In Krisenzeiten sind Beruhigungspillen angesagt. Nie wurden so viele Märchen, wurde so viel Beschwichtigungsliteratur gedruckt wie während der dreizehn Jahre des Tausendjährigen Reichs. Dem Vogel Strauß sagt man nach, dass er angesichts drohenden Unheils seinen Kopf gern im Sand versenke, auf Menschen trifft das weit eher zu. Warum musste ich also ein Buch mit dem Titel „Der Angesagte Kollaps der Technozivilisation“ an zwei Dutzend Verlage versenden? Ich musste es, weil ich überzeugt bin, meine Thesen überzeugend zu vertreten.
Im Übrigen ist die Frage auch falsch gestellt. Im Unterschied zu Straußen, Ameisen oder Katzen zeichnen sich Menschen durch ein Erkenntnisinteresse aus, das einige von ihnen selbst noch dazu verführt, gegen die eigenen Interessen zu handeln, indem sie das völlig Nutzlose tun, das Schöne wie einen Zweck an sich betrachten oder eben der Erkenntnis auch dann noch nacheifern, wenn diese schmerzhaft ist und eindeutig wider den Stachel des Zeitgeistes löckt. In diesem Sinne hatte ich mein Anschreiben an die Verlage folgendermaßen abgefasst:
Sehr geehrte Damen/ Herren,
Ich habe zwei Taschenbücher und drei Hardcover-Editionen bei S. Fischer, Propyläen und Signum veröffentlicht, eines dieser Bücher mit großem Erfolg (Die Arbeitslose Gesellschaft, S. Fischer). Der Titel des Ihnen nun in der Anlage zugestellten Manuskripts – Der Angesagte Kollaps der Technozivilisation – fasst den Inhalt des Buches bündig zusammen. Der erklärende Umschlagtext könnte etwa folgendermaßen lauten:
Mancher Historiker lächelt nur amüsiert, wenn er von Weltdämmerungs- und Weltuntergangsvisionen hört. Die habe es immer schon gegeben, doch seien wir Menschen bekanntlich immer noch da. Aber da gerät der entscheidende Unterschied aus dem Blick. Damals wurde einem rächenden Gott oder der moralischen Verderbnis seiner Geschöpfe der Untergang zugeschrieben. Heute haben wir es nicht mit Fiktionen sondern mit Fakten zu tun. Wir haben eine Lawine des exponentiellen Wachstums losgetreten: Wachstum des Ressourcenverbrauchs, des Konsums, des Mülls, der künstlichen Stoffe, der Spezialisierung, der Komplexität, des Verkehrs usw. Der Physiker aber weiß, dass exponentielle Prozesse, sofern man ihnen nicht rechtzeitig Einhalt gebietet, notwendig auf den Kollaps zusteuern. Die Technozivilisation ist im Begriff, genau das zu tun.
Ich nehme an, Ernst-Ulrich v. Weizsäcker nimmt es mir nicht übel, wenn ich seine Reaktion auf mein Manuskript zitiere: „Das ist ein (zumindest auf den ersten Blick) großartiger Großangriff auf die konventionelle Fortschritts-Ideologie.“
Herman Daly, alternativer Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler, hatte ein früheres Buch zu diesem Thema (Yes, we can – no we must), das ich leider voreilig bei Amazon veröffentlicht hatte, übrigens besonders gelobt (zitiert auf der ersten Seite).
Prof. Karl Acham (Soziologie) erlaubt mir, folgende Beurteilung meinem Buche voranzustellen:
„Jenners durch die Aktualitäten des Tages veranlasste, aber nie nur auf diesen fixierte Erörterungen grundlegender politischer, ökologischer, sozialökonomischer und kultureller Fragen zählen zum Anregendsten, das derzeit an klar formulierter historischer Soziologie im deutschen Sprachraum zu finden ist“ (Karl Acham).
Die Arbeit ist inzwischen abgeschlossen; deswegen schicke ich Ihnen kein Exzerpt sondern den vollständigen Text. Das Foto auf dem Umschlag ist möglicherweise urheberrechtlich geschützt: das wäre zu überprüfen. Bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie Interesse haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gero Jenner
Das Antichambrieren bei Verlagen war mir immer in höchstem Grade zuwider. Es ist und bleibt eine deprimierend-peinliche Sache, zumal wenn sich der Autor nur zu deutlich bewusst ist, dass ein so grundlegend kritischer Titel bei neun von zehn Lektoren den Verdacht auf Spinnerei erweckt, sodass man sich dem Lektor gegenüber mit Verdiensten oder Empfehlungen rühmen muss, damit er überhaupt dazu gebracht werden kann, einen Blick in das Manuskript zu werfen. Gewiss würde ich die Herren v. Weizsäcker, Herman Daly und Karl Acham lieber selber loben als mich mit ihrem Lob zu schmücken, aber ohne diese Selbstanpreisung geht es nicht.
Hätte ich kein Sachbuch sondern einen Roman geschrieben, dann wäre ein grundlegender Zweifel an der Technik durchaus erlaubt – als Fiktion wurde und wird er ja auch immer wieder beschworen. Kein Industrieller, kein Politiker, kein Techniker oder Ingenieur käme auf den Gedanken, gegen einen Roman Protest zu erheben, denn Kunst und Fiktion nehmen sie ja ohnehin nicht ernst. Völlig anders ist es bei einem Sachbuch, das mit dem Titel „Der Angesagte Kollaps der Technozivilisation“ vor die Öffentlichkeit tritt.
Ist nicht allein schon dieser Titel eine Frechheit, eine Zumutung, eine völlig abwegige Verfälschung der Tatsachen, eine bewusste Verunsicherung der Bürger, die auch so schon mit allen möglichen Zweifeln verunsichert werden? Wissenschaftsverlage mit kleiner, gesicherter Auflage, die sich ausschließlich an Spezialisten richten, können einen derartigen Titel allenfalls akzeptieren, sofern der Autor einer wissenschaftlichen Institution angehört, die für seine Seriosität bürgt und und die Veröffentlichung, wie üblich, subventioniert wird. Dagegen zucken die Lektoren eines Publikumsverlags spontan zusammen, wenn ihnen ein Manuskript in die Hände gerät, das mit Sicherheit Protest auslösen wird. Denn Lektoren sitzen auf einem Schleudersitz; sie werden dafür bezahlt, dass sie Bestseller ausfindig machen, nicht, dass sie Protest auslösen. Bücher mit solchen Titeln mögen noch so gut recherchiert, noch so zwingend begründet und gut geschrieben sein, nur wenn der Autor in der Öffentlickeit eine anerkannte Autorität ist oder eine renommierte Institution hinter ihm steht, braucht der Lektor für die eigene Person nichts zu befürchten. Nur dann kann er seine Hände in Unschuld waschen. Doch was dieser Druck bedeutet, ist ebenfalls klar: Es geht in Richtung Gefälligkeitsliteratur.
Die Reaktion auf mein Verlagskampagne war demnach vorauszusehen. Von 28 angeschriebenen Verlagen haben bezeichnenderweise drei schon nach ein bis vier Tagen abgelehnt, also ohne das Buch zu lesen – allein aufgrund des Titels. 23 Verlage haben sich nicht einmal der Mühe einer Absage unterzogen. Von den folgenden fünf Absagen ist nur eine einzige ehrlich und ernst zu nehmen:
Wilke-Primavesi, Campus, nach einem Tag: Sehr geehrter Herr Dr. Jenner, vielen Dank für die Zusendung Ihres neuen Manuskripts. Eine Publikation bei Campus kommt aus programmatischen und wirtschaftlichen Gründen leider nicht infrage. Mit Dank für Ihr Interesse und mit freundlichem Gruß, Judith Wilke-Primavesi
GJ: Campus ist ein universitärer Wissenschaftsverlag. Kritik an Wissenschaft und Technik – mag sie noch so wissenschaftlich sein – steht daher nicht auf dem Programm.
Schuller, Rowohlt, nach drei Tagen: Sehr geehrter Herr Jenner, vielen Dank für Ihre Mail und das Angebot. Ihr Manuskript passt leider nicht in unser Programm. Ich freue mich aber, dass Sie an uns gedacht haben. Herzlicher Gruß Moritz Schuller
GJ. Wenn man, ohne das Buch gelesen zu haben, schon nach drei Tagen weiß, dass es nicht ins Programm passt, muss irgendwo Enge herrschen – entweder im Kopf des Herrn Schuller oder im Programm desVerlages.
Hoffmann, Metropolis, nach einer Woche:
tut mir leid, kein Interesse. Hubert Hoffmann
GJ: An dieser ungeholbelt, unfreundlichen Reaktion des Herrn Hoffmann bin ich selbst nicht ganz unschuldig. Nachdem er drei Arbeiten von mir in seinem Verlag publiziert hatte, ließ mich die schlechtbegründete und aggressive Reaktion auf eine weitere an der wirtschaftlichen Kompetenz des Herrn Hoffmann zweifeln. Andererseits muss ich mir meinerseits eine gewisse Charakterlosigkeit vorwerfen. Warum habe ich mich überhaupt noch an ihn gewendet?
Janik, Piper nach drei Wochen: Sehr geehrter Herr Jenner, vielen Dank für Ihre Mail, und entschuldigen Sie bitte die (durch Vertretertagung und London Book Fair bedingte) Verspätung. Ich stimme Ihnen völlig zu, was die Thesen Ihres Buches angeht – allein das Beispiel des Weltraummülls ist ja schon sehr schlagend, und im Grunde fragt man sich, wie die Menschen allen Ernstes bei einer so klaren Faktenlage so munter weitermachen können wie bisher. Und ganz ähnlich ist es ja auch in anderen Bereichen. Mein Eindruck ist nur, dass wir ein solches Buch nicht in einer Stückzahl verkaufen können, die Sie und uns glücklich machen würde. Und so muss ich leider (wie bei vielen guten Büchern, für die Ähnliches gilt) für unser Programm absagen, danke Ihnen aber für Ihr Vertrauen und wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer anderweitigen Publikationsmöglichkeit. Mit den besten Grüßen Martin Janik
GJ: Die einzige verständnisvolle und anständige Ablehnung, die ich erhielt. Dass in einer von Furcht geprägten Zeit nicht viele zu einem besonders kritischen, die Furcht möglicherweise noch steigernden Buch greifen werden, dürfte, wie schon in der Einleitung bemerkt, wohl leider richtig sein. Andererseits mobilisiert eine so herausfordernde These ein größeres Publikum – aber eben auch die größten Proteste. Und so könnte denn doch die Angst vor den zu erwartenden Protesten der eigentliche Grund für die Ablehnung sein.
Heyl, Hanser, nach vier Wochen: Sehr geehrter Herr Jenner, vielen Dank für Ihr Manuskriptangebot. Ich habe nun gelesen und muss Ihnen leider absagen, weil wir bereits an anderen Büchern arbeiten, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigen – und da wollen wir uns im eigenen Haus keine Konkurrenz machen. Alles Gute für die weitere Arbeit und freundliche Grüße. Tobias Heyl
GJ: Ja, sehr viele Sachbücher befassen sich mit Zeitfragen, aber es kommt darauf an, wie sie es tun. Wenn Herr v. Weizsäcker mit seiner Feststellung im Recht ist, dass mein Buch den wohl „großartigsten Großangriff auf die konventionelle Fortschritts-Ideologie“ enthalte, dann ist Konkurrenz wohl kaum zu befürchten.
Folgende Verlage haben überhaupt nicht reagiert (Datum des Anschreibens in Klammern):
Peter Sillem, S. Fischer, 1.3.
Tim Jung, Hoffmann & Campe, 7.3.
Christian Koth, Aufbau, 29.2.
Heinrich Geiselberger, Suhrkam, 7.3.
Stephanie Kratz, Kiepenheuer und Witsch, 7.3.
Jens. Dehning, Siedler, 7.3.
Dorothee Fetzer, Springer, 7.3.
Matthias Hansl und Sebastian Ullrich, C.H. Beck, 7.3.
Rosemarie Mailänder, dtv, 7.3.
Thomas Rathnow, Randomhouse, 7.3.
Andreas Rötzer, Matthes & Seitz, 7.3. (Matthes & Seitz)
Katarzyna Lutecka, Amalthea, 7.3.
Heike Bräutigam, Kunstmann, 7.3.
Julia Hoffmann, DVA, 7.3.
Markus Karsten, Westendverlag, 7.3.
Promedia Verlag, 7.3.
Hannah Wustinger, Czernin, 7.3.
Rotpunktverlag, 7.3.
Julian Herrmann, Klett-Cotta, 7.3
Christoph Steskal, Propyläen, 7.3.
Philipp Werner, Reclam, 7.3.
Ich weiß, dass es noch bis vor zwanzig Jahren als schwer verzeihliche Unsitte galt, mehrere Verlage zugleich anzuschreiben. Das hat sich inzwischen geändert. Würde ein Autor bei jedem Verlag jeweils bis zu zwei Monate auf die Antwort warten, würden die meisten Bücher erst an seinem Lebensende erscheinen.
So wie es aussieht, werde ich auch dieses Buch nur bei Amazon veröffentlichen können. Als Kindle-Ausgabe ist es seit einem Tag bereits auf Deutsch und Englisch erhältlich (ohne ISBN, dann lässt es sich dort auch jederzeit wieder löschen). Für diese Möglichkeit bin ich dem amerikanischen Unternehmen überaus dankbar. Die Nachteile sind allerdings evident. Da jeder dort allen erdenkbaren Stuss drucken darf, befindet man sich zwangsläufig in sehr gemischter Gesellschaft. Von Bibliotheken wird das Buch ignoriert, ebenso von zahlenden Wortverwertungsgesellschaften – und vor allem: die Leserschaft lässt sich meist an ein paar Händen abzählen, der Autor verschwindet im publizistischen Nichts. Wenn sie in einem bekannten Verlag erscheinen, bekommen selbst mediokre Autoren ihr Publikum, hingegen muss man, um bei Amazon überhaupt wahrgenommen zu werden, mindestens ein Genie sein – aber möglichst kein kritisches.
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Der deutsch-rumänische Schriftsteller Eginald Schlattner antwortet mir:
Alles mit epischem Genuss und essentiellem Grausen gelesen, verehrter Dr. Jenner.
Nach Ihren grandiosen verlagstechnischen Bemühungen – dahinter als Autor dazu IHR Name steht! – , hat unsereiner als Schreibender im deutschsprachigen Gehege überhaupt keine Chance mehr, wie immer man sich verrenken möge.
Ich selbst habe, Gott Lob, wenig mit Verlagen zu tun gehabt.
Und bin heilfroh, dass der elitäre POP Verlag mich im Programm behält.
Zsolnay hat sich nach der Trilogie „Versunkene Gesichter“ von mir getrennt (um mich vor mir zu schützen; das Nachherige, heißt es, reiche an die Trilogie nicht heran).Immerhin erschien bei Traian POP: Wasserzeichen 2 Auflagen.
Dazu die kleinen Romane: Drachenköpfe; Schattenspiele toter Mädchen.
Ferner ein Sachbuch: Dumnezeu mă vrea aici; Gott weiß mich hier. In zwei Sprachen: ROM, DEU.
Und: Wasserzeichen wird ins Rumänische übersetzt.
Was sagen außer, dass mich als Literat dieser Befund schützt: „Meiner Seele Seligkeit hängt nicht von meinen Büchern ab. Vielmehr dass ich Pfarrer bin; als Erstes, als Letztes, und manchmal durch und durch.“ Es ist die dominante Alternative zum Schriftsteller.
Bleiben Sie Gott befohlen,EgSch
Alexander Dill schreibt:
Lieber Herr Jenner, ich freue mich sehr, dass Sie dies veröffentlichen! Auch ich habe ja bei Fischer, Goldmann, Finanzbuchverlag, Oekom und Heise-Verlag veröffentlicht und kann wohl nicht mehr mit einem weiteren Buch in größeren Verlagen rechnen. Vor kurzem hat mir jedoch Franz Xaver Kroetz in einemInterview mit der SZ die Augen geöffnet. Sinngemäss sagte er, dass unser ganzes Schreiben völlig sinnloser Selbstzweck sei und er es daher einstelle. Der Gedanke, ein Buch könne von Rezensenten, ein Sachbuch gar von Entscheidungsträgern gelesen werden, ist vermessen. Natürlich freuen wir uns über jedes Feedback und ichlese ja gerne Ihre Essays und antworte auch. Ich plane im Mai ein Fernsehgespräch mit einem Bestsellerautor im Bereich Aussenpolitik, in dem esnur um ein Thema gehen wird: Warum kann unserExpertenwissen in keiner Form die Politik beeinflussen? Ich habe 2018 die Chance bekommen, als Experte selbst eine Afghanistan-Sitzung im Bundestag zu definieren und zu leiten. Dabei machte ich Vorschläge für Maßnahmen, den Krieg entlang der Durand-Line zu beenden. Die Sprecher der Parteien und auch der Vertreter derBundesregierung nickten – dann die Verlängerung desKrieges ab. Es geht m.E. nicht um die Qualifikation des Experten und seiner Vorschläge, sondern um die opportune Handlungsdynamik in Parlament und Regierung. Versetzen sie sich einmal in alle Experten hinein, die die Grünen und die FDP vor der Wahl beraten haben und nun sehen müssen, dass beide Parteien jede Vernunft fürVaterlandsverrat halten und die Grünen als Beitrag zum Klimaschutz nun die MIneralölsteuer senken. Ich zähle zu diesen Experten und stehe fassungslos vor meiner Bedeutungslosigkeit. Richard David Precht, der erfolgreichste Sachbuchautor Deutschlands, Gast in allen Talkshows, hat bereits 2014 vor einer Eskalation in der Ukraine gewarnt. Lange vor Homeschooling znd Corona hat er in unzähligen Auftritten dargelegt, was in unserem Bildungssystem schiefläuft. Heute erfahren die Schüler nur noch Regierungspropaganda und weder sie noch ihre Eltern geraten auch nur in Berührung mit dem Denken von Precht. Natürlich beneide ich Precht für seine Erfolge und finde ihn zudem mutig und klug. Aber Precht hat leider ebensowenig Einfluss auf die Politik wie ich. Und dass Sie keinen Verlag finden, können Sie durch diesen tollen Blog kompensieren, in dem Sie Fans wie Alexander Dill zu solchen Zeilen bringen. Gratuliere und machen Sie weiter so!
Dazu meine Antwort:
Eine demokratische Regierung über ein Volk von achtzig Millionen kann unmöglich auf alle Experten – echte oder auch selbsterklärte – Rücksicht nehmen sondern muss sich an den Wünschen der Mehrheit orientieren. Diktatoren wie Hitler oder Putin befinden sich da in einer grundsätzlich anderen Position – viele aus dem extremrechten oder extremlinken Lager beneiden sie, wie man weiß, gerade darum. Aber bei Verlagen sollte es anders sein. Wenn sie den kritischen Geist missachten und stattdessen Gefälligkeitsliteratur vertreiben, dann ist im Staate etwas faul.
Was mich betrifft, so habe ich nie Proselyten machen wollen. Es genügt mir, geistige Klarheit zu gewinnen und andere daran teilhaben zu lassen. „Erkenntnis, auch wenn sie Mut verlangt oder vielleicht sogar schmerzt“ – dieses Motto habe ich meinem nach fünf Jahren der Stilllegung gerade wieder aktivierten Twitteraccount vorangestellt. Geistige Klarheit – Erkenntnis – ist mir auch dann schon wichtig, wenn sie keine unmittelbaren praktischen Folgen hat – zumindest in dieser Hinsicht glaube ich mich mit einigen großen Philosophen verwandt.
Herr Bruno Kathollnig, Dichter und Magistratsdirektor i.R. schreibt:
Sehr geehrter Herr Jenner! Zunächst darf ich hiermit einmal mehr meiner Bewunderung für all das Treffende und Zutreffende, das Sie schriftlich festhalten, zum Ausdruck bringen. Ach ja: An meine Erfahrungen mit diversen Verlagen möchte ich mich nicht einmal mehr erinnern. Trotzdem wundere ich mich noch heute, dass ich für vier meiner Gedichtbände und ein Sachbuch, eine kritischen Liebeserklärung an Europa („Europa unser! Lass dich nicht schröpfen!“), Verleger gefunden habe. Ich habe freilich das Glück, dass ich von meiner Schreibsucht nicht leben muss. Trotzdem: Dass meine Eitelkeit durch Erfolglosigkeit eher gekränkt als befriedigt wird, das ist nachvollziehbar und nicht gerade erbaulich. Gelinde gesagt. Aber egal:Im Dateianhang erlaube ich mir (hoffentlich nicht auf eine allzu aufdringliche Art), Ihnen mein jüngstes, über das Internet auf seine Geburt hoffendes „Kind“, ein kleines Vermächtnis, vorzustellen. Passend zum Tag der Arbeit. Denn es hat mich neben meinem Herzblut viel Arbeit gekostet. Auch wenn es fast zur Gänze meinen Schwächen und deren Therapie geschuldet ist. Jedenfalls ist es ein „Pageturner“. Also hoffentlich alles andere als langweilig. Trotzdem steht seine Geburt sehr in Frage. Aber vielleicht kann auch mir Amazon dabei helfen. Mit den besten Grüßen und Wünschen!Bruno KathollnigVinceremos!