Für eine soziale Geldreform!

(auch erschienen in fbkfinanzwirtschaft)

Die sogenannte Geldschöpfung aus dem Nichts, von manchen fälschlich als größtes Übel beschworen, ist entweder inexistent oder lässt sich durch vorhandene gesetzliche Kontrolle wirksam verhindern. Diese Kontrolle ist aber völlig unzureichend, wenn es um andere Gebrechen geht, die das herrschende Geldsystem nicht nur imaginär, sondern ganz real bedrohen.

Geldwertstabilität

Ludwig von Mises betont, wie wichtig es sei, den objektiven Tauschwert des Geldes zu sichern; denselben Sachverhalt würden wir heute als Erhaltung der Geldwertstabilität bezeichnen. Diese war von jeher aus zwei Richtungen gefährdet, durch Inflation – wenn das Geld seinen Wert verliert, man also mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwirbt -, oder durch Deflation, wenn sein Wert steigt, was keineswegs so erfreulich ist, wie es auf den ersten Blick scheint. In einer modernen Wirtschaft, wo Staat und Unternehmen in der Regel hoch verschuldet sind, wird Deflation zur akuten Gefahr, da beide dadurch gezwungen sind, ihre Schulden mit einem viel höheren Güteraufkommen zu begleichen. Das treibt Unternehmen reihenweise in den Bankrott.

Alles Geld ist gut, so lange Preisstabilität besteht

Solange Geldwertstabilität gewährleistet bleibt, ist es völlig ohne Belang, welche Natur das umlaufende Geld besitzt: Es kann aus Edelmetall bestehen, aus Banknoten oder aus Eintragungen auf einem Konto, also nach Ludwig von Mises Sachgeld oder Zeichengeld sein. Bekanntlich strebt die ganze Welt danach, von den USA die Leitwährung Dollar zu bekommen, obwohl sie bei diesem Handel nur Papier ohne jeden inneren Sachwert gegen werthaltige Waren tauscht. Für alle Beteiligten stellt dieser merkwürdige Handel so lange kein Risiko dar, wie die USA darauf achten, dass der Dollarwert einigermaßen stabil bleibt. Amerika darf sich also weder durch Gier dazu verleiten lassen, immer größere Mengen wertlosen Papiers gegen wertvolle Güter in Umlauf zu bringen – also den Dollar zu inflationieren -, noch darf es das Gegenteil tun, indem es zu wenige Dollars hergibt. Die daraus hervorgehende Deflation würde nicht nur Amerikas eigenen Industrien schaden, sondern auch den Status des Dollars als Weltleitwährung gefährden. Solange die USA auf die Stabilität des Dollars achten, steht dieser in einem festen Verhältnis zu der dadurch von jedermann abrufbaren volkswirtschaftlichen Leistung. Eine weitere Besicherung des Papiers ist überflüssig und findet deswegen auch nicht mehr statt, seit Nixon im Jahre 1971 den Goldstandard aufkündigte.

Die einzig reale Gefahr besteht in einem plötzlichen Zusammenbruch der US-amerikanischen Wirtschaft (als der Basis der volkswirtschaftlichen Leistung!). Dann – aber auch nur dann – hätten die Großbesitzer von Dollardevisen einen gewaltigen Vorteil, wenn sie von den USA Barren von Gold für das in einer solchen Situation stark entwertete Papier einfordern könnten. Doch gerade in einem solchen Fall darf man wohl absolut sicher sein, dass weder die USA noch ein anderer Leitwährungsträger sich dazu bereit finden würden, ihr Gold – falls vorhanden – auch wirklich abzutreten. Der Grund für die Aufgabe des Goldstandards im Jahre 1971 ist ja eine solche wirtschaftliche Englage gewesen.

Wer kreiert das Geld?

Das System einer ausschließlich durch die volkswirtschaftliche Leistung besicherten Zeichengeldwährung ist unter Friedensbedingungen völlig verlässlich. Seine Gefährdung liegt nicht in der Besicherung (Deckung), sondern in der Herkunft des Geldes. Wer darf Zeichengeld, also Dollar, Euro etc. kreieren, wer wacht über seinen Tauschwert, wer hat es in der Hand, den Tauschwert durch Inflation oder Deflation zu verändern? Liegt dieses Privileg ausschließlich in öffentlicher Hand, sodass letztlich eine dazu von der Allgemeinheit beauftrage Instanz über die Geldwertstabilität entscheidet oder ist es privaten Kräften (auch privaten Banken) erlaubt, den Wert des Geldes zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen oder gar zu manipulieren?

Private Akteure

Geldmanipulation durch private Kräfte ist so alt wie das Geld selbst, wobei der gängige Fall natürlich in dessen Fälschung besteht. Die Allgemeinheit hat dagegen von jeher die allerhärtesten Straften verhängt. Zu Recht hat sie in der Kreation von Geld auf dem Wege der Fälschung, also in der Erzeugung von Geld, das durch keine äquivalente volkswirtschaftliche Leistung gedeckt ist, eine fundamentale Schädigung ihrer Interessen erblickt.

Das würde natürlich genauso gelten, wenn sich die Rivalen der USA: China, Russland oder die Europäische Union, erlauben würden, ihren privaten Banken die Kreation von Dollars, Euro etc. aus dem Nichts zu gestatten. Die USA müssten eine derartige Fälschung genauso unnachsichtig verfolgen wie die von „Dollar-Blüten“. Umso auffallender ist es, dass die Regierung der USA, so misstrauisch sie sonst die übrige Welt im Auge behält, einen derartigen Vorwurf noch nie erhoben hat. Offenbar ist sie sich hinreichend sicher, dass wirklich nur ihre Notenbank, die Federal Reserve, Dollar schafft und in Umlauf bringt.

Inflationen haben ihre Ursache bei den Notenbanken

Eine private Vermehrung des Dollars sowie anderer Währungen scheint also nicht zu den Problemen zu gehören, die den Währungshütern ernsthafte Sorgen bereiten. Gegen Banknotenfälscher bringt der Staat die ganze Macht von Polizei und Justiz in Stellung, die private Kreation aus dem Nichts aber bekümmert ihn begreiflicherweise überhaupt nicht, solange sie sich ausschließlich in den Köpfen einer Handvoll von Theoretikern ereignet.

Notenbanken haben es also grundsätzlich in der Hand, Inflationen zu verhindern. Sie können zum Beispiel Chinas Bedarf an Dollars (womit dieses Land seinen internationalen Handel bestreitet) dadurch begrenzen, dass sie im Gegenzug für ihr Papier immer mehr oder immer hochwertigere Waren verlangen. Auf diese Weise vermag die Währungsbehörde die Verbreitung von Dollars außerhalb der USA zu steuern. Aber im eigenen Land ist das ebenso wirksam möglich, indem sie die Ausgabe von Dollars gegen Pfänder (d.h. gegen volkswirtschaftliche Leistung) mit immer höheren Steuerungsgebühren belegt. Das System funktioniert, weil im Prinzip die Notenbank der einzige Ursprung von Geldentwertungen bleibt.

Was können Notenbanken gegen Deflationen unternehmen?

Wie verhält es sich aber mit Geldwertsteigerungen oder Deflationen, welche bei Wirtschaftsfachleuten zu Recht als viel gefährlicher gelten? Natürlich tritt das Gegenbild zum privaten Fälscher, der irgendwo in einem verborgenen Keller Blüten erzeugt, hier nicht als privater Geldvernichter in Erscheinung, also in Gestalt eines Wahnsinnigen, der sich darauf versteift, Geldscheine zu verbrennen. Aber Geldvernichtung ereignet sich auch, ohne dass dabei eine physische Zerstörung stattfinden muss. Sie findet genauso statt, wenn Geld für längere Zeit aus dem Umlauf gezogen wird. Auch in diesem Fall entspricht die zirkulierende Menge des Geldes nicht mehr der zirkulierenden Leistung. Die gefürchtete Aufwertung findet mit gleicher Unausweichlichkeit statt.

Diese Art des Umlaufentzugs ist aber ein auf der ganzen Welt überaus verbreitetes Phänomen. Man nennt es Hortung. Wie sehr das Geldhorten sich inzwischen wieder zu einem ernsten Problem entwickelt, beweisen entsprechende Schätzungen: Etwa zwei Drittel der in Deutschland vorhandenen Bargeldbestände dienen der Hortung (das vermutet Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank in einer Rede, gehalten am 13. April 2016 in Berlin). Noch größer dürfte der Anteil der im Ausland gehorteten Bargeldbestände sein.

Horten wird aus den unterschiedlichsten Motiven betrieben; stets macht es sich aber den Umstand zunutze, dass es eine überaus bequeme Speicherung und Bewahrung großer Werte auf kleinstem Raum und über unbegrenzte Zeitspannen erlaubt.

Gegen Deflationen können Notenbanken nur mit großem Risiko einschreiten

Unter den Bedingungen des herrschenden Geldsystems sind Notenbanken gegen private Geldhortung zur Ohnmacht verdammt. Es nützt ja nichts, wenn sie durch eine größere Kreation von Geld das Defizit auszugleichen und damit den normalen Geldwert wieder herzustellen versuchen. Nicht nur, dass viele der neuen Scheine aufgrund der Erwartung weiterer Wertsteigerung ebenfalls in den Tresoren verschwinden und die Deflation dann kaum gelindert wird; noch schlimmer ist es, dass bei einem Umkippen der Situation, wenn also das Geld aufgrund irgendwelcher wirtschaftlicher Einbrüche plötzlich wieder im Werte sinkt, die gehorteten Mengen auf einmal den Markt überfluten, weil jeder damit rechnet, dass es sonst in kurzer Zeit wertlos wird. Das ist dann eine wirkliche Inflation, der die Notenbank ohnmächtig zuschauen muss.

Köchelnde Inflation

Gegen eine solche Gefahr haben die Notenbanken bisher nur ein einziges Mittel gefunden. Um Geldhortung, wenn nicht zu unterbinden, so doch in erträgliche Grenzen zu setzen, halten sie eine Inflation der Währung auf kleiner Flamme fortwährend am Köcheln (in der Regel in einem Ausmaß von zwei bis drei Prozent jährlich). Dieser stetige Wertverlust hindert die Besitzer kriminell erworbenen Geldes zwar gewiss nicht daran, dieses weiterhin außerhalb des Bankensystems zu parken, zumindest ist es dann aber weniger wahrscheinlich, dass der Normalbürger sein Geld unter der Matratze versteckt. Er wird überflüssiges, für den Konsum nicht benötigtes Geld stattdessen bei einer Bank als Spargeld anlegen. Wenn diese ihm dafür Zinsen gewährt, ist damit sowohl ihm selbst gedient wie auch der Volkswirtschaft, denn alles als Ersparnis bei ihr deponierte Geld wird von der Bank ja umgehend an Kreditnehmer ausgeliehen. Dadurch ist die wichtigste Forderung an das Geld erfüllt: Es bleibt der Zirkulation erhalten.

Die drei Grundübel des gegenwärtigen Systems: inflationär, instabil und unsozial

Der Nachteil dieses Arrangements liegt gleichwohl auf der Hand. Nicht nur, dass die Inflation sozusagen in das System eingebaut ist – wie der sprichwörtliche Zahn der Zeit nagt sie beständig an unserem Geld. Hinzukommt, dass die verordnete Inflation unter bestimmten Bedingungen ihren Zweck gar nicht länger erfüllt. Wenn die Zinsen, wie gegenwärtig der Fall, niedrig oder gar negativ sind, bläht sich das Volumen der Hortungen trotzdem auf, da niemand verliert, wenn er sein Geld, statt es auf die Bank zu bringen, doch bei sich zu Hause in einem Tresor verwahrt.

In diesem Fall wird das System instabil: Es kann ebenso leicht in die Deflation umschlagen wie in deren Gegenteil: die Inflation (wenn nämlich, wie zuvor beschrieben, gehortetes Geld in großen Mengen auf den Markt zurückströmt). Die Notenbank, welche die Interessen der Allgemeinheit vertreten soll, hat die Kontrolle über die zirkulierende Geldmenge de facto verloren. Darüber wird in einer solchen Situation nur noch von privaten Akteure entschieden.

Eine zusätzliche Gefahr liegt darin, dass die Geschäftsbanken aufgrund niedriger oder überhaupt auf Null gefallener Zinsen so wenig verdienen, dass viele von ihnen dem Bankrott ausgesetzt sind (wie gegenwärtig vor allem in Südeuropa der Fall).

Die soziale Schieflage

Der größte Nachteil des herrschenden Geldsystems ist mit diesen Gefahren aber noch gar nicht benannt. Diese Gefahr entspringt der sozialen Schieflage, die es von sich aus produziert, und zwar unausweichlich. Wer hat dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird zusätzlich auch noch genommen.

Das hängt mit den unterschiedlichen Konsum- und Ersparnisanteilen von Reich und Arm zusammen. Je größer die Einkommen und Vermögen, umso geringer der Anteil der auf sie entfallenden Konsumausgaben, umso größer dagegen der Sparanteil. Auf die Produkte des Konsums, d.h. auf deren Preise, wälzen die verschuldeten Unternehmen aber die Zinsen über, die sie für die erhaltenen Kredite bezahlen (fast alle sind hochverschuldet).

Das hat eine doppelte, die soziale Spaltung in Arm und Reich stetig verstärkende Wirkung. Die Armen mit ihrem relativ großen Konsumanteil tragen verhältnismäßig mehr an der Zinslast in den Produkten, bekommen aber aufgrund ihres relativ kleinen Sparanteils wenig von den daraus fließenden Zinsen zurück; bei den Reichen ist es genau umgekehrt. Das System ist von sich aus ungerecht und unsozial.

Das soziale Geldsystem wurde längst erfunden

Dabei wurde das Rezept längst gefunden, wie man zugleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Einerseits verteuert man Hortungen so sehr, dass sie sich auf ein Minimum beschränken und die Notenbank daher niemals die volle Kontrolle über den Geldumlauf verliert. Anderseits modifiziert man das Zinssystem so, dass es den Graben zwischen Arm und Reich nicht mehr zu vergrößern vermag.

In einem System rein digitalen Geldes bedarf es dazu nur einer kleinen administrativen Korrektur. Alles auf Girokonten verbuchte Geld unterliegt einem negativen Zins, so dass jeder bestrebt ist, es möglichst schnell für den Konsum zu verwenden. Alles Geld hingegen, das über den mutmaßlichen Konsumbetrag hinausschießt, sagen wir, alles Geld, das am Monatsende einen bestimmten Maximalbetrag übertrifft, wird automatisch auf ein Sparkonto umgebucht – und ist dort nicht länger mit Negativzinsen belastet. Es bleibt also in seinem vollen Wert erhalten, gleichgültig welche zeitliche Bindung für die Ersparnis gilt. Die Bank, die es an ihre Kunden, die Kreditnehmer verleiht, wird ihrerseits von diesen nur so viel an positiven Zinsen verlangen, wie sie zur Begleichung ihrer Betriebskosten braucht.  Kreditnehmer werden daher nur noch mit einem Bruchteil des früheren Zinses belastet, sodass davon auch nur noch ein Bruchteil auf die Produkte abgewälzt wird. Der Zinsfluss von unten nach oben wird auf ein Minimum reduziert.

Eine längst fällig Reform

Abgesehen davon, dass eine physische Hortung von Geld in einem rein digitalen System ohnehin nicht mehr möglich ist, kommt auch die digitale Hortung auf einem Girokonto nur noch in geringen Mengen in Frage, zumal sich die Negativzinsen proportional zur Masse des geparkten Geldes vergrößern lassen. Einkommensschwache Schichten würden von diesem Zins praktisch nicht betroffen sein. Hortungen gehören der Vergangenheit an, aber ebenso auch die von den Notenbanken verordnete, stetig dahinköchelnde Inflation, die im gegenwärtigen System ihrer Eindämmung dient.

Noch bedeutsamer ist der weitere Vorteil eines neuen, sozialen Geldsystems. Das größte Übel des herrschenden Systems, nämlich dass es die einen durch den Zinsfluss beständig reicher, die anderen stetig ärmer macht, dieses Übel wird durch die hier beschriebene Reform mit einem Schlag beseitigt. Wer viel Geld hat, kann sich nicht länger, wie heute der Fall, auf Kosten der wenig Verdienenden bereichern. Einbußen haben aber auch die Reichen nicht zu verzeichnen. Ihr Geld bleibt ihnen, sobald sie es vom Giro- auf das Sparkonto überweisen, in voller Höhe erhalten.

Der Teufel steckt in den Mächtigen

Wie immer steckt der Teufel in den Details, von denen ich hier absichtlich nicht geredet habe, da es mir einzig darum geht, den Grundgedanken dieser sozialen Reform mit größtmöglicher Klarheit zu umreißen. Der noch weit größere Teufel aber ist sicher nicht das Detail, sondern das Interesse der Mächtigen. Würden sie an einer solchen Umstellung Freude finden?

Ganz gewiss nicht. Bevor das geltende System nicht die Massen auf die Barrikaden treibt, ist an eine soziale Reform des Geldes schwerlich zu denken. Da kann man noch eher die Geldschöpfung aus dem Nichts abstellen, da es sie ohnehin nicht gibt!