen behandeln, allerdings von kurzfristiger Art.

Würden die Banken stattdessen alles Bargeld einbehalten, dann wären die Folgen absehbar: Angesichts der gewaltigen Menge an Buchgeld würden der Bank und folglich auch ihren Kunden aus einem solchen Vorgehen nicht nur hohe „Steuerungsgebühren“ erwachsen, außerdem würde diese „Stilllegung den Realgüterumlauf nicht nur verlangsamen, sondern weitgehend zum Stocken bringen, weil dieses Geld eben nicht mehr durch Verleihung in den Kreislauf gelangt.

In Wahrheit wägen die Banken deshalb zwischen zwei Übeln ab, einem Übel von unmittelbarer Wirksamkeit, das aus der Stilllegung des Bargelds auf den Konten resultieren würde (höhere Kosten, Abbremsen des Geld- und Güterumlaufs) und einem zweiten, mit dem nur im Extremfall eines Runs auf die Banken zu rechnen ist, das sich aber selbst dann in den meisten Fällen noch durch den Lender of Last Resort, die Notenbank, bändigen lässt.

d) Sparen und Kredit

Außer dass sie von der Notenbank geschöpftes Geld in die Wirtschaft schleusen, nehmen Geschäftsbanken noch eine zweite, nicht weniger bedeutsame Aufgabe wahr. Das bei ihnen deponierte Geld der Sparer leiten sie an Kreditnehmer weiter, wobei Letztere private Investoren sein können oder der Staat.

Dabei repräsentiert das Gesamtvolumen an Ersparnissen einen Realüberschuss, d.h. volkswirtschaftliche Kapazitäten, die nicht für den Konsum, sondern für Investionsgüter und –leistungen zur Verfügung stehen. Dadurch ist dem jährlichen Aufkommen an frischen Ersparnissen von vornherein eine durch die Realwirtschaft bedingte Grenze gesetzt (in Deutschland werden im Schnitt etwa zehn Prozent des gesamten Einkommensvolumens als Ersparnis deponiert).

d1) Stetige Aufblähung von Guthaben und Schulden

Strikt zu unterscheiden ist allerdings zwischen dem jährlichen Aufkommen an frischer Ersparnis (den erwähnten ca. 10%) und den akkumulierten Guthaben (Ersparnissen), die dadurch zustande kommen, dass die Reichen so viel über den Konsum hinausgehendes Vermögen besitzen, dass sie nach Fälligkeit der aufgrund ihrer Ersparnisse gewährten Kredite die entsprechenden um Zinsen vermehrten Summen gleich wieder auf ein Sparkonto legen (wenn sie es nicht außerhalb des Bankensektors in Aktien, Immobilien, Rohstoffen etc. anlegen). Dieses sogenannte Roll-Over wird nicht nur von den Reichen praktiziert, sondern ebenso vom Staat, der seine Schulden bekanntlich in den seltensten Fällen begleicht (also auf Null reduziert).

Im Unterschied zur jährlich anfallenden frischen Ersparnis ist der akkumulierten und der dieser entsprechenden Verschuldung keine Grenze gesetzt. Hier handelt es sich freilich nicht um Geld, sondern um Geldforderungen (diese Einsicht sollte Teil der orthodoxen Theorie sein!). Auf die Geldmenge (bar und giral) übt die akkumulierte Ausweitung der Verschuldung keinen Einfluss aus. Auch in einer stationären Wirtschaft mit konstanter volkswirtschaftlicher Leistung und konstanter Geldmenge können sich Guthaben und Schulden ununterbrochen zu immer größeren Aggregaten aufblähen.*3*

Ebenso findet die stetige Vermehrung der Guthaben durch den Mechanismus der Zinsen prinzipiell unabhängig von der Geldmenge statt. Sie bewirkt nur, dass das Geld und die dadurch bewegte Gütermenge anders verteilt sind. Beide konzentrieren sich mehr und mehr in den Händen der Gläubiger (einer Minderheit), für welche die Schuldner (eine Mehrheit) in steigendem Maße Arbeit zu leisten haben. Deutlich ist das in stationären Gesellschaften zu erkennen wie zum Beispiel dem alten Indien, wo Wucherer enorme Reichtümer anhäufen konnten, ohne dass die konstante Geldmenge dadurch beeinflusst wurde.

Huber: d) Sparen und Kredit

Gegensatz Nr. 3 zur orthodoxen Lehre ergibt sich aus Hubers Behandlung des Spar-Kredits (zuerst ging es um die vermeintliche Buchgeldschöpfung, die er ebenfalls als „Kredit“ bezeichnet – vom Standpunkt der orthodoxen Lehre betrachtet, zu Unrecht, da Buchgeld nur ein Ersatzgeld ist).

Auch dieser einzig echte Kredit kommt laut Huber keinesfalls durch Ersparnis zustande, welche die Bank an den Kreditnehmer weiterleitet, sondern diese schöpft eben nicht nur das Buchgeld auf den Girokonten als Kredit aus dem Nichts, sondern ebenso alles Spargeld, das sie langfristig verleiht.

Die Kreation aus dem Nichts scheint ihm im Hinblick auf diese Art von Kredit ebenso grenzenlos möglich wie das ewige Rotieren eines perpetuum mobile. „Im Giralgeldregime der Banken gibt es auf den Geld- und Kapitalmärkten normalerweise keine Mengenbegrenzung von Geld und Kredit“ (80). Laut Huber sind Geschäftsbanken grundsätzlich in der Lage, Kredit in unendlichem Ausmaße ex nihilo zu erzeugen. Er scheint nicht zu bemerken, dass er der Bezeichnung des herrschenden Geldsystems als „fraktionales Reservebanking“, die er doch refrainartig verwendet, dadurch alle Bedeutung nimmt. Denn die Vorschriften für Mindestreserven spielen ihm zufolge weder bei der Entstehung von Krediten noch bei ihrer Kontrolle eine Rolle.

Huber: d1) Der Fehler einer rein monetären Betrachtung

Mit der These eines potentiell grenzenlosen Kredits, der aus dem Nichts entsteht, übergeht Huber ein entscheidendes realwirtschaftliches Faktum, das im Zusammenhang der orthodoxen Lehre eine entscheidende Rolle spielt. Das Gesamtvolumen an jährlich anfallenden frischen Ersparnissen repräsentiert einen Realüberschuss, d.h. vorhandene volkswirtschaftliche Kapazität, die nicht für den Konsum, sondern für Investionsgüter und –leistungen zur Verfügung stehen. Dadurch ist – um es nochmals zu betonen – den Ersparnissen eine durch die Realwirtschaft bedingte Grenze gesetzt (in Deutschland werden im Schnitt etwa zehn Prozent des gesamten Einkommensvolumens als Ersparnis deponiert.

Gegensatz Nr. 4 liegt mithin darin, dass Huber Kredite ausschließlich als monetäres Phänomen betrachtet und dabei ihren realwirtschaftlichen Hintergrund missachtet, wie sich aus folgender Äußerung ergibt: „Um heute investieren zu können, muss nicht erst langwierig Geld gespart und Eigenkapital gebildet werden (ursprüngliche Akkumulation), sondern das benötigte Geld kann nach Bedarf und nach vorhandenem Willen der maßgeblichen Akteure frei im Vorhinein geschöpft werden (53).

Das ist ein blühender Unsinn, der schon durch das Wort „Über“-schuss widerlegt wird, denn in der Realwirtschaft muss man stets über-schüssig vorhandene volkswirtschaftliche Leistung – Rohstoffe, Maschinen und menschliche Arbeit – mobilisieren, um über den Konsum hinaus Investitionen zu ermöglichen. Diesen überschüssig vorhandenen Gütern entspricht die Ersparnis, die ja nichts anderes repräsentiert als in Geld notierte volkswirtschaftliche Leistung.

Bei Huber soll das alles durch reine Magie gelingen, nämlich unabhängig von der materiellen Welt durch bloße Kontoziffern, die, wie er sich ausdrückt, im Vorhinein aus dem Hut gezaubert werden! Er merkt nicht einmal, dass er sich selbst diametral widerspricht, wenn er an anderer Stelle ganz richtig sagt: „Geld repräsentiert in dem Maß Wert, wie dem das laufend erstellte Wirtschaftsprodukt einen Gegenwert in Form von Diensten und Gütern gegenüberstellt (62)… Darin, und nur darin besteht die Deckung des Geldes – jeden Geldes“ (63).

Huber: d2) Was wird dann aber in der huberschen Theorie aus den Ersparnissen?

Wenn auch langfristige Kredite, wie Huber behauptet, grundsätzlich aus dem Nichts entstehen, dann stellt sich natürlich die Frage, was dann mit dem Geld geschieht, das Sparer auf ihren Sparkonten deponieren? Das Faktum selbst ist ja nicht gut aus der Welt zu schaffen. Da es in das hubersche Konzept der Kreditschöpfung aus dem Nichts aber partout nicht passen will, handelt er es in größter Kürze ab und weist dem Spardepositen eine Rolle zu, die sich radikal von derjenigen unterscheidet, die sie nach orthodoxer Lehre haben. Dieser zufolge repräsentieren die gesamten jährlich neu anfallenden Ersparnisse (eine gewaltige Summe, die sich in Deutschland auf etwa 10% der Gesamteinkommen beläuft) einen volkswirtschaftlichen Realüberschuss, der nicht für den Konsum verwendet wird, sondern für Investitionen bereit gestellt wird.

Huber ist der Meinung, diese Einzahlungen würden den Banken nur als Bar-Reserve dienen, die Banken ja vorhalten müssen, anders gesagt, dienen sie nur als Basis einer darauf begründeten Kreditschöpfung aus dem Nichts.

Und er liefert dann seine Art der Begründung, warum Banken das Geld der Sparer, das sie doch für die Kreditschöpfung gar nicht brauchen, dennoch gerne entgegennehmen. Sein Argument: Da die Habenzinsen, welche die Bank dem Sparer zu zahlen hat, fast immer niedriger als die Zinsen für Interbankenkredite oder für Geld sind, das sie von der Notenbank entleiht, seien Spargelder willkommen, um diese Reserve aufzufüllen (64).

So also erklärt Huber das andernfalls unerklärliche Faktum, dass sich Banken so sehr um das Geld der Sparer bemühen, obwohl sie es seiner Meinung nach für die Kreditschöpfung gar nicht benötigen.

Dies ist Gegensatz Nr. 5 zur orthodoxen Lehre.

Huber: d3) Eine Kreditblase von astronomischen Ausmaßen

Ist sich der Herr Professor der aberwitzigen Konsequenz dieser Behauptung bewusst? Wenn die Deutschen zehn Prozent ihres Einkommens zwar als Spareinlagen zu den Banken bringen, die Banken selbst aber diese Einlagen nur als Reserve verwenden, nämlich als das eine Prozent, über dem sie (je nachdem, welchen „Multiplikator“ man hier einsetzen möchte) z.B. das Neunundneunzigfache dieser Spareinlagen als Buchgeld aus dem Nichts kreieren, dann wäre eine Kreditblase von wahrhaft apokalyptischen Proportionen die Folge.

Eine derartige „Donquichotterie“ – ein Ausdruck, den Huber selbst für die Gegner seiner Lehre bereit hält (44) – kann wohl nur entstehen, wenn ein Geldtheoretiker sich dazu verführen lässt, die monetäre Sphäre losgelöst von der realwirtschaftlichen zu betrachten. Schon die 10% Ersparnis, welche die Bürger im Schnitt ihrem Sparkonto anvertrauen, sind im eigenen Land kaum unterzubringen, weil die Industrie nicht zu Investitionen in der entsprechenden Höhe bereit ist. Ersparnisse fließen deswegen ins Ausland oder werden bis zu einem gewissen Grade nach keyneschem Rezept vom Staat aufgenommen, der dann an Stelle privater Kräfte Investitionen tätigt (was nach Keynes vor all bei einer durch Niedrigzinsen verursachten Liquiditätsfalle notwendig wird). Wozu braucht man da noch eine Kreditblase von astronomischen Ausmaßen, welche Banken angeblich aus dem Nichts erzeugen?

Diese Deutung erscheint doppelt seltsam, wenn man bedenkt, dass Huber Reserven ja letztlich für bedeutungslos hält („Huber: d2“). Wozu weist er dann den Spargeldern die Funktion einer Reserve zu? Solche Widersprüche scheinen Huber nicht zu stören.

Huber: d4) Staatsanleihen

Gegensatz Nr. 6 resultiert aus Hubers Verständnis von Staatsanleihen. Nach orthodoxer Lehre finanziert der Staat seine regulären Ausgaben durch Steuern und seine Mehrausgaben durch Staatsanleihen. Im ersten Fall zieht er gesetzmäßig festgelegte Beträge bei seinen Bürgern ein; im zweiten Fall greift er auf einen Teil des bei ihnen vorhandenen Sparvolumens zu, wobei er den Bürgern dafür in der Regel zwar wenig Zinsen bietet, sie dafür aber mit größerer Sicherheit lockt (das ist zumindest in Zeiten ehrlichen Bankings so gewesen!).

Bei Huber wird auch daraus eine Donquichotterie. Da die Einlagen der Bürger (der in Geld ausgedrückte reale Überschuss) in seiner Theorie der Kreditgeldschöpfung grundsätzlich keine Rolle spielen, schaffen die Bank auch das Geld aus dem Nichts, das sie dem Staat zur Verfügung stellen (49, 81).

Wieder begegnen wir einer aberwitzigen Konstruktion. Denn dass Staatsanleihen als beleihungsfähige Sicherheit gelten, ist natürlich nur einzusehen, wenn sie volkswirtschaftliche Leistung repräsentieren, wie dies in der orthodoxen Theorie vorausgesetzt wird. In der huberschen Theorie muss dies als absurd erscheinen. Ihm zufolge werden sie von den Banken mit Geld aus dem Nichts finanziert, also von ihnen selbst geschaffen. Da kann ihnen keine volkswirtschaftliche Leistung zugrunde liegen.

Unter dieser Voraussetzung ist freilich nicht zu verstehen, warum Gläubiger (Sparer), welche nach orthodoxem Verständnis Staatsanleihen durch ihre Einlagen ganz real finanzieren, mit der Zeit immer reicher, die kommenden Generationen, die dazu gezwungen sind, sie über erhöhte Steuern mitsamt den Zinsen zu tilgen, parallel dazu jedoch immer ärmer werden, sodass ein Staat an hoher Verschuldung schließlich zugrunde geht. Es bedarf schon logischer und theoretischer Pirouetten ganz besonderer Art, um Folgen bis zum Staatsbankrott aus nichts anderem herzuleiten als einer Aufblähung des Nichts! Solche Widersprüche scheinen für Joseph Huber nicht zu existieren.

e) Multiple Kreditgeldschöpfung

Im orthodoxen Verständnis ist – wie den Lehrbüchern zu entnehmen – mit dieser vermeintlichen Geldschöpfung nicht das fraktionale Reservebanking im oben beschriebenen Sinne gemeint (siehe „b1“) sondern Folgendes:

Ein Sparer deponiere 10.000 € bei einer Bank. Diese möge die Summe augenblicklich an einen Kreditnehmer weiterreichen (da die Bank Habenzinsen bezahlt, wird sie im Idealfall die Summe im eigenen Interesse augenblicklich an einen Kreditnehmer weiterreichen, dessen Soll- dann merklich über den Habenzinsen liegen). Der Kreditnehmer kaufe für exakt die gleiche Summe ein Investitionsgut bei einem Hersteller, der für das Geld allerdings gerade keine Verwendung hat und es deshalb seinerseits anlegt, so dass die Bank neuerlich über 10.000 Euro verfüge, die sie nun wiederum an einen Investor weiterreicht, und zwar, wenn es geht, ebenfalls augenblicklich.

Diese Sequenz lässt sich nun endlos wiederholen und im Idealfall findet sie im selben Augenblick statt. Falls die Bank keinen Anteil der jeweils als Ersparnis eingezahlten 10.000 € als Reserve vorhalten muss, wenn anders gesagt, die Reserveanforderung gleich Null ist, könnte sich an einem einzigen Zeitpunkt X das Spar- und Kreditangebot zu einer unendlichen Blase ausweiten! Natürlich geschieht das niemals, und zwar weil die Multiple Kreditgeldschöpfung auf mehreren Denkfehlern beruht.

Denkfehler 1 liegt in der Annahme, hier liege eine Vermehrung der Kredite gegenüber den Einlagen vor. Diese Annahme ist falsch, weil jedem neuen Kredit von 10.000€ eine weitere Ersparnis in derselben Höhe zugrunde liegt. Mit anderen Worten, da wird gar nichts geschöpft und als multipel kann der Vorgang nur insofern gelten, als jeder beliebige Besitzer von Geld oder Empfänger einer Überweisung die entsprechende Summe entweder konsumieren kann oder der Bank auf seinem Giro- oder seinem Sparkonto zur weiteren Verleihung zur Verfügung stellen.

Denkfehler 2 besteht in der manchmal geäußerten Auffassung, dass der einzelne Banker davon nichts wissen könne, weil sich der Vorgang über mehrere Banken erstreckt. Das ist falsch, er kann auf genau gleiche Weise bei einer einzigen Bank stattfinden.

Denkfehler 3 betrifft das zu Anfang eingezahlte Bargeld. Blicken wir uns die Kette genauer an, so ändert sich nichts, gleichgültig ob wir sie mit einer eingezahlten 10.000€-Note beginnen oder irgendwo in ihrer Mitte mit einer Überweisung von Stellvertretergeld, also Giralgeld, weiterführen.

Denkfehler 4 liegt darin, der Kette überhaupt eine Bedeutung zuzusprechen, denn in der Wirkung – gleichgültig ob mit oder ohne Mindestreserve – ist es völlig unerheblich, ob tausend Anleger sukzessive Spareinlagen von 10.000€ tätigen oder ob sie dies unabhängig voneinander gleichzeitig (also außerhalb einer Kette) tun. Wie unter Denkfehler 1 bereits ausgeführt, ist jeder beliebige Besitzer von Geld oder Überweisungsempfänger imstande, der Bank auf seinem Giro- oder Sparkonto die entsprechende Summe zur weiteren Verleihung zur Verfügung zu stellen.

Denkfehler 5 besteht in der irrigen Auffassung, dass sich diese fiktive Kreditgeldschöpfung aus dem Mindestreservensystem (fractional reserve banking) ergibt. In Wahrheit ist sie davon völlig unabhängig. Bis zu diesem Punkt bin ich von einer Reserve Null ausgegangen. Nehmen wir an, dass eine Reserve von 50% gesetzlich verordnet sei, dann könnte die gleiche Gesamtsumme an Ausleihungen aufgrund einer doppelten Anzahl von Einlagen genauso zustande kommen. Sofern aber überhaupt genügend Einleger vorhanden sind, bliebe eine nach oben offene Aufblähung von Krediten in gleicher Art weiterhin möglich. Entsprechend verhält es sich bei allen Reservewerten zwischen 1 und 99.

Eine wirkliche Änderung tritt nur bei einer hundertprozentigen Reservepflicht ein, denn diese würde im Hinblick auf die Girokonten bedeuten, dass alles eingezahlte Bargeld bei der Bank zu verbleiben hätte. Kein einziger Euro Buchgeld dürfte in diesem Fall verliehen werden. Im Falle eines Runs würde der Kunde seinen vollen Einsatz zurückerhalten. Dieser Fall wurde unter Hub-c bereits als ökonomisch außerordentlich kostspielige Stilllegung von Bargeld besprochen. Die Überlegungen zur Multiplen Kreditgeldschöpfung gelten in gleicher Weise für den Girokontenbereich wie für Sparguthaben.*4*

Denkfehler 6: Der entscheidende Fehler dieser innerhalb der orthodoxen Lehre verbreiteten Theorie ist jedoch darin zu suchen, dass man die monetäre Sphäre unabhängig von der realwirtschaftlichen analysiert, so als könnte die erste sich den Zwängen der zweiten entziehen. Im obigen Beispiel sind wir von der Voraussetzung ausgegangen, dass potentiell unendlich viele Auftragnehmer das ihnen überwiesene Geld sofort auf ein Sparbuch legen würden, so dass die Bank es als neuen Kredit verleiht. Das ist aber eine völlig unrealistische Annahme, denn in jeder Wirtschaft ist die Summe aller für Investitionen mobilisierbaren Realüberschüsse begrenzt, und genau dasselbe gilt auch für das Geld, in dem diese Realüberschüsse ausgedrückt werden. Auf einfache Weise gesagt, entspricht dieser Überschuss genau der jeweiligen Sparquote eines Landes. Wenn diese etwa bei zehn Prozent liegt, dann bedeutet dies, dass die Bürger im Schnitt nur etwa jeden zehnten Euro auf ihr Sparkonto bringen und damit als Kredit zur Verfügung stellen. Von einer unendlichen (allenfalls durch Mindestreserven begrenzten) Einlagen- und Kreditsumme, wie das gängige Beispiel der multiplen Geldschöpfungstheorie sie suggeriert, kann also keine Rede sein.

Huber: e) Multiple Kreditgeldschöpfung

Sie ist, wie oben bewiesen, bereits im orthodoxen System eine Chimäre. Schon Helmut Creutz hatte das richtig erkannt, nur war seine Begründung noch unvollständig. Prof. Senf hält sie zwar gleichfalls für illusionär (und entschuldigt sich nach eigener Darstellung sogar bei seinen Studenten, ihnen Jahre lang falsche Weisheiten aufgetischt zu haben), nur habe ich bei ihm keine überzeugende Begründung für seine Ablehnung gefunden

Das alles gilt genauso für die hubersche Lehre. Seine Geldschöpfung aus dem Nichts erfolgt entweder unabhängig von der nicht-existenten Multiplen Kreditgeldschöpfung und unabhängig von der Fraktionalität des Systems – oder sie erfolgt überhaupt nicht.

f) Die stets notwendige Transformation von Buch- in Bargeld

Es liegt im Interesse jeder Bank, eine möglichst hohe Bankmarge zu erzielen, d.h. eine möglichst große Differenz aus den Sollzinsen, die sie den Kreditnehmern abverlangt, und den Habenzinsen, die sie an die Sparer zahlt. Durch die Konkurrenz mit anderen Banken sind diesem Bemühen allerdings enge Grenzen gesetzt. Bei vollkommenem Wettbewerb würde aller Gewinn verschwinden: Die Bankmarge würde bis auf den Betrag zusammenschrumpfen, der zur Aufrechterhaltung des eigenen Betriebs nötig ist, oder auch noch darunter, wenn andere Banken zum Beispiel dazu übergehen, bei ihren Angestellten Gehälter, Pensionen etc. zu kürzen oder die Zahl ihrer Filialen drastisch verringern und den eigenen Betrieb daher mit geringeren Kosten führen.

Nach orthodoxem Verständnis müssen Banken ganz besonders darauf achten, dass ihnen keine Liquidität entgeht. Dieser Gefahr sind alle Banken von A bis Z permanent ausgesetzt, denn eine kreditgebende Bank A hat im Wettbewerb mit anderen Banken ja stets damit zu rechnen, dass einer ihrer Kreditnehmer den ihm gut geschriebenen Girobetrag dazu verwendet, um Güter oder Leistungen bei einem Kunden zu erwerben, der ein Konto bei der Bank Z unterhält. Dort wird dann der diesem Kunden überwiesene Buchgeldbetrag entweder auf dessen Konto gutgeschrieben oder der Kunde behebt ihn in bar. Im zweiten Fall muss die Bank Z unmittelbar auf Bargeld zugreifen, das ihr aber fehlt, da es von keinem Sparer bei ihr eingezahlt wurde, im ersten Fall muss sie Buchgeld (den Stellvertreter des Bargelds) auf dem Konto des Kunden erweitern, das ihr aus dem gleichen Grund ebenso fehlt. In beiden Fällen würde Bank Z eigene Liquidität einbüßen, wenn nicht am Ende des Tages ein Saldoausgleich mit der Bank A stattfinden würde, der in Notenbankgeld zu begleichen ist (auch wenn de facto bei der Notenbank nur eine unbare Verrechnung erfolgt).

Dieser Saldoausgleich trifft auf den gesamten Verkehr zwischen den Banken zu, gleichgültig ob er aus gewöhnlichen Überweisungen von Giro- oder von Spardepositen resultiert.

Natürlich sind spontane Bilanzverlängerungen deshalb nicht ausgeschlossen, also spontane Kreationen von Buchgeld, die nicht durch Bargeldeinzahlungen gedeckt sind. Da diese aber letztlich in Liquidität (gegenüber eigenen Kunden, konkurrierenden Banken oder der Notenbank) zu begleichen sind, kann dies immer nur in kleinem Maßstab erfolgen.

Huber: f) Die stets notwendige Transformation von Buch- in Bargeld bei Huber

Im huberschen System gilt der gleiche Imperativ, der zuvor für das orthodoxe beschrieben wurde. Um Liquiditätsabfluss zu verhindern, müssen die Banken A bis Z am Ende des Tages die Salden unter einander gleichstellen. Andernfalls könnte es geschehen, dass eine von ihnen überwiesenes Buchgeld in Bargeld begleichen muss, das sie nicht hat und deswegen kostenpflichtig am Interbankenmarkt oder von der Notenbank kaufen muss.

Das nicht berücksichtigt zu haben, führt zu Gegensatz 7a, dem Kardinalfehler des huberschen Theoriegebäudes.

Wer zum ersten Mal davon hört, dass Banken eine Geldschöpfung aus dem Nichts betreiben, wird leicht zu der Annahme verführt, dass Banken dieser Möglichkeit wie einer Sucht verfallen, denn das Nichts sei doch – so glauben die meisten – schlechterdings kostenlos.

In Wahrheit trifft das genaue Gegenteil zu. Wenn die Banken – allen huberschen Sirenentönen zum Trotz – Kredite aus Spardepositen erschaffen und eben keineswegs aus dem Nichts, obwohl sie auf dem Wege der Bilanzverlängerung dazu durchaus in der Lage wären, dann aus dem einfachen Grund, weil die Geldschöpfung aus dem Nichts sie schlicht zu teuer kommt! (Huber kennt dieses Argument (64), versucht es aber, wie oben unter „Huber: d2“ gezeigt, mit einer abenteuerlichen Deutung zu eskamotieren).

Huber: f1) Spareinlagen aus dem Nichts zu schöpfen, ist schlicht zu teuer

Diese elementare Tatsache übersehen zu haben, ist unter den vielen anderen bereits genannten der wohl gröbste Fehler der huberschen Theorie. Zwar ist sich ihr Autor durchaus bewusst, dass die Banken sich um das Geld der Sparer reißen, da dieses für sie weit zinsgünstiger ist als das Geld, das sie sich, um sich zu refinanzieren, von anderen Banken oder gar von der Notenbank beschaffen, aber von diesem Wissen macht Huber, wie unter „Huber: d2“ beschrieben, nur den aberwitzigen Gebrauch, dass in seinem System Spareinlagen nicht für Kredite, sondern als Reserve dienen.

Dabei entgeht Herrn Huber der entscheidende Punkt. Nehmen wir an, dass es in einem Land 100 Geschäftsbanken gibt: A1, A2, A3 bis Z1, Z2… Dann wickelt jede einzelne Bank einen Großteil ihres Geschäftes mit den 99 übrigen Banken ab, von denen sie per Saldoausgleich am Ende des Tages jenes Notenbankgeld einfordern muss, das ein Kunde aufgrund von Überweisungen in bar bei ihr abhebt – siehe Beispiel in „f“. Wenn Bank A also der Bank Z per Saldoausgleich einen gewissen Betrag Bargeld gutschreiben muss, weil dieses auf Z von einem Kunden verlangt wird, dann zahlt sie dafür weit weniger, wenn dieses Geld als Spareinlage bei ihr deponiert worden ist. Es kommt sie hingegen weit teurer, wenn sie es stattdessen mit höheren Zinsen als Interbankenkredit oder von der Notenbank ausleihen muss.

Es ist diese Zinsdifferenz, die im Wettbewerb zwischen den Banken über deren ökonomische Wirtschaftlichkeit  entscheidet.

Aus Kostengründen (Refinanzierung) kommt eine Geldschöpfung aus dem Nichts für sie nicht in Frage – auch wenn Bilanzverlängerungen an sich durchaus möglich sind.

Huber: f2) Giroguthaben aus dem Nichts – zu teuer für die Banken!

Diese Richtigstellung gilt nicht nur für die Konkurrenz um die Spareinlagen, die eben deswegen nicht aus dem Nichts geschaffen werden, sie gilt ebenso auch für Girokonten, deren Schöpfung aus dem Nichts sich aus dem gleichen Grund verbietet: wegen der höheren Kosten (Gegensatz 7b zur orthodoxen Lehre).

Betrachten wir zunächst eine stationäre Gesellschaft, wo das Wachstum gleich null, die volkswirtschaftliche Leistung also konstant ist. In diesem Fall würden Banken kein frisches Geld von der Notenbank benötigen, da die vorhandene Geldmenge (aus Bar- und Buchgeld) ja den Anforderungen an eine konstante Kaufkraft genügt. Wann immer Buchgeld bei ihnen aus Bareinzahlungen entsteht (und durch weniger Barabhebungen sogar laufend vermehrt wird, weil die Kunden aufgrund veränderter Zahlungsgepflogenheiten in Zukunft eben weniger Bargeld verwenden wollen), ist dieser Zuwachs im Verkehr mit konkurrierenden Banken für sie praktisch kostenlos. Andererseits kostet es die Banken sehr viel mehr Zinsen, wenn sie stattdessen Buchgeld aus dem Nichts kreieren, denn dann sind sie gezwungen, bei Überweisungen an konkurrierende Banken den Saldoausgleich mit geliehenem Interbanken- oder Notenbankgeld abzuwickeln, das sie nur zu höheren Zinssätzen erhalten. Wieder ist es die Konkurrenz zwischen den Banken, welche die Geldschöpfung aus dem Nichts verbietet.

Daran ändert sich praktisch nichts, wenn wir eine Gesellschaft mit wachsendem Sozialprodukt, also steigender volkswirtschaftlicher Leistung, betrachten, wo die Notenbank die Wirtschaft mit frischem Geld versorgen muss, um einer Deflation vorzubeugen. Zwar sind die Banken in diesem Fall unausweichlich dazu gezwungen, den höheren Zins (die höhere „Steuerungsgebühr“) für dieses frische Geld an die Notenbank zu entrichten. Da dessen Menge im Vergleich zum vorhandenen Geld aber verschwindend gering ist, fällt das für sie kaum ins Gewicht (die volkswirtschaftliche Leistung selbst wächst ja bestenfalls auch nur um ganz wenige Prozent). Ins Gewicht fallen würde für sie nur, wenn sie, wie vorher beschrieben, auch normales Buchgeld aus dem Nichts, d.h. zu hohen Kosten, statt aufgrund von Bareinzahlungen erzeugen würden.

Nur für einen einzigen Fall kann ich mir eine ökonomisch lohnende Kreation von Buchgeld aus dem Nichts vorstellen. Nämlich dann, wenn Banken aus der kurzfristigen Entleihung von Girogeld eine so hohe Zinsmarge lukrieren, dass sie damit mühelos jene Mehrkosten bestreiten, die ihnen bei Geldschöpfung aus dem Nichts im Verkehr mit konkurrierenden Banken daraus erwachsen, dass sie frisches Geld von anderen Banken oder der Notenbank beziehen (diesen immerhin denkbaren Fall scheint Huber nicht zu berücksichtigen). Diese Möglichkeit scheint allerdings eher der Theorie anzugehören, denn auf Giro- oder Sparkonten eingezahltes Bargeld bleibt ja auch dann noch die für sie günstigste Alternative. Außerdem sollte eine funktionierende Konkurrenz die Zinsmarge so weit drücken, dass eine solche Möglichkeit in der Praxis kaum in Frage kommt. Ist die Konkurrenz allerdings defekt, sollte der Staat korrigierend eingreifen, z.B. indem er eine gesetzliche Obergrenze für die Zinsmarge festlegt, um Buchgeldschöpfungen aus dem Nichts zu unterbinden.

Fazit:

Wie eingangs gesagt, ist bei wissenschaftlichen Theorien, deren Aussagen nach popperschem Kriterium falsifizierbar sind, demnach also richtig oder falsch sein können, das Kriterium 4 der sachlichen Kompetenz im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Theorie für die Beurteilung entscheidend. Ist eine Theorie auf Treibsand gebaut, dann mögen die Kriterien 1 bis 3 noch so hohe Werte aufweisen, die Theorie hat so wenig Wert wie die schönste mathematische Gleichung, wenn sie ein falsches Ergebnis liefert.

Im Fall des huberschen Gedankengebäudes muss man sogar noch einen Schritt weiter gehen. Seine Ausführungen zum Thema Geld sind schädlich, weil sie vorhandene richtige Einsichten durch falsche (Fehler von 1 bis 7) ersetzen und nur umso mehr Verwirrung erzeugen, als das hier kritisierte Buch im Hinblick auf die Kriterien 1 bis 3 einen hohen Rang beanspruchen darf.

Es ist verständlich, dass Hubers Gedanken (aber auch die von Norbert Häring, die ihrerseits auf Murray N. Rothbard gründen, einem Schüler von Ludwig von Mises) eine Gefolgschaft faszinieren, für welche die wichtigste Wirtschaftsreform in der Beseitigung der Geldschöpfung aus dem Nichts besteht. Diese Faszination erklärt sich aus den vielen Finanzskandalen, welche das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bankensystem in den vergangenen Jahren stark erschütterten und in Zukunft aufgrund der derzeitigen Politik der EZB wohl noch stärker erschüttern werden. Aber es kommt darauf an, die richtigen Ursachen für dieses Versagen zu finden, statt es mit Strohtheorien zu bekämpfen.

Eine unter den richtigen Ursachen für die zunehmende Konzentration des Reichtums in wenigen Händen haben Silvio Gesell, Helmut Creutz und Gero Jenner gefunden und zu quantifizieren versucht. Huber kennt zumindest die Texte der beiden ersten, aber die richtigen Ursachen interessieren ihn nur am Rande; Gesell und Creutz werden nur beiläufig erwähnt, denn Huber besteht darauf, alle Missstände aus der vermeintlichen Geldschöpfung  dem Nichts herzuleiten. Seine Kritik an Gesell ist oberflächlich (166), obwohl man zugeben muss, dass die Einführung eines sogenannten „Schwundgelds“ in großem Maßstab niemals realistisch war, weil der dazu nötige administrative Aufwand von vornherein abschreckend wirkt. Das alles hat sich geändert, seitdem das Geldsystem in wachsendem Tempo von Bar- auf Buchgeld umgestellt wird. Die zunehmende Konzentration des Reichtums aufgrund eines parasitären Transfers von unten nach oben lässt sich heute wirksam bekämpfen.

Huber weiß das alles; natürlich hat er die Zahlen parat, mit denen er so gut wie jeder von uns belegt, dass die Reichen immer reicher, die Armen ärmer werden. Er weiß sehr wohl, dass dieses Faktum sich mühelos aufgrund von Spardepositen und Krediten erklären lässt, durch Kreditschöpfung aus dem Nichts aber nur unter den größten intellektuellen Verrenkungen – trotzdem hüllt er die Fakten systematisch in die Nebel einer von ihm gegen alle Logik verteidigten Theorie. Die richtigen Lösungen versucht er zu diskreditieren, um einer falschen zum Sieg zu verhelfen.

Es ist diese intellektuelle Unredlichkeit, die an Hubers Arbeit befremdet. Der Autor von „Monetäre Modernisierung“ ist hervorragend belesen; er kennt alle Einwände und Gegenargumente, doch sein ganzes Wissen dient dem einzigen Zweck, seine Theorie gegen alle Bedenken durchzupauken, eine Theorie, die – wenn sie denn stimmen würde – tatsächlich eine Revolution bedeuten würde, da sie das bisherige Auffassung der Entstehung und Verwendung von Geld geradezu auf den Kopf stellt.

 

Anmerkungen:

1 Während King mit seiner Erörterung des Geldschöpfungsproblems in dem oben genannten Artikel den Leser zu überzeugen vermag, fällt er in einer neueren Darstellung von 2016 („Wer schafft Geld?“) in die traditionelle Argumentation zurück, weil er den gleichen Fehler begeht, dessen sich die Zentralbanken typischerweise schuldig machen, wenn sie Sparguthaben und Wertpapiere  (gemeinsam mit M1 – M3) unter der Bezeichnung Geld (M4) zusammenfassen. Mr. King sieht sich dann natürlich dem Problem gegenüber, wie denn eine so gewaltige Menge an „Geld“ entstehen könne? Er scheint zu vergessen, dass Sparguthaben und Wertpapiere nicht mehr als Geldforderungen sind, aber keinesfalls Geld (sonst würde meine persönliche Villa ein größeres Anrecht darauf besitzen, als Geld gezählt zu werden als mein Sparbuch, denn sie lässt sich leichter in Bargeld umwandeln!).

Die Geldmenge (M1) steht in der Regel in einem festen Verhältnis zum BIP, während die in M4 enthaltenen Guthaben-Schulden zu beliebigem Umfang anschwellen können. Wie oben – unter „d1“ – erläutert, bilden die beiden unabhängige Variable. Alle Versuche, aus der Beobachtung der quantitativen Größe von Sparguthaben und Wertpapieren irgendwelche Folgerungen im Hinblick auf die Geldschöpfung abzuleiten, sind aus diesem Grund zum Scheitern verurteilt.

2 Die Fraktionalität des Systems sollte man im Hinblick auf ihren Sinn erörtern, unabhängig von ihrer praktischen Durchführung, die in jedem Land und Bankensystem anders geregelt wird. Zum Beispiel kann Reserve theoretisch bedeuten, dass ein bestimmter Bruchteil der Bareinzahlungen von der Bank zum Schutz der Gläubiger einbehalten wird (63). Ebenso kann damit aber gemeint sein, dass die Bareinzahlungen selbst zwar in vollem Umfang für Kredite zur Verfügung stehen, aber neben ihnen eine Reserve aufgebaut werden muss, die einem bestimmten Bruchteil der Einlagen entspricht. Dabei sind Reserven und Eigenkapital logisch nicht eindeutig voneinander zu trennen. Sinnvoll von einer prozentuellen Reserve zu sprechen, ist es nur deshalb, weil die Größe einer Bank, sprich ihre Bilanzsumme, letztlich darüber entscheidet, wie hoch ihre Reserven bzw. Eigenkapital ausfallen sollten. In diesem Sinne ist es daher begreiflich, beide als Fraktion der Bilanzsumme zu definieren.

3 Diese Zusammenhänge nicht richtig erkannt zu haben, ist der Fehler von Wolfgang Eichhorn und Dirk Solte und ihrem Konzept des Schwellgelds (Das Kartenhaus Weltfinanzsystem, Bonn 2010). Im Vergleich mit „Monetäre Modernisierung“ ist schwer zu sagen, welches der beiden Werke die abenteuerlichsten Thesen vertritt. In Letzterem schwillt das Geld aus dem Nichts, in Ersterem wird es daraus geschöpft.

4 Die fiktive Multiple Kreditgeldschöpfung lässt sich sowohl auf das in Girokonten geparkte Geld wie auf die Spareinlagen anwenden. Wirklich interessant ist in beiden Fällen eine hundertprozentige Reserve, die im Falle der Girokonten 100% Money bedeuten würde oder ein Vollgeld, wie es im herrschenden System theoretisch möglich wäre (also keineswegs als Antwort auf die von Huber vorausgesetzte Geldschöpfung aus dem Nichts). Da mehr als 90% von allem Geld als Buchgeld Girokonten durchläuft, müsste eine ebenso hohe Summe als Bargeld vorgehalten werden. Für die Banken, ihre Kunden und die Volkswirtschaft wäre das allerdings, wie oben gezeigt, eine überaus teure Lösung.

Im Hinblick auf Spareinlagen wäre eine hundertprozentige Reserve nicht einmal vorstellbar, denn die Höhe der Guthaben (bzw. der diesen entsprechenden privaten + öffentlichen Schulden) übertrifft in vielen Staaten bereits das Sozialprodukt. Diese Summe als Reserve bzw. Eigenkapital vorzuhalten, ist schlechterdings unmöglich. Dagegen wird eine nahezu äquivalente Lösung im herrschenden System bereits praktiziert. Sie besteht darin, Kredite nur mit gleichwertiger Besicherung (durch Immobilien etc.) auszugeben, sodass die Bank bei einem Kreditausfall auf wertgleiche Sicherheiten zugreifen kann, um die Einlagen der Sparer (die Gläubiger) damit zu bezahlen.