Israel und Ukraine – Über Fürsten- und Glaubenskriege

Die Genfer Konvention von 1949 hat Kriegsverbrechen definiert, indem sie spezifische Regeln aufstellte, wie Kriege keinesfalls geführt werden dürfen. Die Schonung der Zivilisten steht da an erster Stelle. Diese Übereinkunft war ein großartiger Versuch, der Humanität zum Sieg zu verhelfen. Das Bemühen war allerdings von vornherein zum Scheitern verdammt.

Bis etwa zum Beginn der industriellen Revolution lagen Fürsten permanent miteinander im Krieg. Kriege dienten der Erweiterung ihrer Macht. Man besiegte gegnerische Truppen, um auf diese Weise das eigene Territorium und die eigene Nahrungsbasis zu vergrößern. Es war nicht im Interesse dieser Herren von Gottes Gnaden die Nahrungsbasis selbst zu vernichten, also die achtzig bis fünfundneunzig Prozent der Nahrung erzeugenden Bauernschaft auf dem Lande. Nicht selten hatten die Bauern zwar unter gegnerischen Besatzungen furchtbar zu leiden, von ihren eigenen Herren wurden sie zudem regelmäßig bis aufs Blut ausgequetscht (siehe Huizinga: Herbst des Mittelalters), aber keiner der Kriegsherren sah es auf ihre Vernichtung ab. So blieb die zivile Bevölkerungsmehrheit damals einigermaßen geschützt.

Neben den Kriegen der Fürsten, die sich zwischen Rittern oder Söldnern abspielten und im Hinblick auf die Zahl der Opfer vergleichsweise harmlos waren, gab es aber schon immer, und gibt es bis heute, die Glaubenskriege. Die christlichen Kreuzfahrer sind in Palästina knietief durch Blut gewatet, weil Muslime Heiden waren und damit von Gott ohnehin zur Hölle verdammt. Etwas später fielen die Muslime in Indien ein und haben dort noch ärger als die christlichen Kreuzfahrer gewütet. „Die muslimische Eroberung Indiens,“ so sagt es der große US-amerikanische Historiker Will Durant, „ist wahrscheinlich das blutigste Ereignis der Weltgeschichte. Es ist eine entmutigende Geschichte, weil es die offensichtliche Einsicht vermittelt, dass die Zivilisation stets gefährdet ist.“ Von Sultan Ahmad Shah ist überliefert, dass er jedes Mal drei Tage lang feierte, wenn die Zahl der an einem Tag hingeschlachteten Hindus die Marke von zwanzigtausend übertraf.

Der Krieg gegen die Ukraine war zu Anfang ein klassischer Fürstenkrieg. Ein russischer Diktator, namens Wladimir Putin, der mit Zbigniew Brzeziński, dem Verfasser des Buches „Das Große Schachspiel“ darin einer Meinung ist, dass Russland ohne die Ukraine kein Imperium mehr sei, entschied, dass dieses Land wieder unter die Herrschaft Russlands kommen müsse. Aus der Sicht Putins schien das zunächst auch ziemlich einfach zu sein. Er selbst hatte die Ukrainer zunächst noch „russische Brüder“ genannt, deren gottgegebenes historisches Schicksal darin besteht, sich der russischen Führung zu unterwerfen. Erstaunlich für Russland ebenso wie für den Rest der Welt war es dann aber, dass die Ukraine sich ihrer Einverleibung schon während der ersten Tage des Überfalls mit aller Kraft widersetzte. Das wiederum führte zu einem Sinneswandel des russischen Diktators. Aus dem Fürsten- wurde ein Glaubenskrieg – äußerlich daran erkennbar, dass aus den ukrainischen Brüdern und Schwestern nun Faschisten und Neofaschisten wurden, gegen die ein Ausrottungskrieg geführt werden darf.

Ein Glaubenskrieg ist auch der Kampf, den der Iran und seine Handlanger, Hamas und Hisbollah, gegen Israel führen. Der Iran wird von Israel nicht bedroht, er hat auch keine gemeinsamen Grenzen mit diesem Land. Die üblichen Gründe für einen Krieg sind in diesem Fall nicht vorhanden. Allerdings ist das schiitische Mullah-Regime ein Paria innerhalb der Mehrheit sunnitischer Länder. Indem es den Hass auf Israel schürte und seinen Vasallen Waffen zu dessen Vernichtung verschaffte, erzwang es sich die Anerkennung der muslimischen Welt. Diese Chance schien aber vertan, als Israel mit den meisten seiner muslimischen Nachbarn diplomatische Beziehungen und damit ein normales Verhältnis begründete. Um neuerlich einen Keil zwischen Israel und die islamische Welt zu treiben, hetzte der Iran daher die Hamas zu ihrem blutigen Anschlag vom 7. Oktober auf – die Folge war eine Orgie von hemmungsloser Brutalität. Trotz aller Härte gegen die Muslime im Westjordanland und der Übergriffe der jüdischen Siedler hat das säkulare Israel niemals einen Glaubenskrieg gegen seine muslimischen Nachbarn geführt, sieht man einmal von einer Minderheit rechter Fanatiker und orthodoxer Juden ab.

Warum geht das Land Israel dennoch mit kompromissloser Härte gegen seine Angreifer vor? Warum mussten schon mehr als zehntausend Zivilisten in Gaza sterben?

Der Krieg Israels gegen seine Feinde fällt in eine besondere Kategorie. Er ist weder ein Glaubens- noch ein Fürstenkrieg sondern hier kämpft ein hochmoderner demokratischer Zwergstaat schlicht um sein Überleben. Die Genfer Konvention hat die Bombardierung von Hospitälern, Schulen und anderen zivilen Einrichtungen zu einem Kriegsverbrechen erklärt. Da Israel derartige Ziele in großem Maßstab vernichtet hat, werden zunehmend Rufe laut, Israel wegen Kriegsverbrechen zu verklagen. Die idealistischen Verfasser der Konvention haben nicht vorausgesehen, dass die Bombardierung ziviler Einrichtungen zu einem Überlebensimperativ werden kann.

Denn die Verletzung der Konvention wird dann unumgänglich, wenn der Feind zivile Einrichtungen bewusst dazu benutzt, um Raketenbasen oder eigene Kommandozentralen darin zu verstecken. Wird die eigene Bevölkerung dem feindlichen Militär bewusst als Schutzschild und Geisel preisgegeben, wer ist dann schuld, wenn ein Hospital bombardiert wird – der berechnende Geiselmacher oder der Feind, der die militärische Basis vernichtet, aber damit zugleich auch die Menschen, die dabei als lebender Schutzschild missbraucht worden sind? Wie immer man die Bestimmungen der Genfer Konvention auch drehen und wenden mag, der Missbrauch der eigenen Zivilbevölkerung durch Hamas und Hisbollah ist nicht weniger unmenschlich als die durch den Gegner eben dadurch erzwungene Auslöschung unschuldiger Frauen und Kinder. Es ist zu befürchten, dass dieser Missbrauch von Zivilisten als lebendiger Schutzschild für militärische Einrichtungen künftigen Kriegen zur Norm werden wird.

Fürstenkriege sind in unserer Zeit selten geworden, sieht man von dem neuen Zaren Wladimir Putin ab, der sich weiterhin bemüht, die ehemaligen sowjetischen Vasallenländer, die inzwischen zu selbständigen Staaten wurden, mit einer Vielzahl von Verträgen allmählich wieder unter das russische Joch zu zwingen (weil der Zusammenbruch der Sowjetunion aus seiner Sicht „die größte Katastrophe der zwanzigsten Jahrhunderts“ war). In demokratischen Staaten liegt die Macht nicht länger bei einem Zaren oder Herrscher von Gottes Gnaden sondern bei den gewählten Vertretern des Volks. Der seit der industriellen Revolution aufkommende Nationalismus musste aus dem früheren Krieg der Fürsten daher einen Krieg der Völker machen, der dann die typische Färbung von Glaubenskriegen besitzt. In den Augen ihrer jeweiligen ideologischen Feinde wird gegnerischen Nationen seitdem pauschal ein Brandmal aufgeprägt: Sie sind unwerte Rassen, Faschisten, Kommunisten, Juden oder eine andere Art von Untermenschen.

Warum kommt es überhaupt zu Kriegen? Wären sie nicht grundsätzlich zu vermeiden? Brave deutsche Friedensforscher pflegen dazu eine feste Meinung zu vertreten. Man müsse nur immer im Gespräch miteinander bleiben! Interessant ist es in diesem Zusammenhang, dass die gleiche Botschaft auch aus Peking zu uns kommt. Durch Verhandlungen, sagen uns die Chinesen, ließen sich alle Probleme lösen. Leider ist das der Gipfel der Heuchelei, denn Peking besteht zur gleichen Zeit auf roten Linien, die prinzipiell kein Gegenstand von Verhandlungen sind. Über Tibet, über Xin Jiang, über Taiwan und über die vollständige Souveränität Pekings im südchinesischen Meer – darüber könne es keine Gespräche geben. (1) Die braven deutschen Friedensforscher haben leider einen Punkt außer Acht gelassen, der aber der wichtigste ist, nämlich dass der Beginn eines Krieges regelmäßig darin besteht, dass alles Reden und Verhandeln kategorisch verworfen wird.

Glaubenskriege werden nicht durch Gespräche beendet sondern durch eindeutige Siege oder die Erschöpfung der Gegner. Vorerst ist Putin an Gesprächen nicht interessiert, solange diese irgendwelche Zugeständnisse von seiner Seite erfordern. Stattdessen treibt er den Westen mit der Drohung eines Atomkrieges vor sich her. So wie Hitler in den Beschwichtigungsversuchen der Alliierten nur Schwäche erblickte, die seine Aggressionsbereitschaft zusätzlich steigerten, macht auch Putin sich die Angst seiner Gegner zunutze. Seit einem dreiviertel Jahrhundert hängt das Damoklesschwert des nuklearen Holocaust über dem Globus. Es wird sicher nicht durch Beschwichtigung abgewehrt sondern allein dadurch, dass alle Parteien sich gegenseitig daran erinnern, was mit ihnen geschieht, wenn sie diese furchtbare Errungenschaft unseres scheinbar unaufhaltsamen „Fortschritts“ tatsächlich verwenden. Glücklicherweise wissen die russischen Militärs darüber genauso gut bescheid wie die amerikanischen. Der Krieg gegen die Ukraine wird weder aufgrund von Drohung noch durch Beschwichtigung oder den eindeutigen Sieg einer Seite enden, sondern eher aufgrund von Erschöpfung. Ich wünsche dem tapferen Land und seinem Präsidenten, dass westliche Hilfe am Ende zur Entkräftigung Russlands führt und zu einer Palastrevolution gegen Putin. Das ist jedoch keinesfalls sicher. In Europa bleiben die russischen Drohungen nicht ohne Wirkung, und der potenzielle Präsident Donald Trump hat eine ausgeprägte Schwäche für Diktatoren wie Kim Jong-un und den russischen Zaren, weil er selbst so gern einer wäre.

Und wie wird der Überlebenskrieg Israels enden? Wäre er nicht überhaupt vermeidbar gewesen, hätte Israel sich rechtzeitig zu einer Zweistaatenlösung entschlossen? Und hätte nicht Netanyahu – wie es ein bedeutender Teil der israelischen Bevölkerung längst von ihm fordert – mit der Hamas einen Waffenstillstand schließen, die Geiseln befreien und ein Übergreifen der Kampfhandlungen auf den Libanon, vielleicht sogar auf den Iran, dadurch vermeiden können? Gewiss. Der Friede wäre dann für ein, zwei Jahre gesichert. Aber eben nur für eine kurze Zeit, denn, wie schon gesagt, leitet das blutige Mullah-Regime im Iran sein politisches Ansehen im islamischen Raum wesentlich von seiner Feindschaft gegen Israel ab. Einen vorzeitigen Frieden hätte das Regime dazu genutzt, um Hamas und Hisbollah in aller Stille neuerlich aufzurüsten. Der Staat Israel hätte nur eine Atempause gewonnen, aber die Gefahr für sein Überleben wächst exponentiell, wenn die Gotteskrieger des Iran demnächst eine eigene Atombombe besitzen.

Die unbeugsame Hartnäckigkeit Netanyahus hat sicher auch etwas mit seinem politischen Überleben zu tun, aber ich kann verstehen, dass dieser Mann das weitere Erstarken Irans und seiner fanatisierten Gefolgschaft um jeden Preis zu verhindern sucht. Wenn es dem israelischen Premier gelingt, die atomaren Anlagen des Iran zu vernichten – wozu er allerdings die speziellen Bunkerbrecher der Vereinigten Staaten braucht – dann darf sich Israel Ruhe erhoffen, Ruhe und Frieden zumindest für die kommenden zehn bis fünfzehn Jahre.

Leider werden Kriege nie durch bessere Einsicht beendet oder die gutgemeinten Ratschläge deutscher Friedensforscher, sondern in aller Regel nur durch einen eindeutigen Sieg oder gegenseitige Erschöpfung (siehe Jörn Leonhard: Über Kriege und wie man sie beendet). Der Widerstand der Hamas ist inzwischen so gut wie ausgeschaltet, die Hisbollah wurde mehrfach enthauptet und ist bereits weitgehend kampfunfähig. Es bleibt die Frage, ob es Netanyahu gelingt, auch den eigentlich kriegstreibenden Gegner, den Iran, bis zur Aufgabe zu schwächen. Der zweimalige Raketenüberfall des Iran hat ihm dazu jedenfalls die nötige Rechtfertigung verschafft.

Aber wird Israel dann den Frieden gewinnen? Das ist leider keineswegs ausgemacht. Seine Feinde haben richtig kalkuliert, als sie ihre eigene Bevölkerung opferten, um dann umso größere Empörung auf Israel zu lenken. Das Land hat sich in aller Welt verhasst gemacht. Überall flammt neuerlich der Antisemitismus auf. Juden emigrieren aus den Vereinigten Staaten und ebenso auch aus Europa; sie wandern nach Israel aus, wo sie sich trotz Raketenbeschuss immer noch sicherer fühlen. Kann und wird Israel diesem Hass entgehen?

Dazu müsste es den militärischen Sieg gegen seine Feinde in einen politischen Sieg verwandeln. Das Land müsste dieselbe Medizin anwenden wie die USA nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüber den besiegten Deutschen. Die Amerikaner haben ihre ehemaligen Feinde mit äußerster Großzügigkeit behandelt und so in kurzer Zeit wieder Vertrauen aufgebaut. Ein länger andauernder Friede scheint überhaupt nur auf diese Art erreichbar zu sein. Gerade weil das winzige Israel seinen Feinden bisher so stark überlegen ist, würde ein nationalistisches Triumphieren oder gar eine weitere Expansion das Verhältnis zu den Nachbarländern – auch zu den Sunniten – auf Dauer vergiften.

Und eines darf natürlich auch nicht vergessen werden. Nicht nur die Juden, auch die Palästinenser sind in ihrem Überleben bedroht. Der Gazastreifen ist eine Art Freilichtgefängnis, das Westjordanland kein Ort, wo sich die heimische Bevölkerung wohlfühlen kann, seitdem die UNO 1947 die Gründung des Staates Israel beschloss. Wir Deutschen sollten allerdings den Mund dazu halten, denn es war der Holocaust, die Ermordung von sechs Millionen Juden, welche die Staatsgründung in den Augen der Juden wie der Weltöffentlichkeit erzwang. Ein furchtbares Verbrechen setzt so eine unendliche Kette von Maßnahmen in Bewegung, welche ihrerseits großes Unrecht zur Folge haben.

1. Siehe Thomas Gomart: L‘accélération de l’histoire. „Ende August 2023 veröffentlichte das chinesische Ministerium für natürliche Ressourcen die „Nationale Karte Chinas“, welche die Grenzen von Indien, Malaysia, den Philippinen, Vietnam, Taiwan und sogar von Russland verletzt und heftige Proteste auslöste. Auf diesem Dokument ist Taiwan ein integraler Bestandteil der VR China.“

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Vier ausgewählte Reaktionen


em.Prof.Dr.Dr.h.c.mult. Friedrich Schneider:

Ein ausgezeichneter Beitrag – ich gratuliere!
Gruß F.S.

Prof. Dr. Wolfgang Streeck (BSW): Bitte löschen

GJ: Sehr geehrter Herr Streeck,

bei aller Hochachtung, Sie sind leider auch einer von denen, welche nicht kommunizieren wollen, weil Sie sich längst auf eine Doktrin festgelegt haben. Aber vermutlich ist Ihnen der Jenner auch einfach zu dumm, um sich auf ihn einzulassen. Der ideologische Hochmut ist leider im linken Lager noch stärker verbreitet als im rechten.
Sie wären mir übrigens nicht zu dumm für einen Austausch von Gedanken.
Mit bedauernsvollem Gruß angesichts Ihrer unmittelbar bevorstehenden Auslöschung
Gero Jenner

Robert Menasse:
Sehr gut!

Ralf Krämer, deutscher Gewerkschaftssekretär (BSW):

Hallo Herr Jenner,

ich kann Herrn Streeck nach diesem Text nachvollziehen, er ist pure Wiederholung der üblichen Legenden und Propaganda, die im Westen verbreitet werden. Weder geht es Putin um einen „Ausrottungskrieg“

/Glaubenskriege operieren mit der Brandmarkung des Gegners: Hitler machte die Juden zu Untermenschen, Putin macht sie pauschal zu Faschisten. Das sind Feinde, die man vernichten darf und muss/

noch ist Israel das bedauernswerte Opfer, dessen völlig unverhältnismäßige, rücksichtslose und von massiven Kriegsverbrechen gekennzeichnetes Vorgehen irgendwie als „Verteidigung“ zu rechtfertigen wäre. Eher wäre die Bezeichnung „Vernichtungskrieg“ hier, gegen die Bevölkerung im Gaza-Streifen gerechtfertigt.

/Israel ist der einzige Staat der Welt, dem andere Staaten damit drohen, es völlig von der Landkarte zu tilgen. Dem Hitlerregime ist das Vorhaben der Judenvernichtung beinahe gelungen. Ist das für Sie auch nur westliche Propaganda?/

In der Ukraine sind dagegen im Verhältnis zur Dimension des Krieges und der Zahl der militärischen Opfer die zivilen Opfer bemerkenswert wenige,

/Das stimmt, aber wie das Massaker in Butscha beweist, hängt das wohl eher mit einem Mangel an Gelegenheit und der bisher recht erfolgreichen Gegenwehr der Ukrainer zusammen/

viel viel weniger als bei den diversen völkerrechtswidrigen Angriffskriegen der USA in den vergangenen Jahrzehnten.

/Es ist wahr, alle führenden Mächte – die USA, Russland, China und nicht zuletzt Deutschland während seiner dreizehn unseligen Jahre – haben ihre Macht immer wieder missbraucht, aber die USA taten es mit schlechtem Gewissen und haben die Protestbewegungen im eigenen Land geduldet. Putin unterdrückt alle Opposition gnadenlos bis zur physischen Vernichtung seiner Gegner und zeichnet seine Todesschergen anschließend auch noch demonstrativ mit Orden aus/

Also, was Sie das schreiben, ist schlicht Stuß ohne Fundierung in den Fakten

/der Vernichtungswille Irans ist kein Faktum? Wie gut sind Sie informiert? Wenn das Denken abdankt, meldet sich die Empörung. Das nächste Stadium pflegt dann die Beleidigung zu sein/

und Originalquellen, also z.B. den Reden Putins im Original bzw. Übersetzung, nicht dubiosen Interpretationen westlicher Autoren.

/Nur dass ich – vermutlich im Unterschied zu Ihnen – Pjervüi Kanal und andere russische Sender im Originalton höre und deswegen vermutlich etwas weniger anfällig für Lügen bin, nämlich für russische Lügen. Wie Donald Trump –  leider aber mit ungleich größerer Intelligenz – versteht es der derzeitige Herr im Kreml meisterhaft jedem genau das zu sagen, was er gern hören will. Wenn ihm da schon Leute wie Streeck und Wagenknecht auf den Leim gehen, was soll man da von Ihnen erwarten, einem braven deutschen Gewerkschafter?/

Auch zu Israel beginnt die Geschichte nicht mit 7. Oktober, sondern ist seit vielen Jahrzehnten von massiver Unterdrückung und Gewalt gegen die Palästinenser geprägt, die die Hauptopfer sind, nicht etwa Israel. Jeder Mensch ist gleich viel wert, es ist v.a. Israel das das nicht anerkennt und völlig normal findet, dass seit Jahrzehnten regelmäßig die Zahl der Opfer auf palästinensischer oder arabischer Seite mehr als zehn- oder zwanzigfach so hoch ist wie auf israelischer Seite, und jetzt ist es noch schlimmer als sonst schon, es grenzt an Völkermord.

/Was Sie da von sich geben, ist wiederum nur eine Halbwahrheit. Nicht die Muslime sondern die Juden waren während der vergangenen mehr als eintausend Jahre beständig von Pogromen und Auslöschung bedroht, zuletzt vonseiten der Deutschen. Bisher waren sie immer nur Opfer und fühlten sich dadurch doppelt gedemütigt. Dass der Zwergstaat Israel sich jetzt bei jeder Bedrohung mit äußerster Entschlossenheit und Härte zur Wehr setzt – ist das angesichts einer solchen Vergangenheit nicht verständlich? Deutschland hat nach der als demütigend und ungerecht verstandenen Niederlage im Ersten Weltkrieg mit viel größerer Härte zurückgeschlagen! Nur in einem Punkt gebe ich Ihnen recht: All das ist grauenhaft!/

Fast die ganze Welt sieht das realistisch, nur in Deutschland und USA und UK und einigen anderen Ländern unterstützen die Regierenden unverbrüchlich diese verbrecherische Politik.

/Soll das heißen, dass Sie nicht nur auf der Seite Russlands gegen die überfallene Ukraine sondern auch auf der Seite des Iran gegen Israel stehen? Niemand verwundert es, dass die rechtsextreme AfD so empfänglich für diktatorische Einflüsterungen ist, dass aber auch Leute vom linken Lager wie Streeck, Sarah Wagenknecht und auch Sie, Herr Krämer, dieser Position immer näher kommen, das ist schon sehr irritierend. Beiden politischen Extremen ist der ethische Kompass offenbar abhanden gekommen/

Beste Grüße Ralf Krämer

Do we need to love Europe?

Most of us will see it as an expression of common human pathology when neighbors are persistently at war with each other. One of them may be unwilling to accept that the shade of the lime tree from the neighbor’s ground falls on his own tomato patch while the other cannot stand the children’s screaming that penetrates his ears all day long. There are countless cases of neighbors feuding with each other for the rest of their lives over the most ridiculous trifles. We shake our heads, but everyone understands the motive. My home is my castle! In our own house, on our own property, we want to act like sovereigns – especially when we are no masters of our personal life in other respects.

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(als Gastbeitrag teilweise abgedruckt in: "Die Presse" vom 28.5.2012)

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